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Woher der Hass? Laubbläser

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Bei Manufactum kann man verschiedene Rechen kaufen. Aus Stahl, aus Edelstahl, aus Gummi. In groß, in klein. Mit Stiel aus Eschenholz oder als Teil des Sets „Japanisches Zimmerpflanzenwerkzeug“. Ein anderes Gerät, das die gleiche Arbeit verrichtet wie ein Rechen, gibt es im Shop nicht: einen Laubbläser. Da das Motto von Manufactum „Es gibt sie noch, die guten Dinge“ lautet, darf man also annehmen, dass der Laubbläser nicht als „gutes Ding“ gilt.
 
Gilt er auch nicht. Vor einigen Tagen ging ein Foto viral; man sieht darauf eine Hand, die einen Laubbläser bedient, darüber steht: „Schon seltsam: Wir leben in einem Land, in dem es Kindern verboten ist, nachmittags auf einer Wiese Lärm zu machen, auf der morgens um sechs mit dem Laubbläser gewütet wird...“ Etwa zur gleichen Zeit startete ein neues Online-Magazin auf Klickfang mit einer Liste namens „Gedanken, die jeder kennt, der schon von einem Laubbläser geweckt wurde“ (zum Beispiel „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! Nie wieder Laubbläser & Rasenmäher!“). Und auf der Webseite eines Nachrichtenmagazins erschien ein Artikel mit dem Titel „Der große Krach“. Laubbläser, heißt es darin, verschmutzten die Umwelt und wurden in Graz gerade verboten. Sie „dröhnen durch die Straßen“ und der Krach, den sie machten, sei wirklich besonders groß: „Laut dem Umweltbundesamt in Dessau lärmt der Laubsauger so laut wie eine Kreissäge oder sogar ein Presslufthammer“. Ein Bekannter outete sich kürzlich auf Facebook als „Laubbläser-Hater“. Und eine Freundin beschwerte sich bei der Stadt über den Laubbläser-Lärm vor ihrem Haus und beschimpfte das Gerät als „Porsche des Hausmeisters“.
 
So viel Hass, so viel Wut! So viele fiese Verben wie „wüten“ und „dröhnen“! Und dann auch noch die Gegenüberstellung mir dem Unschuldigsten, das im Laub herumtobt: unseren Kindern! Da kann der Laubbläser ja nur verlieren. Und während jeder Hausmeister mit Schwielen an den Händen sagt: „Wissen Sie eigentlich, wie anstrengend es ist, die ganzen Scheißblätter zusammenzurechen – und das mit meinem Rücken!“, beharren die Laubbläser-Hater auf dem einen: ihrer Ruhe.
 
Die wird nämlich gestört durch den Laubbläser. Und das ist das liebste Argument seiner Gegner, noch vor Feinstaubbelastung und Keimen aus Hundekot, die aufgewirbelt werden, vor „Wie unsinnig, man pustet das Laub wohin und dann kommt der Wind und pustet es zurück“ und der Zerstörung des Lebensraums sehr kleiner Tiere. Laubbläser sind laut. Und was laut ist, hat keine Chance, nicht in deutschen Dörfern und auch nicht in deutschen Städten, die vermutlich die leisesten der Welt sind. Lärm ist ein Gesundheitsrisiko – und dass es einen Unterschied zwischen „an der Autobahn wohnen“ und „mal eben zehn Minuten das Laub wegblasen“ gibt, ist den meisten dabei egal. Gesundheit ist Gesundheit, die gilt es vor Schaden zu bewahren, auch wenn das Risiko nur zehn Minuten lang besteht.
 
Okay, werden jetzt einige denken, der Lärm an sich, das ist doch was, über das nur grantlige alte Damen meckern. Wieso meckert dann auch die ungrantlige junge Freundin der Autorin? Auf der Suche nach einer Antwort führt der Weg zurück zu Manufactum. Lärm wird nämlich gerne mit Modernität verbunden. Mit Technik und Fortschritt. Und „Die guten Dinge“, das sind im Sinne der Manufactum-Jünger jene Dinge, die es früher schon gab. Die ein bisschen altmodisch, dafür aber irgendwie „liebevoll gemacht“ und dadurch „liebenswert“ sind. Schlank, ästhetisch, leise, zum Anfassen und mit-den-eigenen-Händen-Arbeiten. Schöne Rechen zum Beispiel. Ein grobschlächtiges Gerät wie ein Laubbläser passt nicht in diese Philosophie der schönen Gegenstände. Da würde es nicht mal helfen, ihn aus Edelstahl und Eschenholz zusammenzubauen.


Text: nadja-schlueter - Illustration: Daniela Rudolf

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