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Von Kaffee und Amerikanern

Text: EverybodyHurts
Heute ist der letzte ganze Tag. So sehr ich dieses ganze Touristenzeug machen möchte und je mehr ich mich danach sehne so zu tun als wäre alles so wie es war bevor ich herkam wenn ich zurückgehe, desto klarer wird mir, dass es nicht gehen wird. Ich habe auf dieser Reise nämlich, oder vielleicht auch schon kurz davor den Verstand verloren. Das ist mir aufgefallen als ich letztens gemerkt habe, dass ich Tim Bendzko hörend Sartre las und fand, dass beide unwiderlegbar Recht haben. Eigentlich hatte ich vorgehabt jemanden zu kontaktieren, der wohl weiß was man mach wenn es einem so geht wie mir aber Er sagte, dass sei ja wohl das Letzte was ich brauche. Dass ich eher mal einen ordentlichen Tritt in den Hintern mal so richtig schön auf die Schnauze fallen und nicht immer alles in den Hintern und er würde mich nicht mehr auf Händen und Knien und sowieso sei ich ja so selbstverliebt und egoistisch und würde es ja eh nicht verstehen. Naja, jetzt sitze ich jedenfalls hier und stecke mir das erste Mal seit 24 Stunden wieder etwas anderes in den Mund als das Ende einer Zigarette. Irgendwann abends habe ich aufgehört zu zählen wie viele es waren aber als ich aufgestanden bin und zum Bett laufen wollte hab ich mich sehr wackelig gefühlt. Eigentlich wollte ich ja heute Picasso und Miró und den jüdischen Berg aber stattdessen sitze ich hier mit muesli, cafe con leche e agua con gas auf einem kleinen Platz im Nirvana und schreibe und sehe einer kleinen molligen asiatischen Photographin zu wie sie ein russisches Model vor einer katalonisch-gotischen Kirche in Winterklamotten photographiert. Nebenher esse ich und rühre mit der Hand des Armes in meinem Kaffee, der mit dem Ellbogen das Buch an der Stelle offen hält an der ich gleich weiterlesen werde. Da war noch der tolle Laden mit handgeschöpftem Papier und in Leder gebundenen Büchern, da muss ich unbedigt noch hin. Das Geräusch des kleinen Fahrzeugs mit dem Kran obendrauf, das natürlich ausgerechnet gerade jetzt hier und so reißt mich aus meinen Gedanken und lässt mich innehalten und dabei sehe ich einen jungen Amerikaner wie er immer wieder sehnsüchtig zu dem posenden russischen Model in Winterklamotten schielt. Igendwas wollte ich denken aber ich weiß nicht mehr was, das Geräusch bringt mich total aus dem Konzept und da fällt mir das Konzept des deus ex machina ein und ich wünsche mir kurz aber inbrünstig das Flugzeug würde morgen abstürzen und ich müsste mich nicht Allem stellen. Die Äpfel schmecken hier ganz anders als bei uns. Vielleicht liegt es aber auch an dem Honig, das kann ich nicht so genau ausmachen. Die Frage ist doch: Was tun? Touristenscheiß oder Existentialismusscheiß? Während ich sie mir stelle weiß ich aber schon, dass es völlig egal ist und es am Ende eh darauf hinausläuft, dass der Tag zuende geht und ich morgen den Sargdeckel wieder über mir schließen werde. Ich befürchte die linke Schlampe wird wieder mindestens einen Finger in die Lücke schieben und zumindest versuchen die Luft draußen zu streicheln. Manchmal denke ich, dass es gut wäre sie abzuhacken, dann könnte ich endlich wieder beruhigt weitersterben. Mein Kaffee ist kalt. Erstmal Eine rauchen.

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