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"Irgendwer blutet am Ende immer"

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jetzt.de: Um eine Studentenverbindung zu finden, die sich sieben Tage lang von euch mit der Kamera begleiten lässt, hat es zwei Jahre Vorarbeit gebraucht. Was war das Problem?

Florian: "7 Tage..." ist ein sehr forderndes Format, weil dabei jemand Fremdes eine Woche lang Praktikant in deinem Leben ist. Dieses Thema war allerdings besonders schwierig, weil es von Seiten der Verbindungen große Ängste gab, mit rechtsextremen Verbindungen über einen Kamm geschoren zu werden. Zusätzlich gab es oft Vorbehalte gegen den Dreh von Seiten der alten Herren, oder man wollte uns nur reinlassen, wenn wir den Film vor der Ausstrahlung der Verbindung vorführen und absegnen lassen. Das machen wir aus Prinzip nicht. So sind sehr viele Drehs geplatzt.

Am Ende durftest du dann doch bei der schlagenden Leipziger Verbindung Corps Lusatia eine Woche lang als Fuchs, also als Mitglied in Ausbildung, mitmachen. Welche Vorurteile hattest du, bevor du dort angefangen hast?

Bevor ich mich näher mit dem Thema beschäftigt habe, dachte ich, Studentenverbindungen sind rechts, saufen, betreiben fiesen Männerklüngel und merkwürdige Rituale, akzeptieren keine Frauen, haben ein seltsames Bild von Männlichkeit und starke Hierarchien. Wir hatten aber den Deal, dass ich solche Vorurteile in dem Film offen benenne und sie darauf eingehen können.

Welche Vorurteile wurden bestätigt?

Die Verbindung war tatsächlich sehr hierarchisch, das finde ich auch schwierig. Es ist ungewohnt, wenn einem von einem 20-Jährigen befohlen wird, ihm ein Bier zu holen und man dann sein Gespräch unterbrechen und das tun muss, nur weil er ranghäher ist. In meiner Studienzeit hätte ich zu so jemandem gesagt Hol's dir selbst! In der Verbindung, in der ich war, gab es allerdings ein überraschend breites politisches Spektrum. Ich hätte dort eher konservative CDU-, FDP-, vielleicht auch AfD-Wähler vermutet. Tatsächlich waren dort aber auch Leute, die die Linkspartei gewählt haben.

In dem Film gibt es viele Situationen, in denen du sehr irritiert wirkst. War es für dich schwer, nicht aus der Rolle des Fuchs' zu fallen?

Nein, denn es ist ja nichts passiert, das ich ethisch komplett ablehnen würde. Allerdings gab es schon Situationen, in denen ich mich gefragt habe Was mache ich eigentlich hier?. Füchse müssen zum Beispiel am Ende ihrer Fuchsenzeit eine Prüfung ablegen, in der sie die Geschichte der Verbindung runterbeten. In der Vorbereitung dafür musste ich mich eine Stunde lang über Wappen belehren lassen. Da habe ich mich schon sehr gefragt, wie man für etwas derart Totes so viel Zeit investieren kann.

Du hast auch für die Mensur, also die traditionellen Fechtkämpfe in schlagenden Verbindungen, geübt. Wie hat sich das für dich angefühlt?

Ich finde das Pauken als Form der sportlichen Betätigung schon filigran und gut, das hat auch Spaß gemacht. Mit dem Gedanken, dass sich bei der scharfen Mensur regelmäßig Menschen mit rasiermesserscharfen Klingen blutig schlagen, komme ich allerdings nicht klar. Egal, wie stark die Verbindungen die Mensur reglementieren  irgendwer blutet am Ende immer. Mich hat daran auch irritiert, dass die Verbindungsmitglieder sich ja als Freunde begreifen, die in der Mensur gemeinsam eine Extremsituation erleben, überstehen und daran wachsen. So etwas künstlich zu erschaffen und nicht, wie bei den privaten Freundschaften, die ich so habe, ganz natürlich durch schöne und schlimme Momente im Leben miteinander zu gehen  das finde ich mehr als befremdlich.

Hat diese künstliche Freundschaft denn auch für dich funktioniert? Waren dir die Verbindungsstudenten am Ende sympathisch?

Wir sind nicht Freunde fürs Leben geworden. Ich konnte allerdings verstehen, was sie dort suchen und finden.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
Florian (2. v. r.) bei der stundenlangen Wappenkunde 

Und was ist das?

Eine Verbindung nimmt einem sehr viel ab,  wenn man neu in einer Stadt ist. Man bekommt direkt sehr günstigen und  schönen Wohnraum, Leute führen einen an der Uni rum und vermitteln  Praktikumsplätze. Außerdem gibt einem die Gruppe sehr viel Halt, man hat  direkt Freunde. Ich habe das wie ein Korsett empfunden  es gibt dir  Halt, aber zwängt dich auch ein.

 

Bist du dir denn sicher, dass die Verbindungsmitglieder authentisch waren? Schließlich verhält man sich vor einer Kamera ja anders, als im echten Leben.

Doch, sie waren authentisch. Sie sprechen auch wirklich weiterhin so steif miteinander, wenn die Kamera aus ist. Irgendwann setzt bei solch intensiven Drehs auch immer das Big-Brother-Phänomen ein und die Beteiligten merken die Kamera kaum noch.

 

Fechten, Wappenkunde, gemeinsam deutsche Lieder singen und bloß keine Frauen zulassen  das klingt alles sehr archaisch. Sind Verbindungen ein Auslaufmodell?

Ich denke, dass sie kein Auslaufmodell sind, es aber schon schwieriger wird, Nachwuchs zu finden. Trotz der archaischen Strukturen hatten viele Jungs in der Verbindung Freundinnen, die das gut fanden. Vielleicht standen die auch einfach auf schnittige Typen mit scharfen Klingen  das weiß ich nicht. Die Nichtaufnahme von Frauen scheint zumindest nicht dazu zu führen, dass Verbindungen generell abgelehnt werden. Traditionen sind ja Jugendstudien zufolge für viele junge Menschen wieder wichtiger. Was sich allerdings verändert hat, ist der Aspekt der Elitenbildung. Früher hat man sich über die Verbindung zu Jobs hochgeklüngelt. Wer heute Karriere machen möchte, geht besser zu einer renommierten Uni und sucht sich danach ein Alumni-Netzwerk, dafür braucht man keine Verbindung.

 

"7 Tage... in der Studentenverbindung" von Florian Müller und Ralph Baudach läuft Sonntagnachmittag um 15.15 Uhr im NDR.

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