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Mädchen, denkt ihr über euren Geruch nach?

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Die Jungsfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Euer Intimgeruch ist in der allgemeinen Wahrnehmung irgendwie präsenter als der unsrige. Wer auch nur hin und wieder in Kontakt mit Highschool-Komödien oder Schulhöfen kommt, merkt: Die Verbindung von Vagina und Fisch ist ein Phänomen der Popkultur, das über Generationen in Form von Witzchen und Sprüchen weitergereicht wird. Als würde eine Vagina grundsätzlich nach Fisch riechen bzw. stinken, denn darum geht es ja bei all den dämlichen Zoten: um den per se irgendwie schlechten Geruch eures Geschlechtsteils.  

Was ja nun, wenn wir das ein für allemal feststellen dürfen: gigantischer Unsinn ist. Wir Jungs mögen den natürlichen Geruch einer Vagina. Wir lieben ihn sogar. Er wirkt auf uns erotisierend! Und ein wirklich unangenehmer Fischgeruch tritt ja, falls wir halbwegs richtig informiert sind, nur dann auf, wenn irgendwas medizinisch nicht ganz im Lot ist.  

Das Witzeln mit eurem Intimgeruch ist also insgesamt eher ein Phänomen von verdrucksten Pennälerrunden, die auch über Worte wie "Eichelkäse" hysterisch lachen. Aber: Es sind fast ausschließlich Jungs, die das tun. Ihr selbst sprecht eigentlich nie über den Duft eures Intimbereichs. Selbst von Mädchen, die komplett unverklemmt über, sagen wir, Muschifürze lachen, haben wir noch nie ein Wort über Vaginalgeruch vernommen. Warum eigentlich?  

Liegt es daran, dass wir Jungs das Thema mit den blöden Fischmarkt-Witzen irgendwie versaut und euch verunsichert haben? Mal im Ernst: Wie wichtig ist euch das Thema? Denkt ihr viel darüber nach?

Auf der nächsten Seite: die Mädchenantwort von friederike-vonhelden.



Die Mädchenantwort:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Ja. Klar ist unser Körpergeruch ein Thema. Und ganz besonders unser Muschigeruch.  

Unsere Vagina ist, wie man als Kind von nur so mittelgut aufgeklärten und mittelfortschrittlichen Eltern gelernt hat, etwas tendenziell Unanständiges, um nicht zu sagen Schmutziges, von dem man mindestens in der Öffentlichkeit die Finger zu lassen hat. Dazu kommt, dass wir nicht sehen können, was genau in dem Bereich vor sich geht, wenn wir nicht gerade den Handspiegel zur Hilfe nehmen, was ja irgendwie... also in der Theorie voll super, in der Praxis irgendwie total abtörnend ist. Das heißt, wir sind unserer eigenen Muschi ein bisschen fremd und ihr habt einen viel unmittelbareren Zugang dazu als wir, optisch und olfaktorisch. Und selbstverständlich haben wir jeden einzelnen der überaus doofen Pennälerwitze (zum Beispiel der über den Blinden, der über den Fischmarkt läuft) registriert. Und jeder einzelne Witz hat etwas mit uns gemacht.
  
Als Frau mit der eigenen Sexualität in sämtlichen Schattierungen und Auswirkungen einigermaßen im Reinen zu sein, ist entweder ein großes Gottesgeschenk oder aber – ich glaube, in den meisten Fällen – Ergebnis langer Arbeit. Viele, viele Mädchen und junge Frauen schämen sich prophylaktisch für jeden Scheiß, der ihnen durch den Kopf geht, kurz bevor es zum Sex kommt. Also Speckrollen, wenn sie sich zur Seite beugen. Die verschieden großen Brüste. Zu kurze Finger. Haare am Bauch oder am Busen. Die Form der Schamlippen. Herrgott! Der ganze Körper ist eine einzige Ansammlung von Defiziten, für die sie sich schämen.

Und nur, wenn sie sich diese Schämspiralen im Laufe ihres Lebens abtrainieren, schaffen sie es auch, ein einigermaßen erfülltes Sexualleben zu haben. Weil: versuch du mal einen Orgasmus zu kriegen, wenn dir dein Kopf die ganze Zeit sagt: „Bauch einziehen, stöhn nicht so blöd, entspann mal deine Gesichtsmuskulatur, Alte, hast du dich auch gewaschen, riechst du nicht vielleicht doch ungefähr so wie der Viktualienmarkt hinterm „Nordsee“-Stand?“ Na? Ganz schön sexy, oder?!

Jedenfalls, worauf ich hinaus will: Ja. Ja! Wir denken über ALLES nach. Und natürlich denken wir auch über unseren Geruch nach. Wir haben Angst, dass wir zu intensiv riechen, gar stinken. Und kriegen auch manchmal plötzlich Panik kurz vor einer Verabredung, dass wir möglicherweise irgendwie animalisch, versaut, oder gar stinkig riechen und ihr euch insgeheim vor uns ekelt.  

Und so ganz weit hergeholt ist diese Furcht ja nicht. Denn unser Körpergeruch ändert sich eigentlich ständig. Wir können anhand unseres Geruchs feststellen, ob wir bald unsere Tage kriegen. Oder ob wir mal wieder eine dieser unfassbar nervigen Infektionen haben, die übrigens nichts mit der Körperhygiene zu tun haben, sondern mit dem pH-Wert und manchmal mit der falschen Ernährung.  

Es gibt zwei tröstliche Gedanken, an die ich dann immer denke, wenn meine Kopfspirale mir mal wieder jeden sexy Gedanken aus dem Gehirn schraubt:

1. Sobald es heiß und schweinisch wird, sinkt die Ekelschwelle eines jeden Menschen rapide ab und wir finden auf einmal geil, was wir normalerweise eher eklig fänden.

2. Es ist ja nicht so, als würde euer Geschlechtsorgan nach Veilchen riechen. Auch bei euch ist der spezielle Körpergeruch, ach was, Pimmel-Geruch ein Thema. Und wir finden den ja auch irgendwie gut, gerade weil er nicht nach Rosen oder Flieder duftet, sondern sehr privat riecht, irgendwie erdig, ein bisschen schweinisch und aber auch: geil.

Text: lucas-grunewald - Cover: Pellegrina / photocase.de

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