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Wann gibst du zu viel von dir preis?

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Bei Freund D. war es ein Geschäftstermin und zwar einer aus der Hölle. Noch gar nicht so lange her: Der Verantwortliche aus seiner Firma verspätete sich bei einem Abendessen. Deutlich, was genauer meint: eine knappe Stunde. Freund D. war auf den Abend vorbereitet, allerdings nur inhaltlich. Darauf, knapp sechzig qualvoll dahinsiechende Minuten mit einem völlig Fremden – und zwar nur mit einem völlig Fremden – rumzukriegen, war er nicht vorbereitet. Niemand wäre das schließlich. Wie auch?!  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Der Klassiker: verplappern bei Bier.

Freund D. ist, das sage ich mit viel Liebe und großer Hochachtung, ein abgewichster Profi in Small- und Bigtalk. Ich kenne niemanden, der derart ansatzlos und trotzdem ungezwungen Themen lostreten, weitertreiben oder wechseln kann. Aber auch die besten stoßen irgendwann an ihre Grenzen. Also wurden die Gesprächspausen erst zahlreicher. Dann länger. Dann noch länger und schließlich beinahe körperlich schmerzvoll.

Also schöpfte D. die letzten Reserven aus und erzählte seinem gegenüber – blinder Verzweiflung schon näher als rationalem Agieren –, dass er in ein paar Monaten Vater werde. Mit allem, was man daran so an Freude, Ängsten, Sorgen und Erwartungen verknüpfen kann, füllte er weitere 20 Minuten. 20 Minuten, die er anschließend gerne gelöscht hätte. Denn zu diesem Zeitpunkt wussten selbst ein paar engere Bekannte noch nichts von den Vatervorfreuden.  

Das ist nun freilich ein Extremfall. Aber sicher auch einer von vielen. Ich selbst verspüre beispielsweise schnell den Drang, etwas Intimes preiszugeben, wenn mein Gegenüber das zuerst getan hat. Weil ich dann das Gefühl bekomme, etwas schuldig zu bleiben, wenn ich es nicht tue. Den anderen in der Luft verhungern zu lassen. Dazu natürlich der Klassiker des Um-Kopf-und-Kragen-Redens: Bierselige Vertrautheit gepaart mit milder Euphorie und lahmem Hirn. Und dann Sätze wie: „Was ich dir schon immer mal sagen wollte ...“ oder „Ich muss das jetzt endlich mal irgendwem erzählen ...“.  

Wie sind deine Erfahrungen mit ungewollter Offenheit? Wann neigst du dazu, mehr zu erzählen als du solltest? Und in welchen Situationen haben dir Menschen schon Dinge berichtet, die sie (oder ihr beide) später gerne wieder zurückgenommen hätten? Erzähl doch mal!

Text: elias-steffensen - Jo.Sephine/photocase

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