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Mädchen, sammelt ihr Nackt-Selfies?

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Die Jungsfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Diese Woche passierte zum zweiten Mal innerhalb eines Monats etwas sehr Abscheuliches: Hacker veröffentlichten wieder Nacktfotos von Berühmtheiten, vor allem von weiblichen Hollywood-Stars wie Jennifer Lawrence und Scarlett Johansson. Die Hacker hatten sich illegal Zugang zu den Privatfotos verschafft, jetzt geistern sie durchs Internet und alle Welt ist sehr aufgeregt deshalb.  

Wir Jungs waren natürlich auch aufgeregt. Aus den offensichtlichen Gründen, aber auch, weil das eine Frage aufgeworfen hat: die nach eurem Umgang mit Nacktbildern. Denn es hat uns ein bisschen erstaunt, wie viel explizite Nacktheit sich offenbar in den iCloud-Speichern von euch Mädchen versammelt. Allein von Jennifer Lawrence seien, so liest man, während der ersten Welle etwa 60 Fotos gestohlen und veröffentlicht worden. Schon klar, die meisten von euch sind nicht Jennifer Lawrence, und deshalb ist es vielleicht Quatsch, da Parallelen zu vermuten. Aber Jennifer Lawrence ist halt auch nur ein Mädchen, und auch die lange Liste der bestohlenen Damen deutet darauf hin, dass sie kein Einzelfall is. Drum dachten wir, wir fragen einfach mal.

Also: Habt ihr ebenfalls eine Nacktgalerie auf euren Handys? Fotografiert ihr euch in sexy Posen? Und wenn ja, warum denn genau? Sind solche Fotos ausschließlich Zuckerl für den Geliebten, wie zum Beispiel Schauspielerin Meagan Good sagt? Oder macht es euch manchmal Spaß, euch in verruchte Männermagazin-Posen zu begeben wie all die Johanssons und Albas? Oder sind die Hollywood-Frauen einfach doch ganz anders drauf als ihr? Mädchen, wie ist es denn mit den Nackt-Selfies?

Auf der nächsten Seite liest du die Antwort von merle-kolber


Die Mädchenantwort von Merle Kolber:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Wann immer über die Promimädchen-Nacktfotos geschrieben wurde (angeguckt hat sie sich ja natürlich nieeemand), standen zwei Silben, ganz automatisch, dabei: Pri-vat! Das bedeutet die geleakten Bilder sind Dinge, für deren Entstehung und Inhalte sich niemand rechtfertigen muss. Weil einfach nie vorgesehen war, dass sie irgendjemand anders außer dem Verfasser und dem eingeweihtem Empfänger sieht.

Eigentlich müsste ich damit meine Antwort auch schon beenden: Warum man Nacktbilder von sich macht, sei es oben ohne, in der Badewanne oder masturbierend auf einem Sofa, ist Privatsache. Dafür sollte sich niemand erklären müssen, genauso wenig, wie man öffentlich rechtfertigen muss, ob man schwul ist, einen SM-Fetisch hat oder in einer offenen Beziehung lebt.

Nun nervt mich an dieser Debatte allerdings eine Sache ganz extrem, weshalb ich hier jetzt doch ein paar Begründungen geben möchte: Es wird die ganze Zeit so getan, als hättet ihr, die unschuldige männliche Schafherde, überhaupt nichts damit zu tun. Als wären diese prominenten Frauen böse Wölfe, die, um euch zu verführen, ihre Brüste in eine Handykamera gehalten haben und dann auch noch so dumm waren, das in der Cloud zu speichern. Das ist einfach nicht wahr.

Die meisten Nacktbilder entstehen meines Wissens innerhalb von Beziehungen. Und an diesen sind sehr häufig Männer und Frauen beteiligt (in homosexuellen Beziehungen werden, soweit ich da Einblick habe, übrigens auch oft Nacktfotos verschickt). Solche privaten Bilder sollen meistens ein Zeichen von Nähe sein. Entweder, weil man sich länger nicht sieht und den anderen daran erinnern will, wie schön es in so einem intimen Moment wäre, zu zweit zu sein. Oder weil man den anderen heiß machen will, was ja auch in routinierten Beziehungen oft ein Thema ist. Denn so ein Nacktbild sagt zum einen: Schau her, darauf kannst du dich freuen. Es sagt aber auch: Ich vertraue dir und weiß, dass du damit umgehen kannst. Dass du meine Bilder nicht auf 4chan hochlädst, sondern dich privat darüber freust.

Einen viel geringeren Anteil machen dann noch die Nacktselfies aus, die ausschließlich für uns selbst bestimmt sind. Solche Fälle sind mir sehr viel seltener bekannt, aber ich vermute, dabei geht es hauptsächlich um eine objektive Betrachtung des eigenen Körpers: So wie Jungs nach dem Pumpen gerne ihren Oberkörper fotografieren und vergleichen, ob sich etwas verbessert hat (und das oft auch auf sozialen Netzwerken hochladen), wollen auch wir manchmal wissen, wie wir von außen betrachtet aussehen. Da es allerdings nicht so einfach ist, die Mutter mal eben zu bitten, einen nackt zu fotografieren, machen wir das selbst. Gucken kurz drauf, denken "wah" oder "geil!". Und dann löschen wir das Bild meistens - was sollen wir noch damit? Außer uns in dreißig Jahren unseren körperlichen Verfall vor Augen führen.

Diese Bilder waren es wohl also kaum, die aus den Clouds von Prominenten gehackt wurden. Stattdessen waren es Selfies, die mal als verkappter Liebesbeweis entstanden sind. Die vielleicht sogar zeigen, was sie zeigen, weil jemand darum gebeten hat, so ein Foto zu bekommen (ungefragt schicken wir nämlich eigentlich nie unsere Geschlechtsteile jemandem zu, das ist eher von Männern bekannt).

Erst dadurch, dass ihr euch über sie auf #TheFappening lustig macht, werden sie zum Pornobildchen.



Text: christian-helten - Cover: photocase.com / ryu tako

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