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Meine Straße: Weißenburger Straße

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Niemand kennt eine Straße so gut wie die Menschen, die in ihr leben. Deshalb bitten wir regelmäßig junge Münchner, uns ihre Straße zu zeigen. Heute:
   

Hans, 21, Musiker

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Gleich bei uns im Hinterhof ist die Bäckerei Arzmiller. Ich wohne hier schon, seit ich ein Kind bin, und die gab es schon immer. Früher bekam ich, wenn ich zur Schule ging, von der Bäckerin Croissants. Das passiert heute leider nicht mehr. Bei uns in der Einfahrt steht jeden Freitag die Eierfrau mit ihrem Eierwagen. Dann sammelt sich hier eine lange Schlange: alte, tratschende Menschen, die sowohl türkisch, als auch bayerisch reden.
 
Direkt neben unserem Haus ist der Friseursalon City Hair. Die hübschen Friseurinnen stehen immer bei uns im Hinterhof und rauchen. Eigentlich ist City Hair nur meine zweite Wahl. Die Friseurinnen sind stark geschminkt und die Friseure sind Styler mit Ketten und viel Gel in den Haaren. Dementsprechend schaust du nach einem Besuch dort wie ein Fußballspieler aus. Aber irgendwie stehen mir Prollfrisuren. Wenn man kein Gel reintut, finde ich die ziemlich gut.
 
Gegenüber war früher mal die Weißenburger Alm. Seit die schließen musste, waren da mehrere Läden drin, aber gefühlt waren sie nach einem Monat wieder weg. Das TuDoRa ist das erste Restaurant seit langem, das sich halten kann. Das liegt bestimmt auch an der netten Besitzerin.
 
Wenige Meter von unserer Wohnung entfernt ist der Weißenburger Platz. Ich finde, das ist der schönste Platz in München. Bei gutem Wetter sitzen wir hier und trinken Bier oder Spezi. Wenn um halb eins das Licht ausgeht, muss man sich entscheiden, ob man weiterzieht oder nach Hause geht. Ich gehe dann oft nach Hause – ich hab’s ja nicht weit. Stressig ist hier nur der Weihnachtsmarkt im Dezember. Dann läuft hier „Jingle Bells“ in Dauerschleife. Saunervig, wenn ich mein Fenster offen habe. Der Alnatura ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Straße und das Viertel verändert haben. Früher waren da Netto und Plus. Jetzt steht da ein teurer Bio-Supermarkt.
 
Es gibt direkt nebeneinander zwei Läden, die obskure Sachen verkaufen. Der eine heißt Leander’s Western Article Centre, der andere Pokale. Eigentlich gehören sie zusammen: Es gibt zwar zwei Ladenschilder, aber nur eine Tür. Bei Pokale gibt es Glocken, Türschilder, Gravuren, Spieluhren, Urkunden und anderes Zeug, das man nicht braucht. Und natürlich Sportpokale. In Leander’s Western Article Centre gibt es allerlei Wild-West-Zeug, zum Beispiel eine Indianerstatue für 50 Euro.
 
Von den vielen Bäckereien hier hat die Brotmanufaktur Schmidt das beste Brot. An der sieht man übrigens wieder mal schön, wie sich Haidhausen in letzter Zeit so verändert hat: Früher hieß der Betrieb einfach „Bäcker Schmidt“. Jetzt ist die Bäckerei schick geworden und heißt „Brotmanufaktur“. Aber das Brot ist halt immer noch der Shit.
 
Am Pariser Platz sind öfter Kundgebungen von nervigen Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretikern. Michael Stürzenberger, der Landesvorsitzende der Partei „Die Freiheit“ stand hier öfter. Bei seiner Kundgebung waren richtig viele Leute da. Ein paar von ihnen hatten Gitarren dabei. Auf dem Marienplatz hab ich den Stürzenberger auch schon mal gesehen. Dort waren die Gegendemonstranten lauter 13-jährige Punker, die ihn beschimpft haben. Hier dagegen haben die Leute einen Kreis gebildet und alte Hippie-Lieder gesungen. Er hat zwar weiter geredet, aber niemand hat ihm zugehört. So machen das die Haidhausener.



Text: alexander-gutsfeld - Foto: Juri Gottschall

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