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Von grausamen Pennern und freundlichen Menschen. 1/16 - "Fliegen."

Text: DerBoss
"Von grausamen Pennern und freundlichen Menschen" ist die moderne Odyssee eines erfolglosen Schriftstellers nach einem Job.

 



Vorwort des Genies:



Dies ist der erste Teil meiner Story "Von grausamen Pennern und freundlichen Menschen." Sie umfasst 16 ganze Parts. Jeden zweiten Tag gibt es einen Neuen. Mal werden sie euch gefallen, mal nicht. Manchen von euch gefällt vielleicht überhaupt nichts, andere werden jedes Wort lieben. Wenn du zur letzteren Gattung gehörst, gut aussiehst, kochen kannst, in der Lage bist, emotional und finanziell einen Schriftsteller auszuhalten, findest du auf meinem Blog (www.karmagedd0n.wordpress.com) ein Kontaktformular. Ausserdem bräuchte ich noch eine neue Teekanne. 



Ich wünsche allen (hoffentlich) heißen Leserinnen und (hoffentlich) coolen Lesern beste Unterhaltung.



in Liebe,



DerBoss



PS: Für Lektoren habe ich weder Geld, noch Zeit. Und ja, das ist eine Rechtfertigung für grammatikalische Behinderungen.






Teil 1 von 16 - "Fliegen."






Wir Schriftsteller, wir waren arm dran. Merken tat ich das Ganze schon sehr früh. Jeden morgen, um genau zu sein. Viele Leute wachten zwar zur gleichen Zeit auf wie ich, nur waren die Beweggründe dafür andere als bei mir. Den anderen schien die leuchtende, frohlockende Sonne ins Gesicht. Sie streckten die Gliedmaßen in alle Himmelsrichtungen aus, sangen Lieder von Cro beim Kaffee kochen und liefen den restlichen Tag mit einem nach oben geöffneten Halbkreis im Gesicht herum. Manche wohnten sogar noch bei Mama und bekamen frisch belegte, knackige Brötchen mit auf den Weg. Und wie wurde ich, der talentierte Schriftsteller, wach? Durch Fliegen. Sie verirrten sich in die Weinflasche von letzter Nacht und fanden anschließend den Ausgang nicht mehr. Der verzweifelte Überlebenswille der armen Viecher und das damit verbundene Geräusch beim Aufprall mit dem undurchdringlichen Flaschenrand, war mein allmorgendlicher Wecker. 



Der gute Mensch in mir hatte anfangs Mitleid mit den haarigen Brummern. Sie mussten zweifellos die ärmsten Geschöpfe in den ganzen United States of Fliegerica sein, denn der Ort, an dem sie qualvoll verendeten, war nicht gerade eine reichlich verzierte, einladende Grabstätte. Es war mein billiger, ekelhafter Wein. Einer von den Sorten, die ich mir gerade noch leisten konnte. In reicheren Gegenden dieser Stadt, vermute ich, wurde dieser als Alternative für Rattengift und Pfefferspray verwendet. Aber mir diente er als Supertrank für nobelpreisträchtige Shortstories. 



Dieses ganze Fliegending und Flaschendrama war im übertragenen Sinne auch die Geschichte meines eigenen Lebens. Ich war nur mit einem viel gnädigerem Schriftsteller gesegnet, als ich selbst einer war. Er befreite mich aus jeder Flasche in die ich flog, nur um mir dabei zuzusehen, wie ich voller neugeschöpfter Hoffnung wieder in der Nächsten landete. 



Bei meinen eigenen Fliegen setzte ich dagegen auf Korken statt auf zweite Chancen. Korken drauf, abwarten und der zarten Symphonie des Todes lauschen. Sekunden später, bei sturen Exemplaren konnten es Minuten werden, wurde der Aufprall am Flaschenrand schwächer und der Abstand zwischen ihnen immer länger. Zu dem Zeitpunkt war ich dann meist ganz wach und hatte endlich Seelenfrieden. Ausser ich stellte fest, dass in der Flasche noch eine beachtliche Menge Restwein übrig geblieben war, dann konnte ich auch schon mal zum Fliegenhitler mutieren. Ich wurde gänzlich zum kranken Bastard und von der Idee verfolgt, mein Lebenswerk der Vernichtung von Fliegen und Babyfliegen zu widmen. Sabbernd und in steifer Uniform, statt mit Schreibmaschine und schöner Frau.



Klar, meine Beziehung zu Fliegen hätte auch besser sein können. Nur warum zur Hölle, warum zum vergewaltigten Frosch, verließ ihr Orientierungssinn sie genau an dem Ort, an dem ich neue, kreative Ressourcen tanken musste? War ich etwa selbst schuld daran, den klassischen Gute-Nacht-Tee neben meinem Bett durch diesen muffigen Bottich zu ersetzen? Nein. Erstens hatten sich die Fliegen bei vollem Bewusstsein mich als Feind ausgesucht und zweitens war das hier überhaupt kein Bett. Nur ich besaß die Eier das Ding so zu nennen. Die anderen tauften es heroisch "spermaüberzogener, schlechtgepolsterter Bodenlappen." Kurz Spesch-Bod.



In meinem Spesch-Bod hatte ich zu allem Überfluss nicht nur einen Krieg gegen hartnäckige und feindselige Fliegen zu führen. Ich führte einen Zwei-Fronten-Krieg mit dem viel tödlicherem und besser getarnten Staub auf der anderen Seite. Ich war ehrlich gesagt dazu verdammt irgendwann als Staubleiche zu verenden. Und die Fliegen, die um mich kreisten wie hungrige Geier vor einer blutrünstigen Schlacht, warteten nur auf diesen glorreichen Tag der Befreiung.



Mit diesem armseligen Schicksalslos gab ich mich nicht zufrieden. Mit aller Härte bestand ich auf einen ehrenhaften Tod. Vor einem laufenden Fernseher zum Beispiel, den ich mir nicht leisten konnte. Mit einer Fernbedienung in der starren Hand. Die letzten Überreste von mir wahrnehmbar als Eau de Tod im ganzen Treppenhaus. Und dann der große Erfolg. Zeit meines Lebens war er mir verwehrt worden. Aber nach dem sie meine Manuskripte aus dem dazugehörigen, von Larven übersätem Arsch bergen würden, wäre ich endlich meiner Bestimmung nachgekommen. Der leuchtende, auf euch spuckende Stern am Literaturhimmel. 



Es ging also darum, meinem möglichen Abgang etwas mehr Würde zu verleihen. Und das ging in diesem Land nur mit einem Job. Viele Jahre später folgte ich also doch dem Rat meiner Väter, Lehrer, Freundinnen und Affären, Richter, Lebensratgeber und der sprechenden Monsterfliegen in meinem Traum. Such dir ne Arbeit, Arschloch.



Eines Tages würden die hartverdienten Mäuse dann reichen. Sogar für frische Brötchen.



Mit den Fliegen allerdings, konnte ich leben. Manchmal waren sie die intellektuellste Form von Gesellschaft, die ich hatte und im Notfall leichter loszuwerden als nervige Frauen, Gerichtsvollzieher oder falsche Freunde.



 



 



 



Part 2 - "Resozialisierung" folgt am Dienstag, dem 16. September. Ausser mir kommt etwas sehr wichtiges dazwischen, so etwas wie Ausschlafen, Ausnüchtern, Knast oder Megan Fox.




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