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Nahrungskette

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Wenn vor zehn Jahren in München jemand fragte „Sollen wir Burger essen gehen?“, folgte darauf entweder ein überraschter Blick oder ein Besuch bei McDonald’s oder Burger King. Heute schließt sich an die Frage eine Diskussion an, in welchem der vielen Burgerlokale man denn nun speisen soll: in der Schnellen Liebe? Im neuen Holy Burger neben dem Café Kosmos? Oder doch in einer der Hans-im-Glück-Filialen, deren Birkenwäldchenambiente an jeder Ecke sprießt?

Der Burger-Trend kam nach München wie ein Raubtier, das sich langsam anschleicht und dann plötzlich überfallartig auf seine Beute wirft. 2006 eröffneten MC Müller und der Cosmogrill, 2007 die Schnelle Liebe. Es dauerte drei Jahre, bis weitere Burgerbratereien hinzukamen. Und dann, 2012 und vor allem 2013: Burgerexplosion! Die SZ schrieb: „München wird zur Burgerhauptstadt.“

Die vergangenen Jahre sahen einige solcher Essenstrends in die Münchner Innenstadt kommen, zuletzt den Burrito. Meistens erreichten sie zuerst Gegenden wie die Ausgeh-Ecken rund um Sendlinger Tor und Gärtnerplatz. Und die Innenstadt, wo viel Laufkundschaft schnelle Erfrischung und Stärkung sucht. Da sieht man dann zuerst ein solches Trendgeschäft, und irgendwann kann man keine fünf Minuten mehr radeln, ohne einer Kopie oder einer weiteren Filiale zu begegnen. 

Die Trends gleichen Wellen. Manche rollen langsam heran und wachsen gemächlich, andere türmen sich abrupt auf, brechen wie ein Tsunami über die Stadt herein und verlieren ebenso schnell ihre Kraft. Man sieht das auch gut, wenn man die jeweiligen Google-Suchanfragen vergleicht. Bis 2011 tippte zum Beispiel kaum jemand die Begriffe „Bubble Tea“ und „München“ in seine Suchmaske und auch nach dem Sommer 2012 interessierte sich kaum jemand mehr dafür. Die Kombination „Burrito München“ wurde erst häufig gegoogelt, nachdem die ersten Läden eröffnet hatten, und auch die Suchanfragen nach Currywurst in München erreichten ihr Maximum kurz nach der Eröffnungswelle von Wurstlokalen 2009. Ebenfalls deutlich erkennbar: die Sommer-Spitzen in der Frozen-Yogurt-Kurve.

Es scheint, als kämen die Trends immer schneller und in immer kürzerer Abfolge. Am Anfang war die Currywurst. Sie breitete sich noch gemächlich in München aus – ohne Eile, wie eine alte Dame, die durch einen Park streift, sich besonnen umsieht und dann auf einer Parkbank niederlässt. 2003 eröffnete der Bergwolf an der Fraunhoferstraße, dann dauerte es, bis weitere Läden hinzukamen: das Curry 73 in der Balanstraße, die Gute Nacht Wurst, nur wenige Häuser vom Bergwolf entfernt, und das Curry in der Fraunhoferstraße, das mittlerweile schon wieder dicht gemacht hat.

Beim Frozen Yogurt dagegen ging es wesentlich schneller: Ihm gehörten die Sommer 2010 bis 2013, vor allem die „I love Leo“-Filialen vermehrten sich in diesem Zeitraum rapide.

Und dann war da noch der Bubble Tea. Seine Geschichte ist fast ein bisschen traurig, selbst wenn man ihn überhaupt nicht mag. Denn bis zum August 2012 sah es so aus, als ließe sich aus den bunten Kügelchen Gold machen. Es eröffnete Laden um Laden, die Zeitungen schrieben, dass der Trend die Innenstädte „überschwemme“. Dann aber veröffentlichten Wissenschaftler aus Aachen eine Studie: Man habe in den Kügelchen Giftstoffe gefunden. Die Medien berichteten, die Bubble-Tea-Bars blieben leer. Auch wenn die Ergebnisse der Studie im Nachhinein relativiert wurden, der Schaden war angerichtet: Neueröffnungen gab es in München seit 2012 keine mehr, im Gegenteil, viele Läden mussten schließen. Ihre alten Webseiten existieren nicht mehr, ihre Facebook-Seiten sind verwaist und wenn man eine alte Nummer anruft, die man im Netz noch gefunden hat, sagt am anderen Ende der Leitung ein kurz angebundener Asiate: „Nix mehr Bubble Tea. Alles kaputt wegen Fernsehen.“

Am Rindermarkt gab es eine Weile einen Bubble-Tea-Laden, er hieß Meito und war einer der ersten in München. Auch er musste schließen. Jetzt findet man dort: Ruff’s Burger.

Text: christian-helten - und Alexander Gutsfeld; Illustration: Daniela Rudolf

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