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Jungs, wer sind eure Vorbilder für die Kindererziehung?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wer heute zwischen zwanzig oder dreißig ist, ist oft mit Eltern aufgewachsen, die klassische Rollenbilder erfüllen: die Mutter als Kümmerin und Erzieherin und Ansprechpartnerin, der Vater als Versorger im Sinne von Geldverdiener und hin und wieder als Bespaßer. Ich kenne das von Zuhause auch. Wenn mein Vater Zeit mit uns verbrachte, hat er tolle Sachen mit uns gemacht, so romantisches Budenbauen-Ausflügemachen-Zeug. Aber er war eben auch oft nicht da, weil er immer Vollzeit gearbeitet hat. Er konnte sehr streng sein, aber er hatte selten die Gelegenheit dazu, weil die Haupterziehungsarbeit meine Mutter geleistet hat, die aus dem Job ausgestiegen ist und von morgens bis abends für uns da war. Wenn wir etwas anstellten, hat sie das mit uns geklärt und dafür gesorgt, dass unser Vater es nicht mitbekam. „Der regt sich sonst nur auf“, war die Ansage. Wenn wir Sorgen hatten, war auch eher sie die Ansprechpartnerin. Es gab da so eine Familienoberhaupt-und-Rest-der-Familie-Verteilung.  

Klar, es gibt auch in unserer Elterngeneration Paare (und Alleinerziehende!), bei denen das alles ganz anders abgelaufen ist. Aber ich weiß von Freunden und Freundinnen, dass ich längst nicht die einzige bin, in deren Familie es diese Rollenverteilung gab. In Sachen Vorbilder fürs Selbst-mal-Mutter-sein ist das für uns Mädchen jetzt nicht allzu problematisch. Wir orientieren uns gerne an unseren Müttern. Sie waren ja immer da, wir haben viel von ihnen mitbekommen. Wir können mit ihnen über Erziehungsfragen sprechen, denn wir wissen ja, dass sie sich jahrelang damit beschäftigt haben und darum gut damit auskennen. Wir heißen nicht alles gut, was sie gemacht haben, aber sie haben so viel gemacht, dass man sich da einfach das Gute rauspicken und das Schlechte hoffentlich vermeiden kann. 

Aber, fragen wir uns, wie geht es euch eigentlich, wenn ihr in traditionellen Familien groß geworden seid? Mit Vätern, die wenig da waren? Die nie erfahren durften, dass ihr bekifft wart, als ihr den Unfall mit dem Roller hattet, damit sie sich nicht aufregen? Die also mit der Erziehung, vor allem mit den anstrengenden, schlechten Seiten davon, wenig Berührung hatten, weil die Mütter das voll und ganz übernommen haben? Wen nehmt ihr euch dann zum Vorbild für die Vaterrolle? Guckt ihr euch draußen um? Wollt ihr sein wir eure Mütter? Habt ihr manchmal Angst, dass ihr reproduzieren könntet, was euch vorgelebt wurde, und mal total traditionelle Familienoberhäupter werdet? Oder findet ihr das sogar gut? Jungs, sagt mal fix, wer sind eure Vorbilder für die Kindererziehung?

Auf der nächsten Seite liest Du die Jungsantwort von christian-helten:



Die Jungsantwort von christian-helten:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Eine Vaterfrage, puh, das ist immer schwierig. Denn mit uns und unseren Vätern war es das ja auch immer: schwierig. Nicht in dem Sinne, dass es immer Ärger gab oder wir uns ständig mit ihnen gestritten hätten. Das ist es ja gerade: Unsere Väter und wir Söhne, wir hatten immer Probleme damit, miteinander zu reden.  
Die Generation der Versorgerväter, von der du in der Frage sprichst, kam abends aus dem Büro und hat mit uns kurz ein paar Bälle gegen das Garagentor gekickt, bevor wir ins Bett mussten. Am Wochenende brachten die Versorgerväter uns das Fahrradfahren bei, fuhren uns zu Fußballspielen und erklärten uns dabei, wie man Jürgen Klinsmann wird. Sie waren auch da, wenn der Familienhund begraben werden musste oder wir Rat beim Kauf eines Rollers brauchten. Überhaupt, Ratschläge, das war ihr Ding, vor allem später, wenn wir ausgezogen waren. Sie hatten uns viel zu sagen über Versicherungen, Karriere, Rente. Aber so richtiges Reden, so ein richtig tiefes Gespräch, das gab es nicht. Oder erst sehr, sehr spät.  

Dieses Verhältnis zu unseren Vätern muss man im Hinterkopf haben, wenn man sich auf die Suche nach Vorbildern für unser eigenes zukünftiges Vatersein begibt.  

Denn einerseits checken wir irgendwann, dass all das Gerede über Versicherungen und Finanzen, das uns immer so genervt hat, natürlich nur Ausdruck echter Fürsorge ist. Unsere Väter wollen, dass es uns gut geht. In ihrer Generation bedeutete das zu allererst finanzielle Sicherheit. Das war ihr Part, alles andere war Sahnehäubchen. Als kleiner Junge hält man finanzielle Sicherheit für selbstverständlich. Manche von uns begreifen sogar erst gegen Ende des Studiums, dass es ein Knochenjob ist, eine Familie zu ernähren und dass unsere Väter deshalb ihr Leben in einem Büroturm oder in einer Fabrik verbrachten. Aber wenn wir das begriffen haben und darüber nachdenken, was für ein Vater wir mal sein wollen, dann macht das schon noch einen ziemlichen Eindruck auf uns. Dann wollen wir das auch: unseren Kindern Sicherheit geben. Dann machen wir unseren Versorgervätern keine Vorwürfe wegen ihrer vielen Fehltage. Dann sind sie drin in unser Vorbild-Schublade. Einerseits.  

Andererseits ist der Vater ein Wesen, das in den vergangenen Jahren ein ganz anderes geworden ist. Zumindest liest und hört man das sehr oft von solchen Vätern und manchmal auch von Unternehmensberatungen, die nichts anderes tun, als großen Firmen zu erklären, wie sie es ihren männlichen Mitarbeitern leichter machen, ein guter Vater und ein Karrieremann zu sein. Und wir sehen sie ja auch, diese jungen Väter, die nicht mehr so sehr Versorger-Väter sind, sondern Umsorge-Väter. Sie laufen durch unser Viertel. Sie sind unsere älteren Cousins, sie sind unsere Uni-Dozenten und älteren Kollegen. Dieses Vaterleben gefällt uns erst mal ganz gut und wir stellen es uns erfüllend vor und erstrebenswert und finden uns dabei ganz schön aufgeschlossen und modern. Das Ding ist nur: Wir haben eigentlich keine Ahnung, ob dieser Vatertyp als Vorbild taugt. Weil wir von ihm nur das mitbekommen, was gut aussieht und sich gut anhört. Wir wissen gar nicht genau, ob das nicht nur eine Phase ist, in der diese Väter sich mal aufgeschlossen und modern finden wollen. Und ob sie nicht später auch den ersten Liebeskummer ihres Teenagersohnes verpassen. Kurz: Wir trauen dem neuen Vater nicht über den Weg.  

Deshalb haben wir – wie du ja vermutet hast – auch ein bisschen Angst, dass am Ende der Versorgervater doch den meisten Platz in unserer Vorbilder-Schublade einnehmen wird. Und deshalb glaube ich, dass unsere größte Inspiration für die eigene zukünftige Vaterrolle letzten Endes jemand anders sein wird: unsere Kumpels, unsere besten Freunde. Die ticken wie wir, die kennen wir gut genug, um in Gesprächen mit ihnen unsere Rollen ehrlich zu hinterfragen. Bei denen können wir miterleben, wie es wirklich ist, Vater zu sein. Die sind gute Vorbilder. Allerdings hat diese Theorie natürlich einen kleinen Haken: Man darf dann nicht der erste ist im engsten Freundeskreis sein, der Papa wird.

Text: valerie-dewitt - Bild: eurythos / photocase.com

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