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Wollt ihr das wirklich alles sehen?

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Vor zwei Monaten war ich für drei Tage in Paris. Viel zu wenig für so viel Kultur. Es gibt ja schließlich ein riesiges Angebot an Museen: das Louvre, das Centre Pompidou, das Musée d’Orsay, das Musée Rodin. Und dann noch die ganzen Kirchen und Schlösser. Ein straffes Programm. Aber Ausreden zählen nicht, wenn man sich in der Kunst-Hauptstadt befindet und die einmalige Chance hat, Gemälde von Weltrang zu sehen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Meterlange Schlange vor dem Louvre: Wollen die da wirklich alle rein?

Also stellt man sich den Wecker auf 8 Uhr morgens – auch wenn eigentlich Urlaub ist und man im normalen Leben alles andere als ein Frühaufsteher ist. In der überfüllten U-Bahn verschlingt man schnell noch ein Sandwich und stellt sich danach geduldig in die meterlange Schlange, die sich trotz der frühen Uhrzeit schon vor dem Museum gebildet hat. Im Museum geht der Stress aber erst richtig los. Denn die Stimmung dort hat eher was von Winterschlussverkauf am Samstagmorgen. Hunderte von Touristen stürzen sich zielstrebig auf die bekanntesten Kunstwerke. Getrieben von der Angst, etwas zu verpassen, laufen sie an den nicht so prominenten Bildern vorbei, Richtung Top-Tipp von Marco Polo. In der linken Hand der Touristenführer, in der rechten das Handy. Vor dem Gemälde drängt sich dann eine Menschentraube und versucht den Augenblick als Selfie zu verewigen.  

Ich stelle mir in solchen Momenten immer die Frage, wer denn diese Leute sind, die sich so dermaßen für die Kunst der europäischen Rennaissance interessieren. Dem Sprachmischmasch nach zu urteilen wohl vor allem Touristen. Das sagt auch Birgit Mandel, Professorin für Kulturvermittlung und Kulturmanagement. Ihrer Studie zufolge besuchen 80 Prozent aller Touristen eine kulturelle Veranstaltung. Das Erschreckende: nur fünf Prozent von ihnen sind auch im normalen Leben kulturinteressiert. 

Doch ist das wirklich so verwunderlich? Denn auch ich bin als Tourist ein anderer Mensch als im Alltag. Zwar interessiere ich mich auch zu Hause für Kunst und Geschichte. Museen und Schlösser klappere ich jedoch fast nur im Ausland ab. Das Schloss Neuschwanstein habe ich seit Jahren nicht mehr von innen gesehen, obwohl ich in München und somit ganz in der Nähe wohne.  

Woran liegt das? Fühlt man sich im Ausland verpflichtet, Dinge zu besichtigen, weil einem der Reiseführer sagt, dass man sie zu besichtigen hat? Oder ist das zu negativ gedacht? Wacht man auf Städtetouren vielleicht eher aus dem Alltagstrott auf und merkt in der neuen Umgebung erst, wie sehr einen Kunst und Kultur ansprechen? Wie ist das bei dir? Macht dir der Museumsbesuch in der fremden Stadt Spaß oder fühlst du dich dazu gezwungen?

Text: alexander-gutsfeld - Foto: afp

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