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Liebster, du bist die Frau meines Lebens

Text: matesino

Als meine Frau mich gestern zum Liebesspiel verführte, erkannte ich schlagartig, wie die Rollen in unserer Ehe verteilt waren. Sie war der Mann und ich die Frau.



Seitdem bin ich der Sache auf die Spur gegangen und tatsächlich. Die Anzeichen mehren sich, dass unsere Beziehung anders als gewöhnlich verläuft.



Sie stört es zum Beispiel überhaupt nicht, wenn nach dem Essen das schmutzige Geschirr auf dem Tisch stehen bleibt, während ich mich erst dann entspannen kann, wenn ich den monoton dahin brummenden Motor der Spülmaschine höre.



Während ich aus Takt ihr gegenüber zum Pupsen in den Keller gehe und das Licht ausmache, damit mich auch ja keiner sieht, falls mir mal einer entfährt, tut sie es ganz ungeniert auf der Couch. Vor mir und dem Baby. „Was raus muss, muss raus“, sagt sie dann und trinkt genüsslich ihr Tegernseer. Ich frage euch, Freunde, verhält sich so eine fürsorgliche Frau?



Während ich schnell pipi mache, ohne ihr zu sagen, dass ich pipi mache, verkündet sie großmundig, dass sie jetzt für große Königstigerinnen geht. Dann verbringt sie Stunden mit irgendeinem Boulevardblatt auf dem Töpfchen. Und verbraucht im Anschluss das ganze Papier. Langsam glaube ich, sie ist mit der Klobrille verheiratet.



„Denk doch mal wenigstens ein einziges Mal an eine neue Rolle, wenn du die alte verbrauchst!“, schimpfe ich sie.
„Mach ich, Süße!“, entgegnet sie mir nonchalant, macht es aber nie.



Sie verspricht, verspricht und verspricht, hält sich aber nie an keine einzige Abmachung. Mit dem Verhalten hätte sie gute Chancen als Politikerin. Ich mit der doppelten Verneinung übrigens auch.



Früher war sie einfach aufmerksamer. Sie hat mir Fragen gestellt, sich für meine Gefühle interessiert, mir vorgelesen und Gedichte geschrieben. Doch der Zauber vergangener Tage scheint wie erloschen. Die einzigen Reime, die ich heute von ihr bekomme, sind: „Jetzt auf, zack, zack, putz die Wohnung, du Sack“. In Tanga.



Das Schlimmste ist, dass sie mich nur noch als Lustobjekt betrachtet. Manchmal fühle ich mich regelrecht benutzt. Was ich jetzt aber, unter uns gesagt, gar nicht mal so verkehrt finde. Manchmal ist es schön, benutzt zu werden.



Die Emanzipation fordert halt ihre Opfer. Auf beiden Seiten. Während meine schon lange auf dem Altar der Gleichberechtigung geschlachtet und verbrannt wurden, könnte sie wenigsten einmal in der Woche einkaufen, den Müll raus bringen oder neues Bier aus dem Keller holen.



Aber nein, alles muss ich selbst machen – waschen, putzen, bügeln, rasieren. Ständig muss ich ihr hinterher räumen, Ihre Schminksachen, ihre Schuhe, ihre H&M-Kataloge.
Langsam fühle ich mich wie eine polnische Putzfrau.
„Wenn, dann fühlst du dich wie eine kroatische Putzfrau!“, korrigiert mich meine Frau. Haha, sehr witzig.



Ihre Ignoranz und Klugscheißerei wäre noch zu ertragen, wenn wir zumindest ab und an kuscheln würden. Schon lange sehne ich mich wieder nach ein wenig mehr Romantik. Nach Nähe und Geborgenheit.



Ich will einfach mal wieder mit ihr reden. Ich will, dass sie mir zuhört, mir tief in meine adriagrünblauen Augen schaut, meine haarige Balkanseele erblickt und mich versteht.



Für meine Frau jedoch scheinen all diese Wünsche nur böhmische Dörfer zu sein. Ich glaube, sie ist so ignorant gegenüber dem, was ich will, dass sie nicht mal weiß, wo Böhmen überhaupt liegt.



Das Einzige, was sie will, ist dass ich öfter mal die Klappe halte, nicht so viel jammere und klassischen, pragmatischen Sexualverkehr mit ihr praktiziere.



„Das geht so nicht“, erkläre ich ihr immer wieder, während ich ihr ein kühles Tegernseer aus dem Kühlschrank bringe.
„Du musst mich erst in Stimmung bringen, bevor ich anspringe.“



Und was macht sie? Sie holt die Rassel aus dem Kinderzimmer, schüttelt sie hin und her und ruft: „Stimmunnng!“
Dann lacht sie mich aus und meint, ich soll nicht so eine Muschi sein, die Rolle hätte schon die Mimi, unsere Katze.



Also wirklich. Die einzigen Knöpfe, die diese Frau richtig drückt, sind die auf der Fernbedienung, um auf „Die Bachelorette“ zu schalten. Manchmal frage ich mich schon, warum wir überhaupt zusammen sind.



Immer, wenn ich das tue, kommen sie dann doch, diese magischen Momente zwischen uns, die mich spüren lassen, dass wir nach wie vor zusammen gehören.



Neulich erst. Da kam sie von der Arbeit mit einem hübschen Rosenstrauß und Pralinen. Sie hat mich zu unserem Lieblingsitaliener ausgeführt, unseren Lieblingswein bestellt und nur die Hälfte meiner Pizza aufgegessen. Nachtisch durfte ich auch haben.



Daheim haben wir Kerzen angemacht und im Bett Tee getrunken. Ich habe ihr die Füße und den Rücken massiert, Ihre Hornhaut entfernt, die Zehennägel lackiert. Als Dankeschön durfte ich mit ihr kuscheln. Eine ganze Minute lang.



Und in dieser Minute, als ich mit meinem Kopf so an ihrer weiblichen Brust lehnte und ihrem regelmäßigen Herzschlag lauschte, da fühlte ich mich angekommen und geborgen.



Ich spürte, sie ist es und säuselte ihr sanft ins Ohr:
„Liebste, du bist die Frau meines Lebens“, woraufhin ihr ein wonniger Seufzer entfuhr und sie antwortete:
„Oh, Liebster, und du bist die Frau meines Lebens.“



Dann schloss ich die Augen und sie verführte mich nach allen Regeln der Kunst. Stimmt, die Emanzipation hatte ihre Schattenseiten, aber manchmal ließ sie auch die Sonne rein.



matysplanet.com

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