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Wollen wir wirklich immer zuviel? ...oder was heißt das eigentlich - "Glücklich sein"?

Text: EinfachLara
Jeder will es. Meiner Meinung nach hat es kaum einer. Zumindest was meine Definition davon angeht. "Glücklich sein". Oder eher: glücklich in einer Beziehung sein.



Ich ertappe mich immer wieder dabei wie ich langsam aber sicher anfange an mir selbst zu zweifeln. Kennt ihr das? Diese mehr als dämliche Frage "wieso bist DU denn Single?" - ich kotze bald. Fast jeder, der noch halbwegs alle beisammen hat und vielleicht nicht ganz so aussieht wie Frankensteins nächster Verwandter hat das hundert pro schon mit weit aufgerissenen Augen und ungläubigem Unterton ins Gesicht gebrüllt bekommen. Und ich hoffe, ich stehe nicht ganz allein damit, wenn ich sage, dass das eine in etwa so intelligente Frage ist, wie "wieso liegt hier eigentlich Stroh?". Im Prinzip impliziert sie nämlich genau das hier: sooooooo schlimm bist du doch eigentlich gar nicht, dass dich niemand wollen sollte. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Wieso in aller Welt geht eigentlich jeder davon aus, dass Single sein gleich gestellt ist mit: "will keiner". Haben die sich mal gefragt, ob es vielleicht nicht die mangelnde Nachfrage, sondern eher die Mangelhaftigkeit des Angebots sein könnte, die Mutter dieses Umstandes ist?



Apropos Mutter. Meine sagt mir neuerdings ständig, dass das ewig währende Herzklopfen nicht existiert und Liebe nunmal auch viel mit Vernunft zu tun habe. Also ich weiß ja nicht, aber ich finde das höchst beunruhigend. Nichts gegen Realismus, aber sollte das in diesem einen, für mich einfach immernoch magischen und Disney behafteten Thema, wirklich auch so sein?! Bis vor kurzem habe ich darauf nur milde gelächelt und mir gedacht "so ein Schwachsinn". Aber, ganz ehrlich - scheiße, das lässt mich einfach nicht los. Bin ich am Ende vielleicht doch einfach nur ein Gefühlskrümelmonster und will immer nur MEHR? Ist mir wirklich keiner gut genug? Suche ich nach etwas, das es einfach nicht gibt? Was versteht man denn unter diesem ominösen "glücklich sein"? Ist es eigentlich ein Synonym für "zufrieden sein"? Denn das, das glaub ich ja schon - dass die meisten Paare zufrieden sind in ihrer Beziehung. Es ist vielleicht nicht immer zum Bäume Ausreißen wunderbar, aber im Großen und Ganzen hat man wohl einen Partner gefunden, der die gleichen Ansichten von der Zukunft des Lebens teilt und den man bestenfalls auch noch in irgendeiner Form anziehend und attraktiv findet. Mit dem man eine Zukunft aufbauen kann, weil er sie nunmal sieht wie du. Weil man bereit ist da auch Kompromisse einzugehen. Weil man eben einfach ein gutes Team ist. Bei wie vielen von euch guten Teams da draußen kribbelt es denn noch? Gibt es auch nach Jahren überhaupt noch diese Momente, wo ihr einander anschaut und das Wunder kaum begreifen könnt, dass dieses fabelhafte Wesen hier wirklich bei euch ist? Verlang ich da zu viel? Ich hatte durchaus schon lange Beziehungen. Der Punkt ist nur der: bei beiden war mir das Konzept des sich so richtig, bescheuert, aussichtslos und gefährlichen Verliebens noch nicht bekannt. Ich hab sie kennengelernt - wir waren ein gutes Team. Ich war glücklich. Dachte ich. Jetzt bin ich mir da nicht mehr sicher und verzweifle schier an dieser Gretchen Frage: "War ich damals glücklich und diese Achterbahn Gefühle, die ich danach kennengelernt habe, haben mit Liebe gar nix zu tun, sondern sind Wahnsinn oder.... Oder ist der Wahnsinn die Liebe und das gute Team tut nur so als ob?"



Nehmen wir mal Freund 1. Bestes Beispiel für gutes Team. Zugegebenermaßen - wir waren quasi noch Kinder als er bemerkte, dass ich existiere und ich vor unbändiger Freude über den Umstand, dass mich einer gut findet, mich schier überschlagen habe. Mit 15 ist man logischerweise auch auf einem etwas anderen emotionalen Stand als mit Mitte 20. (etwas.) Dennoch. Wir WAREN ein gutes Team. Fast 7 Jahre lang habe ich seine Rationalität mit meiner bekloppten Emotionalität ausgeglichen. Hab ich Türen geknallt und er sie in aller Ruhe einen Spalt wieder aufgemacht, weil ich ja sowieso gleich wieder reinkomme. Hat er mich Huckepack durch die Nacht getragen und waren wir wirklich - bitte entschuldigt, es ist so klischeehaft - beste Freunde. Er hat mir gezeigt, dass man das Leben nicht immer so ernst nehmen muss und dass man entspannt meistens besser an seine Ziele kommt. Leider war er in allem recht entspannt, auch was das Zeitmanagement angeht. So fand das gute Team irgendwann sein Ende als ich nach 3h Warten einen Tobsuchtsanfall im Bad bekam und gleichzeitig mit der Beziehung mein Spiegel, meine Zahnbürste und der Duschvorhang gestorben sind.



Die Sache ist die: auch wenn das toll war und ich diese Zeit niemals missen möchte, so fürchte ich fast, dass mir das heute schlicht nicht mehr reicht. Denn wenn eins bei Freund 1 nicht war - und das weiß ich erst nach den Erfahrungen, die ich zwischenzeitlich gemacht habe - dann war das Welt- und Herzstillstand. Kein überverliebtes Hyperventilieren. Nur ein übernervöses, weil man noch nie einen Freund oder ein Date hatte. Damals kannte ich den Unterschied aber nicht. Nö. Ich dachte ja, dass es DAS jetzt ist. Aber, verdammt nochmal, das ist ein Problem. Ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber man hat diesen Weltstillstand inklusive kompletten Aussetzens der Vernunft einfach scheiße nochmal selten. Und - das kommt jetzt noch on top - meistens, ja meistens sind die Kandidaten dann auch genau eins: Total ungeeignet. So sau falsch für Dich, dass du dich mit Hugh Heffner und den 35 anderen Bunnies noch glücklich schätzen würdest.



So, seid ihr noch bei mir? Jetzt wird es nämlich noch komplexer und ich werfe die sich daraus ergebende 2. Gretchen Frage in den Ring: "Falls dieser Wahnsinn doch Liebe ist - zumindest irgendeine kranke Form davon - kann man dann jemals alles haben? Ist es vielleicht so, dass du ein Team brauchst, weil mit Hugh Heffner ist das so schwer mit den Zukunftsplänen vom Reetdachhaus mit den Rosen und dem Efeu und der Wäsche auf der Wäscheleine, du aber immer irgendwie auch den Wahnsinn willst?" Genau das hier. Das ist mein Dilemma. Das macht mir Angst. Ich will das nicht. Und wisst ihr was? Ich glaube, zumindest noch ein bisschen länger - vielleicht so bis 30 oder so - glaube ich daran, dass es irgendwo doch das Wahnsinns-Team gibt. Schließlich gibt es euch da draußen und manchmal fängt man ja diese Momente ein, wo eine Haarsträhne so unfassbar vorsichtig zurück gestrichen wird, als hinge das Schicksal der Welt davon ab. Die Momente, wo selbst ich als passionierter Pärchen Skeptiker seufzen muss und irgendwie mit glücklich bin. Weil das Hoffnung macht.

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