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Welle des Anti-Irgendwas

Text: MojoMenges2

Dieter Graumann, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, fragt: "Warum gibt es keine Welle der Solidarität mit uns Juden angesichts der Welle von Antisemitismus?". (1) Er meint damit Deutschland, und bezieht sich auf die Auswüchse judenfeindlicher Ausfälle bei Demonstrationen in deutschen Städten.



Anstatt darauf einzugehen, was sicherlich einen eigenen Text wert wäre, möchte ich doch die Rolle des Zentralrats in dieser Angelegenheit kritisch beleuchten. Vor einigen Jahren, ich kann mich nicht mehr an den genauen Ort und Zeit erinnern, hörte man zahlreiche Stimmen fordern, dass doch bitte zwischen israelischer Politik und der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland scharf getrennt werden müsse. Eine Vermischung leiste dem Antisemitismus vorschub. Ich entsinne mich auch, dass eben jener Zentralrats diese - meiner Meinung nach völlig richtigen - Trennung einforderte. Wieso soll auch ein deutscher Jude dafür verantwortlich sein, dass in Gaza der Strom oder das Wasser abgeschaltet wird?



Mit sehr großem Erstaunen las ich dann vor etwa zwei Wochen, dass Herr Graumann sich zu dem Kriegsgeschehen in Nahost in der Zeitung äußerte, und dort ganz offen um Verständnis und Solidarität für die israelische Kriegslogik warb. (2) Nein, ich war nicht erstaunt, ich war verärgert. Mehr noch lesen zu müssen, dass Israel quasi in meinem Namen handeln und mit Bomben die "westliche(n) Werte wie Freiheit, Toleranz und Gleichberechtigung" verteidigen würde.



Die Verquickung der Position einer in Deutschland lebenden Religionsgemeinschaft mit der Politik eines kriegführenden Staates ist ein trauriges Beispiel dafür, wie man sich selbst diskreditiert. Warum reicht es nicht aus, sich als Zentralrat mit den Opfern zu solidarisieren und den Frieden herbeizusehnen? Warum muss der Zentralrat in Deutschland für das Schlachten in Übersee werben, krampfhaft versuchen es zu legitimieren? Ist das wirklich seine wichtigste Aufgabe?



Das alles hat erstmal nichts mit Antisemitismus zu tun, und auch nichts mit der Beklommenheit einiger hier lebender Menschen jüdischen Glaubens. Aber es hat was zu tun mit meiner "zivilgesellschaftlichen" Motivation, mich mit dem Zentralrat zu solidarisieren. Die hier angefeindeten Menschen, wie auch die Opfer von Krieg, Terror und Not, die haben mein Mitgefühl verdient. Der Zentralrat der Juden in Deutschland, der einen laufenden Krieg moralisch gutheißen möchte und sich parteiisch erklärt, anstatt für Frieden, interreligiöse Toleranz und Mitmenschlichkeit (weltweit und in Deutschland) einzustehen, hat es nicht.



 



1 Spiegel Online vom 31.07.2014 - Antisemitismus in Deutschland: "Warum gibt es keine Welle der Solidarität mit uns Juden?" http://www.spiegel.de/politik/deutschland/zentralrat-der-juden-gesellschaft-muss-gegen-antisemitismus-helfen-a-983743.html



2 DW vom 17.07.2014 - "Israel muss sich wehren" http://www.dw.de/israel-muss-sich-wehren/a-17789534




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