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Jungs, warum sind sauschöne Mädchen "nicht euer Typ"?

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Nichtsahnend saß ich mit fünf Jungs und vier Mädels, darunter zwei Pärchen, beim Samstagsbier in einer Kneipe. Plötzlich stolzierten zwei Beine auf unsere Eckbank zu, so makellos, als wären sie soeben der Damenrasierer-Werbung entstiegen. Sie gehörten der neuen Freundin von Matze, der zwar an ihrer Hand hing, aber von niemandem weiter beachtet wurde. Schließlich ging neben ihm das wahrgewordene Klischee einer Sexgöttin.  

"Raquel", hauchte sie uns ihren Namen entgegen, bevor sie allen der Reihe nach die manikürte Hand hinstreckte. Selbst im trüben Barlicht sah jeder, dass Raquel nicht nur sexy, sondern auch umwerfend schön war. Die richtige Mischung aus allen Komponenten, die an einer Frau optisch perfekt sein können.  

Als sich Raquel einen Rotwein holte, wartete ich darauf, dass meine Kumpels etwas sagten wie: "Alter, was für ein heißes Teil!" Oder wenigstens die Vokabeln "scharf", "geil" oder "Gerät" aus ihrem Jungswortschatz kramten. Aber Null! Alle nahmen eine sonderbare Abwehrhaltung ein und fingen an über die vermutlich heißeste Frau, der sie je die Hand geschüttelt hatten, zu lästern.  

"Scheint ja schon ganz nett zu sein, diese Raquel, aber ich steh ja mehr auf natürliche Frauen", verteidigte sich Philipp ohne Aufforderung. Darauf folgte ein längeres Plädoyer von Julian, warum "so eine" gar nicht "sein Typ" sei. Die anderen Jungs stimmten ein, wir Mädels verteidigten die schöne Raquel und fragten uns: Warum benehmen sich die Typen so, als säßen sie auf einer Anklagebank?  

Nehmt ihr angesichts von offensichtlichen Sexbomben etwa Rücksicht auf uns Nicht-Sexgöttinnen? Oder ist dieses Benehmen eine Art Selbstschutz? Weil, wenn man etwas gar nicht haben will, kann man schließlich auch nicht daran scheitern, dass man's nicht kriegt?  

Auf der nächsten Seite: Die Jungsantwort von lucas-grunewald.



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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Ach komm, nee, oder? Müssen wir jetzt echt über so ne brasilianische Fitness-Uschi nachdenken, an der doch eh alles gemacht ist? Die bestimmt nur mit so Business-Lackaffen rumhängt, die so viel arbeiten, dass sie ihr Leben und ihre Loftwohnung gar nicht mehr genießen können? Wer's mag, gerne – aber für uns wär das ja nix.  

Ihr merkt schon, oder? Wir haben es hier mit der klassischen Drei-Komponenten-Ausrede zu tun. Der Satz "Die ist gar nicht mein Typ" schafft das bemerkenswerte Kunststück, drei Parteien gleichzeitig in die Tasche zu lügen: Euch, uns selbst und allen anderen Anwesenden. Gehen wir's mal von vorne an.  

In erster Linie, das hast du gut erkannt, soll das demonstrative Desinteresse euch beruhigen. Ja, tatsächlich haben wir bei offensichtlich wunderschönen Mädchen in unserer Umgebung das Gefühl, wir müssten schon noch extra drauf pochen, dass ihr euch nun aber wirklich keine Sorgen machen müsst. Wir sehen das als netten Dienst an eurem Selbstwertgefühl – und wenn ihr jetzt Luft holt, um "Macho!" zu zischen, müsst ihr bitte noch schnell zu Ende lesen.  

Das Auftauchen einer Frau wie Raquel bedeutet für uns ja zuallererst: Es ist offenbar nicht nur den John Mayers, sondern auch den Matze Meiers dieser Welt möglich, ein Mädchen zur Partnerin zu haben, für das die Restmänner der Welt ihr Bierglas fallen lassen würden. Wir können uns also plötzlich nicht darauf hinausreden, es gäbe so offensichtlich perfekte Frauen nicht in unserer Umgebung, sondern höchstens in Venice Beach. Es gibt sie. Das heißt: Wir könnten auch so eine haben. Genau genommen müssten wir auch, denn ganz tief hinter unserer Stirn schlummert schon noch der inzwischen arg ausgewaschene Anspruch, möglichst der Macker mit dem Mädchen zu sein, für das ein Raum kurz andächtig still wird.

Sind wir aber eben nicht. Matze ist der Macker. Der Satz funktioniert nun wie eine Hand auf unserer Schulter – ein bisschen tröstend, ein bisschen stützend. Ähnliche Gedanken rollen wir im Kopf herum, wenn wir schön gekleidet und noch angenehm parfümiert alleine von einer Party nach Hause trotten und uns einreden, wir waren "ja eigentlich eh zu müde", um noch jemanden mitzunehmen. Es ist eine tröstende Lüge, die wir im Moment herber Enttäuschung gerne glauben.  

Der Satz soll aber auch allen verfügbaren Zuhörern in der Runde verkünden: Okay, es gibt diese Erscheinung. Wir ignorieren sie nicht. Aber dass unsere eigene Begleiterin vielleicht erst auf den zweiten Blick eine ganz unübertroffene Bettgranate ist, ist nun keineswegs der glanzlose Kompromiss eines Mackers, der auf halbem Weg aufgegeben hat. Wir drücken damit aus (wenn auch mit etwas gekünsteltem Nachdruck), dass wir den Raquels dieser Welt eigentlich immer nur ganz kurz zwischen Bierglas und Erdnussschale erliegen.

Netto überwiegt unsere Erleichterung, dass wir der nicht später auf der Bettkante erklären müssen, warum wir diesen Bauchansatz haben aber dafür keine Oberarme. Wir sind nämlich glücklich genug, dass ausgerechnet wir euer Typ sind und nicht immer nur der blöde John Mayer.

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