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Unzulänglichkeiten

Text: FlohKopf
Anfang des Monats fand ich alles doof. Ich wusste, ich bin meinen doofen Job los und es ist ganz ätzend, mit einem abzubezahlenden Haus den auch noch so nervenaufzehrenden Arbeitsplatz zu verlieren. Darum waren wir in Liverpool, in einem Hostel, und ich verbrachte viel Zeit damit, Bier aus Dosen trinkend mit unserem australischen Roomie auf dem Fußboden zu sitzen. Ich habe auch in die hinterletzte Ecke von einem Studentenclub gekotzt und auf einer Wiese in New Brighton meinen Kater gepflegt. Es war großartig. Ich redete viel davon, dem langweiligen Manchester zu entfliehen und im aufregenden Liverpool neu zu beginnen.

An dieser Stelle ein großes Lob an Jacob, der mir zwar den Floh namens Liverpool nicht vollends aus dem Ohr ziehen konnte, aber mich seit dem Wochenende dort jeden Tag dazu überredet, etwas Neues in unserer Heimatstadt zu erleben. Und ich muss sagen, es ist wirklich ganz wunderbar mit klapprigen Fahrrädern in einer Arbeiterkneipe in Eccles aufzulaufen, wo der jüngste Punter 46 ist und sich bis ins Morgengrauen mit einem zugezogenen Waliser zu unterhalten, der den Tod Thatchers mit einer Gartenparty zelebrierte (ich erzählte meiner Mutter davon und sie - ganz der Punkeinschlag in ihrem Hippieleben - quiekte vor lauter Vergnügen).

Naja, jedenfalls finde ich Manchester wieder okay und ja, ob man nun am Ufer des Mersey sitzt oder am Kanal macht jetzt wirklich nicht den Unterschied, der den Kohl fett macht (das hab ich ja als Kind immer auf den Altkanzler bezogen und fand diesen Ausspruch sehr dreist). Aber wenn ich von dem doofen, bald ehemaligen, Job nach Hause komme, schreibe ich Bewerbungen auf Stellen, die ich, glaube ich, sowieso nie bekommen werde. Und selbst wenn, dann ist da eine Stimme in meinem Kopf, die mir weißmachen will, dass sogar meine Traumkarriere mir nach vier bis sechs Monaten so sehr auf den Geist gehen wird, dass sich meine Psychosen so aufspielen werden, dass die geschlossene Abteilung der einzig richtige Platz für mich sein wird.

Weil Jacob manchmal auch noch arbeiten muss und mich nicht den ganzen Tag bespaßen kann, fahre ich heute nachmittag nach Birmingham zu Enrico und er sagt, er wird dafür sorgen, dass ich bis Montagmorgen an rein gar nichts mehr denken werde. Man könnte es als Unzulänglichkeit betrachten, dass ich mich in meinen 30ern immer noch mit den gleichen Freunden besaufe, wie mit 16, oder man findet es gruoßartig, romantisch, wunderbar, solidarisch, vorbildlich und knorke.

(Flo und Hanno, ihr fehlt uns, und ihr solltet ganz dringend über eine Auswanderung gen noch mehr Regen nachdenken. Es ist einfach nicht das selbe ohne euch.)

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