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Wie ich lernte zu verzeihen.

Text: paulscousine
Ich habe lange nicht mehr daran gedacht. Fast glaubte ich, ich hätte es vergessen. Wie wir die ganze Nacht auf einer Parkbank saßen und froren und uns doch nicht berührten. Wie niemand vorbeikam, weil wir in einer Stadt lebten, in der die Straßen dunkler und leerer waren als anderswo. Wie ich dich bat, neben mir zu schlafen, statt mit mir, und die Sonne aufging, als wir die paar Meter zu meiner Haustür liefen. Wie du mir zugehört hast.

Es tut immer weniger weh, mich zu erinnern. Es reißt mich nicht mehr aus den Momenten, sticht nicht mehr plötzlich, so dass ich die Augen schließen muss und mit angehaltenem Atem warte, bis es vorüber geht. Und heute habe ich fast gelächelt, als ich daran dachte, wie du beim Treppensteigen gesummt hast.

Ich werde wohl nie vergessen, wie ich mich fühlte, als du auf meiner Bettkante saßt. Das Gelächter im Hof, das Hochsommerflirren. Als mir klar wurde, welche Worte ich sagen musste. Weil du mir diese Aufgabe gegeben hattest. Wie ich gerungen habe, mit mir. Die Ewigkeit, die du gebraucht hast, um deine Jacke anzuziehen. Um in den Flur zu gehen. Wie lange du in der Tür standest. Bevor du sie zugezogen hast. Die Ewigkeit, in der ich keine Luft bekam, das Gelächter, das Flirren, wie ich anfing auf die Wände einzuschlagen, bis ich meine Finger nicht mehr spürte.

Die Geschichte ist einfach und sie ist schnell erzählt. Sie ist nicht besonders originell, und fast jedem schon einmal passiert. Wir haben uns getäuscht. Was mit mir passiert ist, war nicht deine Schuld.
Ich war lediglich dein Kollateralschaden.

Als ich das letzte Mal mit dir sprach, habe ich Worte gespuckt, die du nicht verstanden hast. Als du das letzte Mal mit mir sprachst, habe ich den Kopf geschüttelt, bis du abgelassen hast von mir. Ich habe den Blick abgewandt, ich habe die Straßenseite gewechselt, ich habe die Stadt verlassen. Weil ich nicht ertragen konnte, was ich getan hatte. Dass ich es versucht hatte.

Ich habe zwei Jahre Wut hinter mir. Zwei Jahre, in denen ich mir immer wieder erzählte, was du mir angetan hast. Wie du mich verraten hast. Es hat zwei Jahre gedauert. Aber ich kann es jetzt.

Ich verzeihe mir.







Bild: Aëla Labbé.

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