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Das Ende der Hipster-Sexisten

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Angestrichen:
„(...) there does seem to be something symbolic about Charney’s fall. It’s another harbinger of the slow demise of the culture that he and Richardson came to define. The attitude of „hipster“ culture (...) toward women has been reasonably well documented.“      


Wo steht das?
In einem Text von Tom Hawking für das Online-Magazin Flavorwire.

Worum geht es?
Am vergangenen Mittwoch wurde Dov Charney, der Erfinder und CEO des Modelabels „American Apparel“, mit sofortiger Wirkung gekündigt. Grund dafür war laut dem Unternehmen Fehlverhalten des AA-Gründers. Dass Dov Charney Mist baut, dürfte dem geneigten Leser nicht unbekannt sein. Bereits vor zehn Jahren berichtete eine amerikanische Journalistin, dass Charney während eines Interviews masturbierte. Er wurde zudem über Jahre hinweg mehrfach von ehemaligen Angestellten wegen sexueller Nötigung verklagt, zuletzt klagte ein Angestellter, weil er von Charney gewürgt und als „Möchtegern-Jude“ beschimpft worden war. 
All das hatte die Führungsriege von „American Apparel“ jahrelang nicht tangiert. Bis jetzt. Das Unternehmen „American Apparel“ macht seit einiger Zeit Verluste, die AA-Aktie rauschte zuletzt in den Keller. Und offensichtlich glaubt in dem Unternehmen niemand mehr daran, dass der einst so charismatische CEO Dov Charney den Karren noch aus dem Dreck ziehen kann.  

Charneys optischer und geistiger Zwilling Terry Richardson, einer der berühmtesten Fotografen der Welt, erlebt ebenfalls gerade stürmische Zeiten. Richardson gerät immer stärker unter Beschuss, nachdem im vergangenen Jahr mehrere ehemalige Models, die mit ihm gearbeitet haben, ihn öffentlich beschuldigt haben, sie während dieser Aufnahmen zu sexuellen Handlungen genötigt zu haben. In einer episch langen Geschichte ging ein Autor des "New York Magazine" der Frage nach „Is Terry Richardson an Artist or a Predator?“

Richardson hat Madonna, Barack Obama, Kate Moss fotografiert, Musikvideos für Miley Cyrus und Lady Gaga gedreht, für alle großen Magazine von Vogue bis GQ gearbeitet. Seine Ästhetik, Portraits frontal gegen eine weiße Wand mit grellem Blitz zu fotografieren, sind zu einem Markenzeichen geworden.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Terry Richardson mit Model Kate Moss.

Ein weiteres Markenzeichen von Terry Richardson ist, selbst immer wieder in den Fotos aufzutauchen. Richardson kleidet sich immer gleich: er trägt übergroße Koteletten, eine comichaft große Brille und hat Jeans und Flanellhemd an. In den Shootings mit bekannten Menschen tauscht er gerne Brillen oder lässt sich mit erhobenen Daumen fotografieren. In Shootings mit „unbekannten“ Models nimmt er dagegen gerne seinen Penis mit aufs Bild –  in allen Aggregatszuständen. Einige dieser Models haben nun berichtet, wie es zu den Fotos kam, dass Richardson zusammen mit seiner Assistentin eine Atmosphäre schuf, in der die Mädchen mehr oder weniger freiwillig immer krudere sexuelle Akte vornahmen und vornehmen ließen.  

In einem Text für das Online-Magazin „Flavorwire“ verbindet Tom Hakwing die beiden Fälle Charney und Richardson und behauptet, dass sich hier möglicherweise ein begrüßenswerter Trend beobachten lasse: das Ende des Hipster-Frauenhasses.

Hawking behauptet, dass es im Bereich der Popkultur nach den eher androgynen 1980er und den mit der Riot-Girl-Bewegung der frühen 1990er Jahre ab Mitte der 1990er Jahre einen popkulturellen Backlash gab, der vor allem von der britishen Lad-Kultur und den schlichteren Vertretern des Britpop angeführt wurden. Diese Pop-Misogynie erreichte dann mit der ironischen Hipster-Popkultur der frühen Nuller-Jahre eine Hochzeit. Schon äußerlich sei der an den ultra-maskulinen Modetrendes erkennbar, wie dem Trucker-Käppi, dem „Wife-Beater“ genannten Feinripp-Unterhemd, Dosenbier und dem Porno-Schnauzer.
All diese optischen Relikte einer ultra-maskuline Welt hätten sich mit einer unguten Haltung verbunden, die in Charney, Richardson, und dem VICE-Magazine ihre herausragenden Protagonisten hatten: Eine als erfrischend wahrgenommene, gegen das Dogma der "politically correctness" rebellierende Haltung gegenüber Frauen, die mindestens pubertär, wenn nicht schlicht degradierend ist.  

Dov Charneys „American Apparel“-Werbungen für die schlichte T-Shirts oder Leggins bewegten sich stets am Rande des Porno - gerne gebrochen mit einem lustigen Accessoire. Und auch Terry Richardson Porno-Ästhetik funktionierte nach dem immergleichen Schema: Selbst die explizitesten Bilder wurden mit einem vermeintlich humorvollen Augenzwinkern serviert, das den Betrachter zum Komplizen machte.

Sexismus an sich ist schlimm genug, sagt Hawking in seinem Text, Sexismus mit Ironie und Augenzwinkern, um ein Produkt zu verkaufen, ist aber eigentlich noch schlimmer. Wenn das nun ein Ende hat, kann man diese Entwicklung nur begrüßen. 


Text: christina-waechter - Bild: getty

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