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Vermissmessen.

Text: jottpunkt

Vielleicht kommt “vermissen” auch ein Stück weit von “vermessen”, davon, etwas als näher und tiefer zu empfinden und einzuschätzen als es eigentlich ist, das richtige Maß nicht zu finden oder nicht gefunden zu haben, es zu verfehlen und zu verpassen, daneben zu liegen mit etwas, sich zu verschätzen, zu vertun.



Ein bisschen jedenfalls muss das wohl so sein oder gelegentlich so passieren, das mit dem Vermessen, wenn man jemanden vermisst, denn hätte man richtig gemessen (die Nähe oder die Distanz), dann würde man ja vielleicht gar nicht vermissen. Hätte man richtig gemessen, hätte man ja wohl das richtige Maß gefunden und ein richtiges Maß lässt doch ein Vermissen eigentlich nicht zu, weil es so etwas Albernes gar nicht erst aufkommen ließe, immerhin wüsste man ja dank des richtigen Maßes immer, wo man selber steht und wo der andere, wie nah an- oder wie weit auseinander man ist. Man könnte dann Sachen sagen wie, “So, hier bin also ich und da bist du und zwischen uns liegt eine Handbreit oder zwei, oder zehn Kilometer oder hundert oder tausend, und weil das so ist, stehen wir (und das ist vielleicht am wichtigsten zu wissen, um nicht zu vermissen) so oder so oder ähnlich oder ganz anders zueinander”.



Solche Sachen könnte man sagen, solche Aussagen könnte man treffen, wenn man das richtige Maß hätte und dementsprechend könnte man sich dann verhalten und die Gefühlsschubladen sortieren und für das Vermissen wären an sich weder Platz noch Grund gegeben. (Vielleicht dann aber für das Fehlen – ich bin mir gerade nicht sicher, ob es sich lohnt, zwischen beiden Worten zu unterscheiden oder ob das Haarspalterei ist – und das ist es, vermutlich, aber dann würde dieses Gedankengespinne hier noch weniger Sinn ergeben als ohnehin schon und ich bin gerade so schön dabei, also tun wir doch mal so, als wäre da ein Unterschied, als wäre das Fehlen etwas anderes als das Vermissen, vielleicht etwas Bestimmteres und irgendwie konkreter, vielleicht weniger gefühlig, ohne damit dem Fehlen Emotionslosigkeit unterstellen zu wollen, vielleicht kann nur das fehlen, was vorher schon einmal da war oder da sein sollte, was man schon einmal hatte, man kann ja inventarisieren und dabei dann feststellen, dass da auf einmal eine Lücke ist, dass eben etwas fehlt, und vielleicht ist der Unterschied zum Vermissen der, dass man auch etwas Unbestimmte(re)s vermissen kann, weil das Vermissen irgendwas mit Sehnsucht zu tun hat und vielleicht ein wenig diffuser ist. Vielleicht ist das irgendwie so. Vielleicht Ganz bestimmt sogar aber auch nicht. Oder ganz anders. Sei es drum.)



Vielleicht ist dieses Vermissen, Vermissmessen etwas, das passiert, wenn da eine Distanz ist, die sich nicht oder nicht nur oder nicht gut in Handbreiten oder Kilometern fassen lässt, wenn man nicht nur nicht weiß, wo der andere steht, für sich und in Relation zu einem, sondern wenn man auch nicht weiß, wo man selber steht, wenn man sich selbst nicht verorten kann und sich selbst nicht richtig vermisst und deswegen gar nicht erst weiß, wo man überhaupt steht, wo man anfangen soll und wie und was eigentlich los ist.



Vermissen und vermessen. Der Unterschied zwischen den beiden Worten ist im Deutschen nicht viel größer oder kleiner als ein Buchstabe und die Theorie, dass beides ein Stück weit zusammen geht, ist doch auch wirklich nicht unschlüssig und überhaupt, das kann doch nicht von ungefähr kommen, oder?



Vermutlich ist diese Möchtegern-Epiphanie aber auch nicht viel mehr oder weniger als Quatsch, der einem bloß auffällt, weil man gerade einmal Zeit hat, über Quatsch nachzudenken, weil man gerade einmal nicht über andere Dinge nachdenken muss und weil man gerade nicht einschlafen kann oder will und weil sinnfreies Rumbloggen vielleicht noch immer besser ist als sinnfreies Rumliegen.



Vermissmessen.



Quatsch.



Ich weiß auch nicht.

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