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Äpfel für Deutschland

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jetzt.de: Die Apfelfront parodiert Rechtsextremismus, indem ihr selber schwarze Uniformen mit roten Armbinden tragt. Erst auf den zweiten Blick erkennt man einen Apfel statt eines Hakenkreuzes auf dem roten Grund. Werdet ihr oft für Rechte gehalten?
Tom Rodig: Bei einem der ersten Auftritte der Apfelfront hat ein älterer Herr unserem Führer ein Bein gestellt. Zwei Minuten später kam er wieder, um sich zu entschuldigen. Da hatte er dann einen Flyer von uns bekommen und gemerkt, dass er was falsch verstanden hat. Die meisten Reaktionen sind allerdings sehr belustigt. Der MDR hat allerdings einmal einen Artikel veröffentlicht, in dem wir in einer Bildunterschrift als Nazis dargestellt wurden. Vor allem haben wir aber Aufsehen erregt, weil man nach unseren ersten Auftritten debattieren musste: Darf man über Nazis lachen?  

Habt ihr diese Debatte verändert?
Ja. Die Apfelfront ist ein gutes Beispiel, wie man über Nazis trotz aller Ernsthaftigkeit Witze machen darf. Wir streiten nicht ab, dass man neben der Satire auch Bildungsarbeit leisten muss. Wir zeigen allerdings auch: Nazis sind ein lächerlicher Haufen. In der Folge hat sich auch Storch Heinar gegründet, die sich über die Naziklamottenmarke Thor Steinar lustig machen. Außerdem gab es in Deutschland Ableger der Apfelfront, die wir als Gaue bezeichnen, und im Ausland haben sich ähnliche Satiregruppen gegen rechts gegründet. In Ungarn zum Beispiel die Knoblauchfront. Neulich haben wir die Mitglieder unseres Forums ausgelesen und festgestellt: Da sind 2.500 Leute aktiv. Unsere Hochphase hatten wir allerdings nach circa fünf Jahren, jetzt gehen die Zahlen der Sympathisanten wieder etwas zurück.  

Wie kam es vor zehn Jahren zur Gründung der Apfelfront?
Am 3. Oktober 2004 hatte der bekannte Berufsnazi Christian Worch eine Demo durch den eher alternativen Leipziger Süden organisiert. In dieser Situation haben sich einige Leute überlegt, dass man in diesem ganzen Demonstrationszirkus doch etwas Neues probieren müsse. Damals war Holger Apfel der NPD-Fraktionsvorsitzende im sächsischen Landtag, außerdem ist der Apfel ein sehr deutsches Symbol. Die ganz genauen Umstände sind nicht mehr zu rekonstruieren, es war wohl sehr bierseelig. Auf jeden Fall entstand so kurz vor der Demo die Apfelfront mit ihren roten Armbinden, auf denen anstatt eines Hakenkreuzes ein Apfel abgebildet ist. Alf Thum wurde zum Führer erkoren. Auf der Demo hat das natürlich Aufmerksamkeit erregt. Dass aus dieser Aktion allerdings eine zehn Jahre andauernde Bewegung wird, hat damals keiner geahnt.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Mitglieder der "Front deutscher Äpfel" in voller Montur

Wie reagieren die Rechten auf euch?
Bei Demos ist die Polizei stark interessiert daran, die verschiedenen Lager nicht aufeinandertreffen zu lassen. Dementsprechend gab es auch keine Zusammenstöße mit den Nazis, in denen jemand hätte verprügelt werden können. Wir werden auch nicht auf Neonazi-Seiten zum Abschuss freigegeben oder ähnliches. Allerdings gab es in Naziforen schon Diskussionen über uns, das haben wir in geheimdienstlichen Ermittlungen feststellen können. Uns wurde auch schon einmal von Leuten Kostümfaschismus vorgeworfen, weil wir während der Performance natürlich auch das "R" rollen und Nazisprech verwenden. Letztendlich muss man aber sagen: Wir sind eine Satiretruppe und machen Straßentheater. Was wir tun, dient der Performance und das vergessen wir auch nicht.  

"Ich habe instinktiv den Wunsch verspürt, Holger Apfel auf Mallorca zu besuchen."

Euer Lieblingsfeind und Namensgeber Holger Apfel lebt ja mittlerweile auf Mallorca. Ist das das Ende der Apfelfront?
Holger Apfel hat uns wirklich jahrelang viel Spaß gebracht. (lacht) Wir sagen jetzt, wir hätten ihn damals in seinem Amt installiert und nun wieder abgezogen, der musste ja einiges mitmachen. Allerdings kommen wir auch ohne ihn gut klar, es gibt ja genügend rechte Spinner in Europa. Holger Apfel hat sich den Ruhestand also wirklich verdient.  

Apfel hat in mehreren Interviews bereits betont, dass in seiner Kneipe auf Mallorca auch Ausländer und Linke erwünscht seinen. Macht dich das wütend?
Ich habe instinktiv den Wunsch verspürt, ihn zu besuchen (lacht). Nein, Holger Apfel ist wirklich eine ganz armselige Figur. Dass er jetzt auf Mallorca lebt, entspricht ganz seinem Werdegang. Man muss aber auch sagen: Altnazis haben es schwer. Wer würde die noch einstellen? Die haben ja einen verbrannten Namen. Das Familienministerium sollte da mal ein Exitprogramm anleiern, dass diesen Leuten Jobs gibt, in denen sie nichts kaputt machen können, aber noch eine Aufgabe haben. Briefmarken aufkleben oder so.  

Gibt es aus deiner Sicht noch ernstzunehmende Nazis in Deutschland? Jürgen Rieger ist tot, die NPD zerbröselt sich selbst...
Die NPD ist wirklich auf einem stark absteigenden Ast, die radikale Rechte ist in Deutschland nicht mehr das Hauptproblem. Rechtspopulistische Parteien sind allerdings immer mehr auf dem Vormarsch, Menschen, die ihre Argumentationen mit Ich bin ja kein Nazi, aber... einleiten. Das sehen auch wir und reagieren darauf ebenfalls mit Satire. Wir haben zum Beispiel die Compact-Konferenz in Leipzig gestürmt, bei der Jürgen Elsässer, ein Verschwörungstheoretiker, zusammen mit Thilo Sarrazin, Eva Herrmann und Peter Scholl-Latour gesprochen hat. Da haben wir dann die Kompost-Konferenz ausgerufen. Außerdem haben wir die ÄfD Äpfel für Deutschland gegründet. Dort skandieren wir die Reichsmark als einzige deutsche Währung und fordern dazu auf, Euros an uns zu schicken, damit wir sie dann einschmelzen können.  

Ist es schwieriger, auf den oft ja sehr versteckten Rechtspopulismus mit Satire zu antworten als auf platten Rechtsextremismus?
Natürlich, denn es gibt nicht so viel Plakatives, das man verarbeiten kann. Allerdings ist es ja zum Beispiel schon merkwürdig, dass sich Europagegner momentan so vielfach in ein europäisches Parlament wählen lassen. Da kann man ansetzen. Martin Sonneborn macht das, indem er für Die Partei ins Europaparlament zieht und mit dem Rotationsprinzip alle möglichen Gelder abkassiert. Damit ist er auch nicht viel korrupter und geldgieriger als die anderen Parteien. Das spielt aus meiner Sicht auch auf die rechtspopulistischen Parteien wie die britische United Kingdom Independence Party an, die zu Hause gegen die EU wettern und gleichzeitig aber alle Gelder dort abkassieren. Wir haben auch kräftig Werbung für Die Partei und für Sonneborn gemacht, zwischen denen und der Apfelfront besteht eine jahrelange Freundschaft. Ohne uns hätte er diesen Sitz vielleicht nicht bekommen.  

Nun ist die NPD allerdings auch mit einem Sitz ins Europaparlament gekommen.
Das habe ich auch mitbekommen. Ich weiß nicht, ob die sich überhaupt über die Landesgrenze trauen? Das Parlament ist ja gar nicht auf deutschem Boden. Das wird natürlich schwierig. Wir würden aber anbieten, das für die NPD zu übernehmen.     

Anlässlich ihres Jubiläums sammelt die Front deutscher Apfel bei startnext für "Das Buch der Bewegung", eine Chronik des vergangenen Jahrzehnts. Ist das Crowdfunding erfolgreich, soll das Werk im Oktober im Frühwerk-Verlag erscheinen.              


Text: charlotte-haunhorst - Bild: Front deutscher Äpfel

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