Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Weißwurst mit Pommes

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Neulich hatte ich Besuch von Freundinnen, die mit mir im Rheinland zur Schule gegangen sind. Wir fuhren an einen See und wanderten ein bisschen, was man eben so macht, wenn jemand zu Besuch in München ist. Dann tranken wir Bier in einer Gaststätte und wollten dazu etwas essen. Eine meiner Freundinnen hatte sich schon die ganze Wanderung über auf ein Paar Weißwürste gefreut, die isst sie nämlich gern und in Bayern gibt es ja bekanntlich besonders gute. Sie bestellte also ihre Würste und als Beilage eine Portion Pommes.  

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Pommes dazu?

Die Geschichte könnte jetzt einfach so weitergehen, mit essen, dann verdauen, dann wieder zurück zum See wandern und baden gehen. Aber nein, ich weiß, dass einige gerade entsetzt „Waaas?“ gerufen haben. Und auch der Kellner in der Gaststätte sah meine Freundin an als beginge sie gerade einen Frevel. Weißwürste mit Pommes, das ginge ja nun mal gar nicht, eine Breze müsse sie dazu essen und sonst nichts! Ich liebe meine Freundin sehr dafür, dass sie sich kein bisschen verunsichern ließ und einfach auf ihren Pommes beharrte.  

Denn ich finde, sie hat vollkommen Recht. Wenn sie Lust auf Weißwürste und Pommes hat, dann soll sie Weißwürste und Pommes essen dürfen – vor allem in einem Restaurant, in dem sie bezahlt. Ich werde auch jedes Mal wütend, wenn mir ein Kellner in einem Münchner Wirtshaus nur widerwillig ein Pils bringt. Ich verbuche das alles unter „Nahrungsfaschismus“ und ich bin dagegen.  

Wir haben darüber auch in der Redaktion diskutiert. Jan sagte „Wenn du in Spanien eine Paella bestellst und Ketchup draufmachst, wirst du auch komisch angeschaut!“ Klingt erst mal nach einem guten Argument, aber ich muss nur drei Sekunden darüber nachdenken, um zu wissen: Nein, auch im Ausland, wo ich eine fremde Kultur kennenlernen und respektieren möchte, möchte ich mir nicht vorschreiben lassen, was ich wie zu essen haben. Ich probiere gerne, was es an traditionellen Gerichten gibt, aber wenn ich Ketchup draufmachen will, ist das meine Sache. Denn das ist das Schöne am Kulturgut Essen: Man lernt es auf eine bestimmte Art kennen, kann es dann aber nach Herzenslust modifizieren, damit herumexperimentieren, es individualisieren. Ja, es ist gut, wenn man weiß, dass Weißwürste traditionell mit Breze gegessen werden, auch meine Freundin ist sich dessen bewusst. Aber deswegen muss sie es noch lange nicht tun. Und wenn jemand grüne Weißwürste herstellen möchte – dann bitte, nur zu!  

Wie sehr bestehst du auf traditionellem Essen? Rufst du „Igitt!“ und siehst den Kulturverfall herannahen, wenn jemand das typische Gericht deiner Heimat mit der falschen Beilage isst oder Chiliöl drüberträufelt? Oder findest du, dass jeder das essen darf, was ihm schmeckt, auch wenn es bedeutet, dass er mit seiner Art von pfälzischem Saumagen von der Tradition abweicht?   


Text: nadja-schlueter - Text: 12frames / photocase.com

  • teilen
  • schließen