Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

"Wir sind große Nostalgie-Hasser!"

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

jetzt.de: Zum Geburtstag gibt’s am 15. Mai ein großes Konzert mit euch im Hamburger Club Übel & Gefährlich. Ihr teilt euch da die Bühne mit Bands wie Junges Glück und Schrottgrenze, die sich schon vor Jahren aufgelöst haben. Ist das ein Zuprosten auf alte Zeiten?
Deniz Jaspersen: Diese Bands waren unsere Wegbegleiter, die sind einfach ein Teil dieser letzten zehn Jahre und haben uns beeinflusst. Schrottgrenze war die erste Band, mit der wir zusammen auf Tour waren. Mit Junges Glück haben wir uns den Proberaum geteilt.
König Wilhelmsburg: Wir feiern ja nicht, dass die Vergangenheit geiler war als die Gegenwart. Wir schreien auch nicht ständig: „Früher!“ (lacht)
Deniz: Es ist toll in einer Band zu spielen, die nicht immer die Zeit zurückdrehen will. Wir sind große Nostalgie-Hasser! Für uns ist es einfach super, dass wir zehn Jahre durchgehalten haben und jetzt diese Bands mit uns auftreten.  

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Heute: Die Jungs von Herrenmagazin sind ruhiger geworden. Deniz Jaspersen (2. v. r.) trägt heute keine Dreiviertelhosen mehr und König Wilhelmsburg (r.) einen Seitenscheitel.

Außerdem wird für die Show noch die Band Fraukes Ende angekündigt. Wer sind die denn?
Deniz: Naja, das ist noch geheim. Aber die kommen aus Husum, haben schon fünf Alben draußen und machen so norddeutschen Schlau-Punk. Das muss jetzt aber als Tipp reichen. Außerdem kommt Bosse auf die Bühne und singt mit uns.  

Ihr seid mittlerweile beide über 30. Wie war das für euch, sich als Band älter werden zu sehen? Kriegt man das überhaupt mit, wenn man sich so oft und so lang sieht auf Tour, im Proberaum oder im Studio?
Deniz: Klar! Beim König auf jeden Fall an der Frisur! (lacht) Du hattest früher eine Emo-Frisur und jetzt halt so einen Seitenscheitel.
König: Ja, stimmt. Bei Deniz merkt man es am Stil. Wir haben jetzt mal alte Bandfotos ausgegraben. Die sind schon hart!
Deniz: Oh Gott, wie ich teilweise auf der Bühne stand! Mit Birkenstock-Sandalen und dazu eine Dreiviertel-Hose und ein gelbes T-Shirt. Wir sind aber nun mal alle vom Punk sozialisiert. Da gehört das beschissene Anziehen dazu. Das ist genau wie dieses Hipster-Ding: Auffallen durch schlechten Stil. Das haben wir jetzt aber hinter uns gelassen.  

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Damals: "Oh Gott, wie ich teilweise auf der Bühne stand!" sagt Deniz.

Eure drei Alben zeigen ja auch einer Veränderung. Ihr drückt mittlerweile hörbar weniger aufs Gaspedal als noch 2008, als die erste Platte erschien.
Deniz: Wir sitzen gerade an der nächsten Platte. Das wird ein großer Schritt für uns. Es wird alles etwas ruhiger.
König: Das wird sich auch aufs Tempo auswirken. Wir wollen weniger Geballer. Die Leichtigkeit, die auf der ersten Platte drauf ist, ist auch ein bisschen zurückgekommen. Damals war ich aber noch nicht in der Band.
Deniz: Ich habe mich auch mit Felix von Kante getroffen. Er hat mir ein paar wichtige Impulse gegeben. Kante ist für mich eine der besten Hamburger Bands überhaupt. Ich glaube aber, dass wir jetzt Musik machen, die zu unserem Alter passt. Wir gehen ganz selbstbewusst damit um, dass die Leute von uns Rock erwarten. Wir haben oft gehört, die letzte Platte sei so ruhig gewesen. Aber wir müssen ja selbst gut finden, was wir machen. Wir haben gezeigt, dass wir ballern können! Jetzt dürfen wir zeigen, dass wir Musik machen können! (lacht)  

Vor zehn Jahren hättet ihr die Musik, von der ihr redet, nicht machen können?
Deniz: Nee, niemals! Damals war unsere Philosophie: „Nicht nachdenken! Machen!“ Aber dieses Mal zwingen wir uns zum Beispiel zu schauen, was passiert wenn man die Gitarren in einem Lied weglässt. Man könnte fast sagen, dass wir jetzt Musiker sind. Damals wollten wir die Leute aber einfach nur wegblasen.  

Als du 2009 in die Band kamst, König, was war das für eine Gruppe?
König: Das war ein Scherbenhaufen voller Wut. Wir wussten nicht, was passieren würde und das Label hat ständig Probleme gemacht. So wütend klingt die zweite Platte dann auch.  

In eurer Ankündigung für die Jubiläums-Show sprecht ihr auch von Höhen und Tiefen der letzten zehn Jahre. Gab es mal den Punkt, an dem fast Ende gewesen wäre?
Deniz: Vor der zweiten Platte haben wir uns beinahe aufgelöst. Das lag daran, dass unser Gitarrist Philip damals ausgestiegen ist. Dann hat unser Drummer Rasmus sich die Schulter gebrochen und hatte keine Versicherung. Das Label war unzufrieden mit unseren Songs, was ich damals blöd fand. Im Nachhinein war das gut, weil man sich intensiver mit der Musik auseinandersetzten musste. Dann kam der König in die Band und alles nahm eine neue Richtung.
König: So ein richtiges Hoch war dann zum Beispiel die Tour zum letzten Album. So eine Tour macht man, um sein Ego zu streicheln!

Eure Songs und grade die Songtexte beschreiben ja oft Wut und Verzweiflung. Ihr wirkt gerade aber ziemlich euphorisch und lacht viel. Ist euer Witz wichtig für die Band?
Deniz: Der Humor hat uns immer vereint. Es gibt ja viele Bands, die reden nie im Tourbus. Die sitzen alle da und jeder guckt einen Film auf dem Laptop. Da sind wir anders. Wir regen uns auf, hören Musik und lachen zusammen. Die Menschen in unserer Band haben sich verändert – aber unser Humor nicht.

Text: sebastian-witte - Fotos: Nina Stiller; oH

  • teilen
  • schließen