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Früchte des Hasses

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jetzt.de: Herr Zick, Sie forschen an der Universität Bielefeld über Menschenfeindlichkeit in Stadien. Ist Humor eine gute Waffe gegen Rassismus?
Andreas Zick: Rechtsextreme ärgern sich sehr über Witze auf ihre Kosten, das wissen wir seit Charlie Chaplins Film „Der große Diktator“. Dani Alves hat die Provokation des Bananenwurfs gebrochen, indem er die Banane gegessen hat. Aber das ist auch sehr gefährlich.

Inwiefern?
Humor hilft nichts, wenn er Rache und menschenfeindliche Meinungen provoziert. Bei Oliver Kahn gehörte es regelrecht dazu, dass er mit Bananen beworfen wurde. Als er mal eine zurückwarf, flogen beim nächsten Spiel umso mehr. Alves hat Courage bewiesen. Ohne Rückhalt ist das aber gefährlich für ihn.

Im Netz bekommt er sehr viel Unterstützung.
Das ist gut. Aber Alves ist nicht der erste, der eine Banane abgekriegt hat. Und was passiert auf den Rängen, wenn Bananen fliegen? Keine Reaktion! Die Werfer fühlen sich dadurch bestärkt. Denen ist es völlig egal, wie cool oder uncool der Spieler reagiert. Anders war es, als Kevin-Prince Boateng vergangenes Jahr in einem AC-Mailand-Spiel rassistisch beleidigt wurde. Er zog sich das Trikot aus und verließ den Platz. Seine Kollegen folgten ihm, das Spiel wurde abgebrochen. Da sah man eine Norm brechen – wirksamer als jeder Gegenwitz.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ob spontan oder lange geplant, seit der Fußballprofi Dani Alves eine Banane aß, gilt sie als witziges Symbol gegen Rassismus. Aber Humor macht vieles noch schlimmer. 

Woher kommt das Bananenwerfen?
In den 70ern gab es starke Rivalitäten zwischen west- und osteuropäischen Vereinen, die Fangruppierungen wurden politisch. Bei Länderspielen kam das Bananenwerfen in Mode. Das ist purer Rassismus! Die zweitunterste Stufe vor der Vernichtung ist die Entmenschlichung. Der Spieler wird dadurch zum Tier gemacht.

Der Bananenwerfer von vergangener Woche hat lebenslanges Stadionverbot bekommen.
Eine ziemlich harte Strafe, aber die alleine wird es nicht richten. In der Profiliga kriegt die Polizei fast jeden Bananenwerfer, wegen der Kameras. Aber auch in den Nicht-Profiligen gibt es rassistische, sexistische und homophobe Beschimpfungen. Bananen, Eier, da fliegt alles Mögliche. Das Problem ist: Diejenigen, die den Werfer ermuntert haben, kriegt man nicht. Menschenfeindlichkeit ist immer gruppenbezogen. Und Humor kann das sogar befeuern!

Das müssen Sie erklären.
Es gibt einige Studien, die zeigen: Humor erleichtert die Bereitschaft, Vorurteile über Menschen zu äußern, gegenüber denen menschenfeindliche Haltungen bestehen. Mit antisemitischen Witzen zum Beispiel. Das Bekennervideo des NSU mit „Paulchen Panther“ ist ein perfides Beispiel dafür. Es gibt mehr menschenfeindliche Witze als welche gegen Menschenfeindlichkeit.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Andras Zick, Direktor des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt und Gewaltforschung der Universität Bielefeld.

Wann wirkt Humor gegen Rassismus?
Wenn er mit einfachen Mitteln zeigt, wie hohl rechtsextreme Ideologien sind. Das geht nicht mit Klischees und Glatzenwitzen. Die „Glatzen“ haben nämlich keine Glatzen mehr. Aber mit Brüchen. Alves hat das Symbol, die Banane, entzaubert, indem er sie gegessen hat.

Gibt es noch mehr Beispiele?
Es gibt die schöne Mode der Comedians mit Migrationshintergrund, die sich gleichzeitig über die Deutschen und ihre Landsleute lustig machen. Das kann klappen, wenn das Lachen nicht dazu führt, dass wir denken: Jetzt haben wir über uns gelacht, nun können wir wieder so weitermachen wie vorher. Humor gegen Rassismus ist nur gut, wenn er Normen und Ideologien radikal infrage stellen kann.

Zur Zeit häufen sich rassistische Vorfälle im Sport, Stichwort L.A. Clippers, aber auch Gegenaktionen. Bei einem NBA-Spiel riefen 20.000 Menschen aus Protest: „We! Are! One!“
Aber reagieren müssen die Vereine. In Deutschland haben es viele Fußballvereine wunderbar in den Griff gekriegt, rechtsextreme Fangruppierungen an den Rand zu drängen. Dynamo Dresden hatte noch vor wenigen Jahren einflussreiche rechtsextreme Fangruppierungen im Stadion. Dann hat der Verein mit vielen davon gesprochen. Wenn heute rechtsextreme Gesänge kommen, überschreien das alle anderen zusammen.

Regen Aktionen wie die von Alves eine ernsthafte Diskussion an?
Die Frage ist, wie lange sie andauern wird. Im Fußball ist es schwierig, eine Tradition wegzukriegen. Der Bananenwerfer steht wie ein Depp da. Noch schöner wäre es, wenn jeder Bananenwerfer in Zukunft so von den anderen im Stadion behandelt wird.


+++

Mehr über die Solidaritäts-Aktion für Dani Alves findest du hier. Um die PR-Aktion, die hinter Alves' Biss in die Banane steckte, geht es hier.


Text: kathrin-hollmer - Illustration: katharina-bitzl; Foto: privat

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