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Wenn dir das Leben eine Banane gibt

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An dieser Szene kommen auch Fußball-Verweigerer diese Woche nicht vorbei:  

http://www.youtube.com/watch?v=vBiT640e70E

Dani Alves vom FC Barcelona wollte am Sonntag im Spiel gegen den FC Villarreal gerade einen Eckball schießen, als ein Zuschauer eine Banane nach ihm warf. Damit (und mit Affenlauten) kommunizieren Zuschauer in Fußballstadien schon lange ihre rassistische Einstellung (oder Abneigung gegen Oliver Kahn), speziell in spanischen Fußballstadien ist Rassismus ein großes Problem. Und Alves? Stoppte seinen Anlauf für den Eckball, hob die Banane auf, schälte sie, steckte sie sich in den Mund, wischte sich die Hände an der Hose ab und trat dann nach dem Ball.  

"Gewitzt", "lässig" und "cool" nannten die Medien Alves' Reaktion. Wenn man aber weiß, wie oft er sich schon zu dem Thema äußern musste, ahnt man: Er hat resigniert. Im Januar bezeichnete er den Kampf gegen Rassismus als "verlorenen Krieg", am Sonntag sagte er: "Ich spiele jetzt seit elf Jahren in Spanien, und seit elf Jahren ist es immer das Gleiche. Wir werden es nicht ändern, daher muss man Witze darüber machen. Man kann über diese zurückgebliebenen Leute nur lachen." Das tat er auch auf Twitter:  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

(Auf Deutsch: Mein Vater sagte immer: Sohn, iss Bananen, das verhindert Krämpfe, wie haben die das nur erraten? Hahaha.)

Was nach dem Spiel passierte, könnte Alves' Resignation vielleicht umkehren. Nicht nur, dass das Video von seiner Aktion in den sozialen Medien hunderttausendfach geteilt wird, die Banane entwickelte sich am Tag nach dem Spiel weltweit zum Solidaritäts-Mem.
Den Anfang machte sein Mannschaftskollege Neymar: Er postete am Montag auf Instagram ein Foto von sich und seinem Sohn, mit einer echten und einer Stofftier-Banane sowie den Hashtags #somostodosmacacos und #weareallmonkeys. (beides auf Deutsch: Wir sind alle Affen.)  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Neymar auf Instagram

Und Neymar blieb nicht der Einzige, der für Alves und alle anderen, die Rassismus erleben, Bananen isst.  

Unter dem Hashtag #somostodosmacacos, seinen englischen, deutschen und italienischen Entsprechungen auf Instagram und Twitter posten Fußballspieler, Stars, Fans und Nicht-Fans seitdem Bananen-Selfies. Inzwischen werden die Solidaritätsfotos auch unter dem Hashtag #NoToRacism gepostet. Unter diesem wird schon länger Anti-Rassistisches gesammelt (so wie unter #SchauHin Erlebnisse mit Alltagsrassismus), jetzt wird er auch mit Bananenfotos gefüllt. Unter allen Hashtags wird Alves für seine Aktion gelobt und der Rassismus in den Fußballstadien angeprangert. Es dominieren allerdings die Bananen-Selfies, die leicht nachzustellen sind, was ein nicht unwesentlicher Erfolgsgarant für ein Mem ist.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wladimir Klitschko auf Twitter

Sportler wie Wladimir Klitschko und sogar Politiker wie der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi machen mit bei der Solidaritäts-Aktion. Renzi aß mit dem Trainer der italienischen Nationalmannschaft Cesare Prandelli eine Solidaritäts-Banane. Der italienische Fußball hat, ähnlich wie der spanische, häufig mit rassistischen Vorfällen zu kämpfen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Premierminister Renzi (links) mit dem Nationalmannschafts-Trainer Prandelli.

So wie schon öfter Hashtags gekapert und ins Gegenteil gekehrt wurden, zum Beispiel #SignsYoSonIsGay mit homophoben Äußerungen, haben Dani Alves und das Internet die Banane symbolisch umgekehrt: vom Symbol für Rassismus zum Zeichen dagegen. Jetzt hat die Solidarität mit Betroffenen von Rassismus ein Zeichen mehr, mindestens im Fußballstadium. Bisher sah man dort höchstens mal Anti-Rassismus-Armbinden.   

Erst am vergangenen Wochenende haben mehrere Tausend Gegendemonstranten einen Aufmarsch von etwa hundert Neonazis in Berlin-Kreuzberg verhindert. Bei Alves kamen auf einen rassistischen Bananenwerfer gleich Hunderttausende virtuelle Gegendemonstranten.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Es muss nicht mal eine Banane sein, um bei der Solidaritäts-Aktion für Dani Alves mitzumachen.

Im Profifußball, oder generell im Profisport, wo internationale Transfers seit jeher üblich sind, scheint Rassismus noch unsinniger als sowieso schon. Aber leider gehört er zum Alltag, das sah man erneut in dieser Woche in den USA: Am Wochenende wurde gemeldet, dass Donald Sterling, Besitzer des NBA-Teams L.A. Clippers, seine Geliebte ermahnt haben soll, nicht öffentlich zu machen, dass sie ihre Zeit mit Dunkelhäutigen verbringe, oder Schwarze zu seinen Spielen mitzubringen. Beim Spiel am Sonntag trugen die Spieler als stillen Protest deshalb ihre Clippers-Trikots verkehrt herum, die meisten trugen außerdem während des Spiels schwarze Armbänder und Socken.

Humor zu beweisen, wie Alves es getan hat, ist stärker, als Bananen auf die Tribüne zurückzuwerfen,  sichtbare Solidaritätsbekundungen sind wirkungsvoller, als sich über Rassismus aufzuregen. Denn eines hat der Alves-Vorfall schon jetzt bewirkt: Wenn rassistische Fußballfans in Zukunft Bananen werfen, wird dieses Zeichen nie wieder die Macht haben, die es bisher hatte.


+++

Der FC Villarreal hat dem Bananenwerfer übrigens die Vereinsmitgliedschaft entzogen und ein lebenslanges Stadionverbot ausgesprochen. Mehr dazu auf SZ.de


Text: kathrin-hollmer - Screenshots: Twitter, Instagram

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