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Wozu weg?

Text: anou
Auf einmal ist es leicht, allein zu sein. Statt Wehmut spüre ich die Zuversicht, bei mir zu sein. Bei-mir-Sein: Was mich beschäftigt sind nicht Gedanken an Zurückgebliebene. Die, die ihre dreckige Wäsche in meiner Maschine waschen und Blumen in die Vase stellen, die ich dem thailändischen Restaurantbesitzer abgekauft habe.

Ich will reisen und woanders leben. Richtig Arabisch lernen, denke ich, das sollte ich wirklich tun. Und scrolle schon durch meine facebook-Freundesliste: Hast du ein Zimmer frei?

Nostalgisch werde ich im Bus nach Wien. Die Fahrt erinnert mich an Israel, wie oft bin ich da eingestiegen, um vor der Enge in Jerusalem zu fliehen. Doch statt Tel Aviv treffe ich R. wieder. Was für eine Ironie: Die alte Freundin in der neuen Stadt, die Fahrt durch unbekannte Wälder, doch das Gefühl, als wäre es ein Teil von mir.

Ich bin frei, denke ich, und meine unabhängig: Jung, mutig und gesund. Ich muss kein Haus mehr bauen. Irgendwann erbe ich das meines Vaters.

Neulich stand ich in der großen Halle, lichtdurchflutet und pompös. Alt-ehr-würdig, hallte mir im Ohr. Mit meinem ersten Zeugnis könnte ich hier studieren. Behütet, überschaubar. Das einzig Fremde ist das Bayerisch, das in meinen Ohren perlt.

Nur: Dass ich Angst habe zu werden wie ganz viele. Auf der Suche nach der langen Liebe, einer schönen Wohnung, einem schicken Lampenschirm. "Malaysia war schon ein Kulturschock"-sagend mit Laugenstangerl im Mund. Aber bitte ohne Salz.

Bestimmt finde ich das irgendwann gut. Und vergesse, dass es möglich ist, auf Häuserdächern Hütten zu errichten und die erste zu sein, die die Morgensonne sieht. 

Und wenn es sich auch nur so anfühlt. Was auch immer man fühlt, ist wahr.

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