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Der allmächtige Herr Rauschebart möchte mit dir befreundet sein

Text: matesino

What if god was one of us? Just a slob like one of us? Joan Osborne



Am ersten Tag blickt Gott auf seine Schöpfung. Er sieht junge Menschen in viel zu engen Jeans, abgewetzten Turnschuhen, Hölzfällerhemden, riesigen Kunststoffbrillen und noch riesigeren Kopfhörern. Sie starren auf ein rechteckiges Gerät in ihren Händen. „Will auch haben“, denkt Gott. Er geht in den nächsten Apple-Store und kauft sich ein iphone.



Dann meldet er sich auf Facebook an. Der Name Gott ist schon belegt. Also nennt er sich „Der allmächtige Herr Rauschebart“. Als Profilfoto wählt er ein Selfie von sich auf dem Berg Sinai. Er sieht, dass es gut ist. Ellen Degeneres gefällt das. Es wird das meist geteilte Foto in der Geschichte des Internet.



Am zweiten Tag errichtet Gott einen Twitter-Account. Der Benutzername Gott ist schon belegt, also nennt er sich „Gott 23“. Sein erster Tweet „Himmlische Zeit am Tag des Herrn #Gott. Wie war euer WE, meine Lämmchen?“ Sebastian Vettel antwortet: Fuhr die ganze Zeit im Kreis. Gott antwortet: LOL.



Auf Facebook ist er nun mit Xavier Naidoo, Moses Pelham und Vater Abraham befreundet. Nietzsche verweigert ihm die Freundschaft. „Für mich bist du tot“, schreibt er Gott in einer PM.



Am dritten Tag hat Gott bereits eine halbe Milliarde Follower und Freunde auf Facebook. Sekündlich werden es mehr. Ständig aktualisiert er seinen Browser, weil er süchtig nach Retweets und Likes wird. Jesus schüttelt den Kopf: „Als brennender Dornbusch warst du mir lieber.“



„Schweig, wenn dein Vater chattet oder mein Shitstorm wird über dich kommen “, sagt Gott und postet auf Facebook ein Video, in dem er eine Flasche Vodka auf ex trinkt. Er nominiert Mohammed, Buddha und Charlie Sheen, es ihm gleich zu tun. Charlie Sheen gefällt das.



Der Papst kommentiert das kritisch: „In Afrika sterben Kinder und du postest so einen Scheiß.“ Gott kommentiert das mit: YOLO. Er löscht den Papst von seiner Freundesliste.



Am vierten Tag entdeckt Gott „Whatsapp“ für sich. Er eröffnet einen Gruppenchat und ändert das Thema in „Das letzte Abendmahl – Die Rückkehr des Königs“. Er lädt Jesus, den heiligen Geist und die zwölf Apostel zum Essen ein.
„Ihr besorgt das Fleisch, Jesus kümmert sich um den Wein“, schreibt er.“ Judas verlässt die Gruppe, woraufhin Gott ihn von seiner Freundesliste löscht.



Auf Facebook postet Gott das Slam-Video von Julia Engelmann mit den Worten: „Das Anagramm von Glück ist zwar nicht Mut, sondern Ckülg, trotzdem cooler Text.“ Julia Engelmann und Jan Böhmermann gefällt das.



Am fünften Tag checkt Gott über Foursqaure bei Abercrombie & Fitch ein. Er tauscht seinen weißen Schlafanzug und die Sandaletten gegen viel zu enge Jeans, abgewetzte Turnschuhe, Holzfällerhemd, eine riesige Kunststoffbrille und noch riesigere Kopfhörer. Seinen Bart lässt er stehen. Manche verwechseln ihn nun mit dem Typen aus der Edeka-Werbung. Das findet Gott supergeil. Er hört Marteria und singt nickend mit dem Beat: Oh mein Gott, dieser Himmel, wie komm ich da bloß rein?



Aus Langeweile postet er auf Facebook ein Babyfoto von Jesus. Überschrift: „Der süßeste Junge der Welt. Konnte schon mit neun Monaten übers Wasser laufen.“ Maria und Josef gefällt das. Vater Abraham kommentiert das mit: Würg, keine Sau interessiert sich für deine Babyfotos. Gott löscht Abraham von seiner Freundesliste und fordert Günther Jauch zum Quizduell auf. Es endet unentschieden.



Am sechsten Tag fühlt sich Gott einsam und meldet sich bei muenchnersingles an. Der Name Gott ist schon belegt, also nennt er sich „Der_Schöpfer“. Sein Introtext: Allmächtiger Herr sucht kultivierte Jungfrau für unbefleckte Empfängnis. Er bekommt gleich zwei Nachrichten. Die erste von Engelchen_34: Du willst doch nur poppen, du Lustgreis. Die zweite von Ich_machs_mit_jedem: Wie viel zahlst du?



Es meldet sich aber auch eine Nette: Venus vom Mars. Sie chatten den halben Tag und reden über – Gott und die Welt.



Auf Facebook ändert Gott seinen Beziehungsstatus in „in einer Beziehung mit Venus vom Mars“. Seiner Mutter gefällt das.



Eine halbe Stunde später treffen sich Venus und Gott auf Wolke sieben. Es endet im Desaster. „Du Arsch, du starrst nur auf dein iphone und hast keine Augen für mich. Und was sollen diese Riesen-Kopfhörer? Du siehst aus wie ein Idiot. Es ist aus.“ Sie knallt die Himmelstür zu und stöckelt in ihren High Heels davon. Beinahe rutscht sie auf einer Schlange aus.



Gott schreibt ihr per Whatsapp: Sry und XOXO. Vergeblich. Venus ist online, aber antwortet nicht. Gott twittert: „#VenusvomMars, du fiese Bitch. Gottes Vergebung wird nicht jedem widerfahren“ Daraufhin bricht ein Shitstorm über ihn aus. Er verliert alle seine Follower an Justin Bieber.



Auf Venus´ Pinnwand postet er „Wahnsinn, warum schickst du mich in die Hölle?“ Dem Teufel und Wolfgang Petry gefällt das. Venus nicht. Sie ändert ihren Beziehungsstatus in „in einer Beziehung mit Lothar Matthäus“ und löscht „den allmächtigen Herr Rauschebart“ von ihrer Freundesliste.



Gott realisiert, dass die virtuelle Welt nicht real ist. Er löscht seinen Twitteraccount, löscht Whatsapp und wechselt zu Threema, schreibt als letzten Pinnwandeintrag „Fuck Facebook and live life“. Niemand gefällt das.



Am siebten Tag ruht der Herr, sprich er ist offline, weil eine Gewitterwolke sein WLAN blockiert. So verpasst er das Video von Charlie Sheen, in dem der 2 Flaschen Vodka auf ex trinkt. Amen.



matysplanet.com

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