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März-Erkenntnisse.

Text: jottpunkt

Manchmal braucht es eine Zeit, bis man merkt, dass das, was man getan oder gesagt hat, nicht fuchtbar dumm, sondern furchtbar mutig war, weil das nicht jeder kann und weil das nicht jeder macht, nicht so, jemandem sein Herz auf’s Butterbrot schmieren und auf einem Silbertablett servieren, mehr zeigen, als Nacktheit es je könnte, sich ausziehen vor jemandem, emotional, und sagen, “Hey, übrigens – ich mag dich, ein bisschen zu sehr vielleicht, und eigentlich auch schon ein bisschen zu lange und ich hatte gehofft, dass du – dass wir – dass ich dir etwas wäre. Mehr als die anderen. Oder wenigstens mehr als nichts. Mehr als irgendwas.”



Manchmal merkt man erst später, dass das nicht jeder schafft, die unsortierte Erinnerungsschublade mit den Schnippseln und Fetzen geteilter Momente und ausgetauschter Worte vor sich aufzutürmen und auszuschütten und alles noch mal durchzuarbeiten, ein bisschen so wie Carrie in “Homeland”, nur, dass man sich selber gleichzeitig  auch der Saul sein muss, der das alles ordnet, der ein bisschen auf Abstand geht und das Muster darin sieht, damit man am Ende alles aufgereiht vor sich hat: Das, was man dachte und machte, wann und warum, die Fakten und Indizien, die man zu haben glaubte. Das alles liegt irgendwann in einer seltsamen Chronologie vor einem und dann, endlich, wenn das Chaos Struktur bekommen hat, kann man es auch jemand anderem, dem anderen, hinlegen und sagen, “Schau, so hat das angefangen. So war das. Daraus folgte dann, dass… Und hier und da gab es Lücken, in denen ich nicht wusste, was du… Und jetzt ist das so. Für mich. Jetzt sind wir hier.”



Manchmal begreift man erst im Nachhinein, dass das etwas Gutes ist und etwas Großes, wenn man sich aufmacht, wenn man ehrlich ist, wenn man die Spiele nicht mehr mitspielen möchte, weil man merkt, dass die Regeln blöd und unfair sind, falls es überhaupt so etwas wie Regeln gibt oder jemals gegeben hat in diesem Erwachsenenzeitvertreib, in den man hereingestolpert ist und in dem man alles auf eine Karte setzt, dabei aber nur sehr selten mit offenen Karten spielt oder auf jemanden trifft, der eben das macht. Manchmal verliert man dann: Das, was man hatte; das, was man hat oder zu haben glaubte; und das, was man nicht hatte und nun natürlich erst recht niemals haben wird. Manchmal merkt man das zu spät und unterschätzt den Einsatz, die Konsequenzen und die Bedeutung, die man dem Ganzen zugemessen hat.



Manchmal, wenn man dann verloren hat, ist es unmöglich, den Leuten zu verstehen zu geben, dass sie weder etwas machen müssen, noch etwas tun können, nur, weil es einem deswegen nicht gut geht. Weil man manche Dinge auch einfach mal nicht gut sein lassen muss, für eine Weile. Weil es ganz normal ist, dass einen das stärker trifft als alles andere, weil es einem ja auch wichtiger war als alles andere. Manchmal braucht es ein bisschen, bis man sich selbst dann wieder findet, gut findet und zurecht findet, bis man sich selbst wieder im Spiegel angucken mag, ohne sich für den schrecklichsten Menschen der Welt zu halten, und bis man daran glaubt, dass das alles so okay war und ist und sein wird. Dass das alles passt oder passen wird, irgendwann. Für irgendwen. Und im Zweifel eben wenigstens für einen selbst.



Manchmal ist es so, dass es noch ein bisschen schmerzt, aber nicht mehr ständig. Manchmal ist es so, dass es Zeit braucht, aber nicht für immer. Und manchmal merkt man, dass alles langsam wieder gut wird, so wie jetzt.

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