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Kosmoshörer, Folge 6

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Montag  

Die Woche beginnt mit einem absoluten Knaller. Am Sonntag habe ich auf dem Flohmarkt einen großartigen Fund gemacht – ein Geschenk für die Freundin mit dem Faible für ausgefallene Plattencover.

Andy Gibb – After Dark.   

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Zum Aufstehen höre ich mir das Schmuckstück endlich an. Eine schnelle Googlerecherche ergibt, dass Andy der jüngere Bruder von den BeeGees ist und mit Textzeilen wie "I’ve been watchin' you all evenin' with the teardrops in your eyes. And it touches me much more than I can say" schleicht er sich sofort in mein Herz. Eigentlich hatte ich die Platte aus Quatsch gekauft, aber dem Siebziger-/Achtzigerjahre-Charme dieses haarigen, gut frisierten jungen Mannes kann ich mich nur schwer entziehen.  

http://www.youtube.com/watch?v=DI2gnIdM4Es  

Leider bleibt abends nicht so viel von der morgendlichen Euphorie übrig. Ich komme von der Arbeit und habe schlechte Laune. Brauch 'nen elektronischen Seelenstreichler!  

http://soundcloud.com/parraforcuva/loco-weare-fading-parra-for  

Dienstag  

Aufbruch: Ich fahre zu Besuch in eine andere Stadt. Während die karge ostdeutsche Landschaft an mir vorüberzieht, spielt mein kaputter MP3-Player Dry and Dusty von Fever Ray. Seit das Display nicht mehr funktioniert, ist es jedes Mal eine Überraschung, welches Lied als nächstes kommt. Und dieses Mal ist das zum Glück die heimliche Hymne meiner Rumänienreise im letzten Sommer, die ich auch dort immer im Zug gehört habe.

http://www.youtube.com/watch?v=J3PPOuuep7Q  

In der Stadt angekommen, ist der Rest des Tages natürlich Andy Gibb gewidmet, schließlich muss das Geschenk gebührend gewürdigt werden.    

Mittwoch  

Beim Duschen höre ich im Radio die vernichtende Kritik eines Dradio-Redakteurs über die Soloplatte des Incubussängers. Ich kenne weder diesen Typen, noch diese Band, aber amüsiere mich über den Vergleich: "Seine Musik ist wie Eierlikör, sie geht gut runter, aber davon wird einem auch sehr schnell schlecht." Ich stimme zu und übertrage den Satz in Gedanken auf Andys Herzschmerzplatte.  

Zum gemütlichen Frühstück in der sonnendurchfluteten Küche plätschert dann eine angenehm entspannte Neuentdeckung im Hintergrund: Nova fliegt zum Mond.

http://vimeo.com/60880065  

Donnerstag  

Weiter geht’s heute mit der deutschen Musik. Morgens stöbere ich in der Küche meiner Freundin und finde eine alte CD, die unsere Schulhofzeiten bestimmt hat: Die Raketen. Wir durchforsteten damals die Musikläden nach CDs mit interessanten Covern und machten die ein oder andere wirklich gute Entdeckung. Das hier ist eine davon:  

http://www.youtube.com/watch?v=ETmcmLy4UG8  

Freitag  

Die Tage in der anderen Stadt vergehen wie im Fluge. Morgens fahre ich immer mit dem Fahrrad zur Unibibliothek und bemühe dafür meinen ollen MP3-Player. Während die geliebte Stadt an mir vorüberzieht liefert er mir den perfekten Soundtrack:

Sun Ra – Lanquidity.  

http://www.youtube.com/watch?v=y3sa-5_rPm0  

Der Abend ist geprägt von langen Gesprächen über Politik und den immer gleichen fünf Liedern von Sophie Hunger, die in Endlosschleife laufen. Eines davon fällt mir während der Diskussion immer wieder auf. Ihr wunderbares Cover von Noir Désir:

Le vent nous portera.  

http://www.youtube.com/watch?v=AyUp1rnv7rY  

Samstag  

Manchmal wache ich auf und habe sofort eine Melodie im Kopf, die mich dann im Verlaufe des Tages so lange quält, bis ich sie mir endlich anhöre. Heute ist das aus unerklärlichen Gründen ein Lied von einer russisch-ukrainischen Band, die ich vor ein paar Monaten beim Russischlernen entdeckt und seitdem auch nicht mehr gehört habe: Вода von 5Nizza. Zwischen Korrekturlesen und Borges-Geschichten-Wälzen durchforste ich Youtube nach ihren Liveperformances und bin ziemlich begeistert.  

http://www.youtube.com/watch?v=y88BUnimjGY    

Sonntag  

Wieder wird auf Deutschlandradio Mainstreammusik gedisst. Andreas Müller (der gleiche Rezensent wie Mittwoch?) redet über die deutschen Charts und sagt: "Wolfgang Petri ist so einer, der sagt: 'Ich hab' Bock auf Rock.' Und seine Musik klingt ungefähr so, wie die Jungsumkleide von Neuntklässlern riecht." Ich bin mir nicht sicher, ob seine sprachlich ausgeklügelten Analogien mich nicht zu einem ähnlichen Vergleich anregen.  
Dafür liegen alle seine Sympathien bei Platz 6 der Deutschen Charts: Dem neuen Album von The Notwist – was ich nur sehr unterstützen kann.  

http://www.youtube.com/watch?v=qOOB8q8pX88  

Am Nachmittag zu Besuch bei meiner Großtante, die erzählt, dass sie seit ihren 15 Jahren Arbeit an der Oper zu Hause einfach nur die Stille genießt. Sie hört in ihrer Freizeit nie Musik, ihre Wellensittiche zwitschern leise im Käfig.

Auf der nächsten Seite: Der ausgefüllte Musik-Fragebogen von better_dressed. 




"Gute Musik” - was ist das für dich?  
Wo Herz und Hirn sich treffen. Und Spontanität und Einfallsreichtum und keine Angst vor Fehlern.  

Wie hörst du Musik: Klassisch im CD-Spieler, auf dem Handy, über Streaming-Portale?
Ich liebe das Geräusch der kratzenden Nadel auf der Vinylscheibe. Das ist für mich grad das Höchste aller Gefühle. Ansonsten gilt morgens mein erster Griff in der Küche dem Radioknopf, der mir DeutschlandradioKultur einschaltet. Alles andere kommt von iTunes oder Soundcloud.  

Wo hörst du Musik? Vor allem unterwegs, nur daheim, zum Einschlafen?
Dauerbeschallung ist mir ein Graus. Ich höre Musik demzufolge meistens zu Hause oder auf Konzerten. Im Hintergrund beim Abendessen oder beim Abwasch darf gerne Tom Waits laufen, sonst will ich Ruhe und Konzentration. Das klappt übrigens auch sehr gut auf langen Zugfahrten durch schöne Landschaften.  

Hast du eine Lieblingsband oder Musiker, von denen du alles hörst?
In den letzten Jahren hat sich meine Künstlerverehrung vor allem in exzessiven Phasen manifestiert, in denen ich zuerst wirklich alles auf Youtube erhältliche Material in Dauerschleife höre und dann irgendwann die Platte erwerbe. Danach kann ich die Künstler dann in der Regel erstmal ein dreiviertel Jahr lang nicht mehr hören und die Platte verstaubt im Regal. Es gibt jedoch ein paar Musiker, bei denen das nicht so läuft, und der wichtigste davon ist Conor Oberst. Den höre ich schon lange und entdecke immer noch Neues auf seinen (sehr vielseitigen) Alben. Auch hier kommt meine Begeisterung meistens in Phasen, aber seine Melodien und Texte sind in meinem Kopf, auch wenn ich die Musik ein halbes Jahr lang nicht aktiv höre.  

Welche Musik magst du gar nicht und warum?
Vielleicht Metal. Halt alles, was zunächst chaotisch und laut und aggressiv für die Ohren anmutet. Wobei ich da nicht so pauschal wäre – in bestimmten Situationen (z.B. Konzerten) kann ich mich eigentlich auf alles einlassen (und ich war auch schon mal auf einem Metalkonzert).  

Was war deine erste eigene Platte - und wohin ging dein Musikgeschmack von da aus?
Hmm, irgendwo dunkel schwirren bei mir auf jeden Fall die Backstreetboys herum, aber die habe ich höchstwahrscheinlich nicht selbst gekauft (kann aber immer noch alles mitsingen). So richtig einen Musikgeschmack zu entwickeln begonnen habe ich mit „By the Way“ von den Red Hot Chili Peppers, die ich an warmen Sommertagen auf dem Schulhof rauf und runter hörte. Von da an ging es zielstrebig über die Indie-Schiene (Strokes), die Smashing Pumpkins und Bright Eyes hin zu dem, was ich jetzt mag: Jazz, Folk, Hiphop, Elektronisches aller Art... Ach, ich mag das jetzt gar nicht in Kategorien ordnen.  

Gehst du gern auf Konzerte, und auf welche zuletzt?
Jedes Jahr an Pfingsten gehe ich mit Freunden aufs moersfestival in Nordrhein-Westfalen. Festival für experimentelle Jazzmusik im weitesten Sinne. Das sind mir die liebsten Konzerte: Wo etwas passiert, wo Musiker live miteinander improvisieren. Wo man sich angucken kann, wie Musik entsteht. Mein letztes Konzert war in einem kleinen russischen Theater in Berlin, ein skurriles Konzert der Gruppe The Real Baba Dunyah mit höchstens 20 Zuschauern. Begeisterung! Aber man muss sie echt live sehen.   http://www.youtube.com/watch?v=BwAONiLK1BA 

Wie entdeckst du neue Musik und was ist deine neueste Entdeckung?
Meistens durch FreundInnen, auf langen Abenden mit Bier und Wein, aber auch über das moers, das Radio und Soundtracks. Und über die jetzt-Mixtaperunde hab ich einiges Schönes entdeckt. Meine Lieblingsneuentdeckung ist auf jeden Fall Soap Kills, die Band von der libanesischen Sängerin Yasmine Hamdan, die in Jim Jarmuschs neuem Film einen großartigen Auftritt hat.          

Verrate uns einen guten Song zum...    
Aufwachen:
Soundproviders ft. Maspyke – The Throwback
http://www.youtube.com/watch?v=YhOG0s-qWfs  

Tanzen:
Grimes – Genesis
http://www.youtube.com/watch?v=1FH-q0I1fJY   

Traurig Sein:
Soley – Blue Leaves
http://www.youtube.com/watch?v=9EcHYB_hr_4    

Sport:  
nix      

Als nächsten Kosmoshörer wünsche ich mir:
robstar3001, weil er mir die besten Mixtapes gemacht hat. Und no_twist. Aus dem gleichen Grund.

Möchtest du auch Kosmoshörer werden und deine Musik-Gewohnheiten dokumentieren? Dann schreib eine jetzt-Botschaft an teresa-fries oder eine Mail an teresa.fries@sueddeutsche.de!

Text: jetzt-redaktion - o.H.

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