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Die Diktatorin und das Meedchen: Schnitzeldiät

Text: klinsmaus

Die Diktatorin konnte gut rechnen, sie war konsequent und leicht grausam. Das Meedchen hingegen war ziemlich emo. Es mochte Süßigkeiten und Knutschen, leider war es ein bisschen dumm. Eigentlich konnten die Diktatorin und das Meedchen sich nicht ausstehen, dummerweise waren sie gezwungen, miteinander auszukommen – mussten sie sich doch beide denselben Körper teilen: Sabrina.



„So kann es nicht weitergehen", sagte die Diktatorin zu sich selbst. „Wir müssen etwas anderes finden." Nein, wirklich, das Meedchen konnte nicht jeden Tag ein Schnitzel mit Kartoffelsalat essen und einen Becher Bratensoße trinken, bevor es zur Arbeit fuhr. Schon in der ersten Woche hatte es drei Kilo zugenommen, war unkonzentriert und fing an, schlecht aus dem Mund zu riechen. Dass das widerwillige Meedchen sich alles nur reinzog, wenn es als Nachspeise ein Cupcake mit Glitzer oder Himbeershake bekam, machte die Sache nicht besser. So konnte das nicht weitergehen, bloß waren Schnitzel und Bratensoße das Einzige, was half.



Nur mit vollem Schnitzelmagen hörte das Meedchen auf, an Daniel zu denken. Und nur, wenn das Meedchen das irgendwie bekam, hatten die Diktatorin und das Meedchen noch eine Chance. Das hier war der dritte Job in zwei Jahren. Gerade erst hatte die Dikatorin Ablagefächer in DIN lang durchgesetzt und die Optimalposition für ihr preisgekröntes Druckmaschinen-Modell berechnet. Sie hatte ihren Mitarbeitern das distanzlose „Büro-Du" untersagt und sichergestellt, dass „Drucktechnik" zuerst in ihre anthrazitfarbene Ablage gelegt wurde, bevor die anderen Ingenieure ihn einsehen konnten. Ein Frischgemüse-Caterer brachte ihr täglich um 12 Uhr vier Stangen Sellerie. Die Diktatorin wollte nicht umziehen. Doch das war dem Meedchen nicht zu vermitteln.



Es hatte sich Daniel in den Kopf gesetzt. Als Print Unit Manager Europe war der der unmittelbare Vorgesetzte der Diktatorin. Daniel trug eine große Brille und brachte immer Luxuskekse für alle mit. Er war groß und schlank und homosexuell. Steckte berufliche Todessehnsucht dahinter? – Das Meedchen interessierte das auf jeden Fall nicht weiter. Wenn Daniel über Absatzprobleme jammerte oder – was regelmäßig vorkam – über der Weltwirtschaft verzweifelte, fand das Meedchen das niedlich. „O Gottogott, was machen wir nur?", rief Daniel aus, raufte sich die wuschligen Haare und wurde verliebt vom Meedchen angeblinzelt. Erst nach der fünften Kopfnuss hörte es auf zu kichern. Manchmal musste die Diktatorin es dafür auch an den Ohren aus dem Konferenzraum ziehen. „Aua", quiekte das Meedchen dann.



Schaute die Diktatorin nicht hin, recherierte es Daniel-Fakten. Schon nach kurzer Zeit wusste das Meedchen Daniels Schuhgröße, seinen Abischnitt und hatte Fotos von seinem ersten Pfadfinderferienlager organisiert. Begeisterte erzählte es davon, dass Daniel einen Heiligenschein und blauen Ganzkörperschlafanzug besaß und einen Wecker auf seinem Nachttisch hatte, die weglief, wenn man draufhaute. Hihihi. Die Diktatorin wusste sich nicht anders zu helfen, als Facebook auf die Liste der gesperrten Seiten zu setzen. Die Protestsitzung, die die anderen Ingenieure daraufhin einberiefen, dauerte drei Stunden und viele dumme Andeutungen lang. „Ich habe Probezeit, du Idiotin!", brüllte die Diktatorin. Eigentlich sah ihr Karriereplan vor nach drei Monaten Daniels Job zu übernehmen. Wutentbrannt googelte sie nach Knebeln und Tauen. Wenig später ertappte sie das Meedchen dabei, wie es eine Kamera an Daniels Computer installieren wollte.



Also Schnitzeldiät. Das Meedchen hatte es nicht anders gewollt, fand die Diktatorin. Aber dann wurde das Meedchen so fett und die Diktatorin so unkonzentriert. Es half nichts: Die Diktatorin musste das Meedchen loswerden. 

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