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Adventskalendergeschichte: Das Lächeln des Rentieres (Tor 19)

Text: petol
Eine Weihnachtsgeschichte in 24 Teilen. Fast so glücklich machend wie Schokolade, aber dafür kalorienarm.

24.12.2013 | 08:00 Uhr
Norman überlegt sich, keine Unterhose anzuziehen. Überhaupt überlegt er, gar nichts drunter zu ziehen. Niemand würde vermuten, dass ein Weihnachtsmann, der einem im Supermarkt freundlich eine frohe Weihnacht wünscht, unter seinem Gewand nackt ist.
Heute ist sein letzter Arbeitstag. Bis zum späten Nachmittag muss er das Aushängeschild der Feiertage mimen, ehe für ihn nach Ladenschluß Weihnachten offiziell vorbei ist. Ein besonderer Kniff wie versteckte Nacktheit könnte den letzten Tag interessanter gestalten, doch er entscheidet sich dagegen – es sind schließlich Kinder unterwegs. Er wird nach Dienstende einen Elferkasten Bier mitnehmen und daheim unendlich viel Schokolade und anderen Weihnachtssüßkram vertilgen, bis ihm schlecht wird.
Mit ca. zwei Litern schwarzen Kaffee gestärkt steht Norman vor dem Spiegel und kontrolliert seine Verkleidung. Er hat an alles gedacht; Bart, Sack, Lesebrille, der rote Mantel, Stiefel und das kleine Namensschild vom Kaufhaus, wo „Weihnachtsmann“ draufsteht – damit auch der letzte Idiot weiß, worum es geht. Er denkt kurz an einen seiner Lieblingsfilme und sagt zu seinem eigenen Spiegelbild: „Redest Du mit mir? Du musst mich meinen, ist schließlich kein anderer da.“ Einen Atemzug später streckt er seine Brust raus und verkündet laut ein weiteres Zitat eines anderen Films: „Ja, sie mögen uns das Leben nehmen, aber niemals nehmen sie uns ... UNSERE FREIHEIT!“
Die letzten zwei Worte ruft Norman so laut, dass er sich ein wenig dafür schämt. Er lässt von seinem Spiegelbild ab und will sich auf den Weg ins Kaufhaus machen, als er aus dem Augenwinkel seine Gaspistole im Regal liegen sieht. Er packt sie ohne zu überlegen in den Sack und verlässt die Wohnung.



Zum bereits dritten Mal trällert die Erkennungsmelodie des „A-Teams“ aus Daniels Handy. Doch dieser strengt sich enorm an, das Gedudel zu ignorieren. Anstatt ans Telefon zu gehen, flucht er lieber gähnend herum: „Gott, was soll das!? Es ist noch viel zu früh!“
Daniels Gemecker bringt nicht viel, denn plötzlich wird der Klingelton durch die Türklingel verstärkt. Aufgescheucht durch den Lärmterror schmeißt sich Daniel was über und geht fluchend zur Türe: „Wenn das die Zeugen sind, dann ist hier was los...“.
Er öffnet und vor ihm steht Marie. Sie ist beladen mit Brötchen und offensichtlicher guten Laune.
„Hi!“ strahlt sie.
„Ist heute irgendwas besonderes?“
„Hallo!? Heiligabend?“
„Fuck!“
„Ich freue mich auch, Dich zu sehen!“ Marie drückt ihm einen Kuss auf und sprintet an ihm vorbei Richtung Küche. Daniel trottet hinterher; er ist froh, dass seine Freundin ihn so überrascht. Außerdem hofft er, dass er seine Browserhistory am PC gelöscht hat.
„Die Brötchen sind noch warm … und ich dachte, ich helfe Dir ein wenig.“
„Was? Wieso? Wobei?“
„Dir fehlt doch noch ein Geschenk für meine Mom, oder?“
Diese Problematik hatte Daniel bis zu diesem Augenblick noch verdrängen können. Jedoch wollte er nicht einfach so zugeben, dass es ihm ernsthafte Sorgen bereitet.
„Ach, weißt Du … Ich habe da schon viele Ideen. Alles halb so wild!“ sagt er und versucht dabei enorm entspannt zu wirken. In derartigen Momenten wünscht er sich eine Sonnenbrille herbei.
„Und was ist das hier? Opfergaben für Ruth, hm?“
Sie hält die nahezu leere Geschenkliste für Ruth, ihre Mutter, in der Hand. Daniel fällt keine gute Ausrede ein und grinst Marie nur hilflos an.
„Wir schauen gleich mal, Schatz. Ich weiß schon, was ihr gefallen würde“, beruhigt sie ihn. „Aber zuerst … Brötchen!“
Daniel ist sichtlich erleichtert. Mit der Hilfe seiner Freundin wird es gewiss gelingen, einen guten Eindruck bei ihren Eltern zu hinterlassen. Während die beiden sich dem Frühstück widmen, zückt Marie ihr Handy und tippt schnell was ein. Wenige Sekunden später ertönt ein Nachrichtenton. Marie liest vor: „Schöne Grüße von meiner Mutter. Sie freut sich auf uns!“
„Oh, schön. Ja, ich mich auch. Hat sie sonst noch was geschrieben?“
„Sie findet Deine Liste mit den Opfergaben total lustig.“
„Was!? Du hast das doch nicht geschrieben, oder?“
„Doch, warum nicht? Ist doch witzig.“
Daniel schluckt. Er hat sich noch nie so sehr auf eine Shoppingtour mit seiner Freundin gefreut.



Fortsetzung folgt.

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