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Adventskalendergeschichte: Das Lächeln des Rentieres (Tor 10)

Text: petol

Eine Weihnachtsgeschichte in 24 Teilen. Fast so glücklich machend wie Schokolade, aber dafür kalorienarm.



23.12.2013 | 23.00 Uhr
Peter schleicht auf leisen Sohlen zum Gästezimmer, um nachzusehen, ob sein junger und unerwünschter Gast Malte nun endlich schläft. Eigentlich sollte er schon lange ruhen, doch Peter hört in regelmäßigen Abständen Geräusche aus dem Zimmer. Entweder läuft der Fernseher, das Radio, oder Malte singt lauthals Stille Nacht, Heilige Nacht. Es macht Peter rasend vor Wut. Malte mag Peter in solchen Momenten ganz besonders.
„Malte...? Schläfst Du endlich?“ fragt Peter leise durch den Türschlitz.
„Na toll.“ antwortet Malte munter.
„Was? Du schläfst immer noch nicht!?“
„Du hast mich geweckt. Ich schlief bereits.“
„Verdammt!“
„War nur Spaß, Peter. Ich bin viel zu aufgeregt, um zu schlafen.“
„Wieso aufgeregt? Ich glaube, ich habe noch irgendwo Baldrian..“
„Mensch, morgen gibt es Geschenke! Und wir kaufen einen Baum und lauter Sterne … Und Schokolade! Ich freue mich sehr auf morgen.“
„Was? Wieso? Steht was Besonderes an?“
„Peter! Mama hat mir gerade noch am Telefon gesagt, dass du mir Weihnachten nicht vermiesen sollst. Wir werden morgen feiern!“



Hat sie tatsächlich gesagt. Peter rief seine Schwester Petra an, um zu fragen, wie es ihr geht und wie man „das überhaupt so macht“. Also „Weihnachten feiern“. Petra diktierte nach einem zehnminütigen Lachflash eine kleine To-Do-Liste. Den Rest müsste er via Internet und Film & Fernsehen selbst heraus finden. Oder er macht sich die Mühe und erinnert sich einfach an seine eigene Kindheit.
„Malte, du musst nun wirklich schlafen. Wir haben morgen viel vor. Wir gehen am Heiligen Abend einen Baum kaufen. Das ist schon wahnsinnig genug.“
„Peter? Warum magst Du Weihnachten eigentlich nicht?“ fragt Malte.
„Weil Rentiere stinken“, winkt Peter ab.
„Du lügst!“
„Nein, wirklich. Rentiere stinken schrecklich. Hast Du schon mal an einem gerochen?“
„Nein, habe ich nicht.“
„Siehst Du? Sei froh drum.“
„Gibt es noch mehr Gründe, warum Du Weihnachten nicht magst?“
„Weißt Du, Malte. Ich wollte damals als Junge immer ein Motorrad. Viele Jahre hintereinander. Da war ich sogar noch jünger als Du heute. Doch ich bekam es nie. Stattdessen bekam ich ein Dreirad. Später ein Fahrrad. Sogar mit Stützrädern! Ich war ziemlich enttäuscht und traurig. Meine Eltern erklärten, dass ein Motorrad eventuell nicht durch den Kamin passen würde, oder so was in der Art. Aus Trotz hörte ich auf damit. Ich wünschte mir ab sofort kein Motorrad mehr, sondern ließ mich überraschen und nahm in Kauf, was auch immer der Weihnachtsmann anschleppte. Eines Tages, als ich erwachsen war, kaufte ich mir das lang ersehnte Motorrad. Es war an einem Mittwoch im April. Da merkte ich, dass ich Weihnachten nicht brauchte.“
„Du hast länger an den Weihnachtsmann geglaubt als ich?“
„Nein! Ach! Darum geht es nun gar nicht. Ich mag einfach dieses Getue darum nicht. Am Ende geht es doch nur um Geschenke, die man sich nie gewünscht hat, und die man nach den Feiertagen umtauschen muss.“
„Aber überall leuchten Lichter und Kerzen. Viele Verwandte schauen vorbei. Und mein Papa schickt mir jedes Jahr Weihnachten eine Postkarte. Ich freue mich darauf! Nicht nur auf Geschenke!“
„Hast Du dieses Jahr schon eine bekommen? Eine Postkarte?“
„Leider noch nicht.“
„Malte, wenn wir hier noch weiter quatschen, verpennen wir gewiss Weihnachten. Mich würde das nicht stören, aber deine Mutter reißt mir den Kopf ab.“
„Naaaaa guuuuut. Ich schlafe jetzt. Und träume von vielen großen Geschenken!“
„Träume mal lieber von wenigen kleinen Geschenken, ich verdiene nicht so gut.“



Die beiden wünschen sich gegenseitig eine gute Nacht und Peter schleicht zurück in sein Wohnzimmer, um noch mal die To-Do-Liste zu checken. Er hat keine Ahnung, wie er das morgen alles schaffen soll. Für Ausweichmöglichkeiten scheint es nun zu spät. Peter überlegt kurz, ob er Malte nicht einfach morgen im Einkaufszentrum aussetzen soll, verwirft den Plan aber in Gedanken an die Schläge von seiner Schwester wieder. Stattdessen geht er zu einem Schubfach im Wohnzimmerschrank und zieht eine unbeschriebene Postkarte mit Weihnachtsmotiv aus dem Chaos. Peter setzt sich mit der Karte an den Schreibtisch und beginnt zu schreiben.
„Lieber Mahlte, es tut mir leid, dass ich auch dieses Jahr nicht mit Dir gemeinsam Weihnachten feiern kann. Ich habe viel zu tun, aber denke sehr oft an Dich. Du bist ein prächtiger Kerl, also bleib wie Du bist. Frohe Weihnachten, Kleiner. Dein Papa.“
Peter liest den Text nochmal durch, versteckt die Karte unter der Ablage auf dem Schreibtisch und nimmt die To-Do-Liste zur Hand. Er streicht „Angebliche Postkarte von Papa“ durch und atmet schwer aus.



Fortsetzung folgt.

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