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Neue Wege für Europa?

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Laura Völkl ist 18 Jahre und studiert in Passau Kulturwirtschaft. Momentan bespricht sie mit 45 anderen Jugendlichen aus ganz Europa noch einmal das Manifest der europäischen Jugend, das sie gemeinsam mit ihnen erarbeitet hat. Ziel war es, sich mit EU-Politik und ihren Stärken und Schwächen auseinander zu setzen. Das Manifest soll Politikern, Wirtschaft und Gesellschaft Wege in die Zukunft aufzeigen. Im Manifest geht es um Menschenrechte, Arbeit und Gewalt - und für die Jugendlichen auch darum, sich besser kennen zu lernen und einen neuen, frischeren Blick auf Europa zu werfen. Initiiert wurde der ganze Prozess vom Frankfurter Zukunftsrat, einem wertkonservativen und wirtschaftsnahen Think Tank.

jetzt.de: Laura, wenn man sich die Zusammenfassung des Manifestes ansieht, findet man große Kapitel über Kultur oder Menschenrechte. Du hast dich "nur" mit dem Thema Energie beschäftigt. Hast du dich darüber geärgert?
Laura Völkl: Am Anfang habe ich mich echt furchtbar geärgert. Ich hatte es mir ja nicht selber ausgesucht, sondern wurde dieser Gruppe zugeteilt. Ich finde, das ist ein sehr kompliziertes Thema, aber man muss nicht von A bis Z erörtern, wann welches Atomkraftwerk abgeschaltet werden sollte. Uns wurde gesagt: ‚Sucht euch eine Sparte raus und macht das dann im Detail. Sucht einfach nach kreativen Lösungen.’ Und so bin ich dann auch auf mein Thema gekommen.  

Den Ausbau von sauberer und nachhaltiger Energie?
Nein, damit haben sich die beiden anderen Gruppenmitglieder beschäftigt, ein Bulgare und ein Franzose. Ich speziell habe darüber geschrieben, wie man Strom sparen kann, indem man versucht den Verbrauch an künstlichem Licht zu reduzieren.  

Und was ist dein Lösungsansatz?
Zum Beispiel der Ausbau von LED-Technologie, weil sich dadurch viele Kosten minimieren lassen und die LEDs länger laufen. Das Problem ist momentan nur, dass sie noch sehr viel kosten. Mein zweiter Punkt war, dass man nachts zum Beispiel die Werbetafeln abschaltet. Man erreicht ja ohnehin eine sehr kleine Zielgruppe in der Nacht, also könnte man es sich auch sparen. Ein anderer Punkt ist, dass man in weniger frequentierten Gebieten nur jede zweite Straßenlaterne laufen lässt. Es gibt auch schon ein paar Gemeinden in Bayern, die dadurch ziemlich viele Kosten sparen. Zum Beispiel Dorfen in Oberbayern. 

Habt ihr in der Gruppe darüber geredet, wie sehr man in so einem Manifest provozieren darf?
Nein, bei uns war es mehr eine Diskussion zwischen Deutschland und Frankreich. Deutschland soll ja komplett aussteigen. Und dann kommt der Franzose mit Gegenargumenten: ‚Naja, so gut ist das doch gar nicht und Deutschland steht damit eigentlich in Europa alleine da.“ Aber im Großen und Ganzen waren wir uns schon einig, dass etwas geschehen muss, obwohl das natürlich auch noch einige Zeit braucht. Es waren also keine kompletten Gegenpole.  

Der Zukunftsrat ist eher konservativ. Habt ihr das irgendwie zu spüren bekommen?
Es wurden uns hinsichtlich der Meinung, die vielleicht publiziert werden sollte, keine Vorgaben gegeben. Es wurde uns eigentlich kompletter Freiraum gelassen und man hat auch nicht den Einfluss der Organisatoren gemerkt, außer wenn man Fragen hatte. Da haben sie einem natürlich geholfen, aber man hat nicht gemerkt, in welche Richtung das gehen sollte. 

Die Zusammenfassung des Manifests, die ich bisher gesehen habe, ist sehr kurz und plakativ. Darin kann man nur Wünsche lesen, aber keine Vorschläge für deren Umsetzung. Gibt es in der langen Version auch Handfestes oder nur vage Visionen?
Sowohl als auch. Aber ich habe mich während des Schreibens die ganze Zeit gefragt: Wie soll das eigentlich finanziert werden? Die Ansätze sind schon gut und die Veränderungen sind auch notwendig. Aber wer soll das bezahlen? Und wie viel kostet das eigentlich? Das ist jetzt noch in vielen Kapiteln außen vor. Aber es ist natürlich auch die Frage, ob man in diesem Rahmen so richtig tief darauf eingehen muss.  

Am Samstag übergebt ihr das Manifest ja Politikern. Glaubst du, dass die Politik eure Ideen auch wirklich umsetzen möchte?
(lacht) Oh Gott! Das weiß ich nicht... Mit Sicherheit wird irgendein anwesender Politiker sagen, dass er sich das anschauen und es prüfen lassen wird. Aber der Großteil der Ideen wird bestimmt nicht umgesetzt. Aber gut, man weiß ja nie...  

Glaubst du, dass ihr so wirklich etwas mit eurem Manifest bewirken könnt?
Ich denke, es ist mit Sicherheit ein Impuls oder offenbart die Meinung, die Ansichten und Wünsche der Jugendlichen in Europa. Es wird aber nicht zu 100 Prozent Aufnahme finden, weil es dann doch an der Realpolitik scheitert.  

In einer Ankündigung heißt es, ihr wärt die neue Elite, die Zukunft Europas. Fühlt sich das für dich so an?
(lacht ungläubig) Sind wir das? Ich finde das Wort Elite generell etwas komisch. Nein, ich fühle mich überhaupt nicht so. Man sollte doch auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Ich finde es schön, dass ich dort mitarbeiten darf, aber man sollte sich bitte nicht zu viel darauf einbilden.  

Das Projekt wirbt auch stark damit, den Kulturaustausch unter den Jugendlichen voranzuteiben und euch so neue Perspektiven zu geben. Hast du davon schon etwas gemerkt?
(lacht) Ich hoffe darauf, dass das jetzt am Wochenende passiert. In den Unterhaltungen im Internet war es bisher eher nicht so. Es sind alle ziemlich weltoffen, die dieses Wochenende da sind. Und mir ist aufgefallen, dass nicht nur Länder der EU dabei sind, sondern zum Beispiel auch eine Türkin. Es ist nicht hermetisch abgeriegelt und beinhaltet nur Staaten der EU. Ich sehe es besonders als kulturellen Austausch, herauszufinden, wie andere Jugendliche denken, die nicht in den Gründer-Staaten beheimatet sind. Ich glaube, da gibt es schon noch Unterschiede im Denken.  

Weißt du denn schon, wie dein Lebensweg aussehen soll?
Ich studiere ja Kulturwirtschaft mit Spezialisierung auf den französischen Raum, deswegen will ich auf alle Fälle auch mal nach Frankreich. Ich würde aber langfristig doch gerne in Deutschland bleiben, weil dort meine Familie ist und ich gute Chancen habe, mir ein Leben aufzubauen und gut und sicher zu leben. Auch wirtschaftlich sicher. Das ist in anderen europäischen Ländern wesentlich schwieriger. Aber ich will nicht in die Politik!

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