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Asylrecht für Homosexuelle

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Als die drei homosexuellen Männer aus dem Senegal, Uganda und Sierra Leone in den Niederlanden Asyl beantragten, weil sie in ihrer Heimat Angst vor dem eigenen Staat haben mussten, war sich das oberste Gericht nicht sicher: Ist das wirklich ein Grund für das Bleiberecht? Nun hat der EU-Gerichtshof (EuGH) entschieden: Es ist. Für die drei Männer und für viele andere, die in ihren Heimatländern wegen ihrer Homosexualität strafrechtlich verfolgt werden, ist das ein einschneidendes Urteil.

Doch wie kann man nachweisen, dass man verfolgt wird? Und gilt die neue Entscheidung auch für Transsexuelle? Ein Anruf bei Franziska Vilmar, Expertin für Asylrecht und-politik bei Amnesty International.

Der Eu-Gerichtshof hat heute über das Asylrecht homo- und bisexueller Menschen entschieden. Können Sie kurz zusammenfassen, wie das Urteil lautet?
Franziska Vilmar: Der EuGH legt mit dem Urteil die Qualifikationsrichtlinie im Hinblick auf die Frage aus, wann eine Verfolgung wegen Homosexualität angenommen werden kann. Ein Verfolgungsgrund kann zum Beispiel vorliegen, wenn man zu einer bestimmten sozialen Gruppe gehört. Und der EuGH geht jetzt darauf ein, wann man das bei Homosexualität annehmen kann. Er hat bestätigt, dass man, wenn man homosexuell ist, einer sozialen Gruppe im Sinne der Richtlinie angehören kann, die möglicherweise verfolgt wird. Die Richtlinie präzisiert das, indem sie sich explizit auf die sexuelle Orientierung bezieht. Und in den Fällen der drei Männer aus Uganda, Senegal und Sierra Leone ist ja vorgetragen worden, dass es aufgrund der Strafgesetzgebung auch eine Verfolgung vorliegt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Welche Situation muss im Heimatland herrschen, damit man das Asylrecht erhält?
Hier liegt die Beschränkung. Die Verfolgungshandlung muss zunächst schwerwiegend sein oder aufgrund der Wiederholung so schwerwiegend, dass es sich um eine Verletzung der Menschenrechte handelt. Das heißt aber auch: Das bloße Bestehen von Gesetzen, nach denen homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, das reicht nicht. Zu sagen „Ich bin homosexuell und das ist in meinem Land strafbar.“. Vielmehr muss bewiesen werden, dass diese Strafe in der Praxis tatsächlich auch verhängt wird. Und das muss dann recherchiert werden. Anhand von Berichten durch Organisationen wie Amnesty International. Wir haben ja zum Beispiel gerade erst im Sommer einen ausführlichen Bericht darüber herausgebracht, in dem wir 38 afrikanische Länder untersucht haben vor genau dem Hintergrund, wie es dort mit LGBTI-Rechte steht, den Rechten für Homo- und Bisexuelle sowie Transgender. Insofern ist es wichtig, dass man dann im Einzelfall schaut: Wie sieht denn dort die Situation aus? Wie groß, wie schwer ist der Grad an Verletzung und an Verfolgung?

Es wurde ja bisher meistens nur von der sexuellen Ausrichtung gesprochen, aber nicht über die geschlechtliche Identität. Bedeutet das, Transsexuelle haben nach wie vor kein Recht auf Asyl?
Nun, sie haben nur für Homosexuelle entschieden, aber natürlich sind die Maßstäbe hier auch für Transsexuelle anwendbar. Dies ergibt sich aus dem klaren Wortlaut der Richtlinie, dass eine soziale Gruppe sich auch auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründen kann.

Besteht dann auch für Opfer von Gewalttaten die Chance auf Asyl, wenn sie nicht vom Staat, sondern von der Gesellschaft verfolgt werden, wie es häufig geschieht, etwa durch Corrective Rape?
Ja natürlich. Man sagt zwar immer, es geht um staatliche Verfolgung, aber auch die nichtstaatliche Verfolgung spielt eine Rolle, wenn der Staat sie nicht verhindern kann.

Asylbewerber müssen auch nach dem Beschluss noch ihre sexuelle Orientierung beweisen. Wie funktioniert das eigentlich?
Das ist schwierig. Auf dem Papier sieht das immer sehr leicht aus, aber im Endeffekt geht es immer um das Glaubhaftmachen all dieser Umstände. Und das ist das, was für den Einzelnen am schwierigsten ist. Zu beweisen, dass er individuell verfolgt wird und dass er homosexuell ist. Und das ist unter bestimmten Umständen besonders schwierig. Man muss natürlich sagen, warum man es unterdrückt hat, oder dass man es dann und da nicht unterdrückt hat und ertappt worden ist und dann etwas Fürchterliches geschehen ist. Das muss man mit allem, was man objektiv und auch subjektiv vorzeigen kann, nachweisen.

Das ist schwer.
Es ist nicht so leicht, wie es aussieht, oder sich so schnell dahingesprochen anhört.  

Halten Sie den Beschluss für einen großen Fortschritt oder betrachten Sie Ihn eher kritisch? Was müsste man Ihrer Meinung nach noch verändern?
Dieses EuGH-Urteil ist sicher gut und zu begrüßen und eine Sicherheit, aber natürlich auch erwartbar gewesen. Außerdem hätte sich Amnesty International mehr gewünscht. Der EuGH ist um das eigentliche Problem herumgeschlichen. Er hat die Gelegenheit nicht genutzt, klar festzustellen, dass bereits in der Strafbarkeit von Homosexualität eine Kriminalisierung der Person liegt, für das, was sie ist. Hierin hätte der EuGH bereits eine Verfolgung per se sehen müssen – völlig unabhängig davon, ob die Strafe dann auch wirklich verhängt oder vollstreckt wird.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Franziska Vilmer ist Referentin für Asylrecht und -politik bei Amnesty International.

Text: johannes-drosdowski - Bild: dpa

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