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Genug gewartet. Jetzt leben!

Text: Begunje62
Lange nichts geschrieben, viel passiert.

Irgendwann muss das Warten ja dann auch ein Ende haben. Und manchmal liegt am Ende nicht das, was man eigentlich erwartet hatte, sondern ganz neue, lebenswerte Dinge.

Ich hatte mein Ziel vor Augen: eine gute Agentur zu finden, gute Rollen zu finden, gut zu singen, gute Kritiken zu bekommen, mich gut zu fühlen. Zumindest dachte ich, dass das mein Ziel wäre und dass dies der Weg zum Erfolg sein würde.
Also fuhr ich zu Vorsingen durch halb Europa, Österreich, Deutschland, Italien, Slowenien sowieso. Und wurde jedesmal ein bisschen einsamer und fühlte mich weniger gut.

"Na, Sie sind wirklich bereit, Sie brauchen eine grosse Agentur, Sie sind aber schon fast zu alt mit 31..."

Viele Worte, wenig Taten. Ein guter Einblick in eine Welt, in der es eigentlich um "Kunst" gehen sollte, das Aussehen, das Gewicht und das Alter aber ausschlaggebend sind ob man seine Chance bekommt oder nicht.

Vielleicht habe ich auch einfach kein Gefühl für das richtige Timing, als ich im "richtigen" Alter war, eine Karriere zu beginnen, bekam ich lieber 2 Kinder. Damit ich dann mit Anfang, Mitte 30 voll durchstarten könnte. Aber jetzt bin ich anscheinend zu alt. Oder zu schlecht und man schiebt mein Alter vor, aber von dem was ich von anderen Kollegen höre geht es ihnen auch nicht besser wenn sie über 30 sind.

Und wenn das Warten sich mal gelohnt hat, bekommt man eine Hauptrolle an einer Staatsoper und für 3 Monate Proben 700 Euro versprochen. Netto. Für jede tatsächlich gesungene Vorstellung dann nochmal 700 Euro. In meinem Fall eine von drei insgesamt, dann wurde die Oper abgesetzt. Auf das Geld habe ich gewartet. EIN JAHR.

Ich frage mich, wie man davon leben soll. Und frage mich, ob es mir damit gut geht. Nein.

Ich stehe gerne auf der Bühne, ich mag es wenn das Publikum Spass hat und sich nicht langweilt. Also gab es für mich nur eine Alternative: ich mache mein eigenes Programm. Mit einer befreundeten Sängerin und einer Pianistin wagte ich mich dran, es ist ein lustiges, unterhaltsames Programm geworden mit einer Geschichte, vielen schönen Liedern und Duetten und meiner eigenen Inszenierung. Wir führen es an verschiedenen Orten auf und es macht Freude. Es fühlt sich gut an.

Kein Warten mehr, keine Einsamkeit vor und nach dem Vorsingen, keine Abzocke von Agenten.
Aber eben auch keine Oper. Ich wünsche mir sehr, dass es einmal ein Projekt geben wird, zu dem ich stehen kann, mit dem ich mich gut fühlen kann. Aber ich bin nicht mehr bereit, jeden Preis dafür zu bezahlen.

In Slowenien, wo ich lebe, ist die Krise jeden Tag mehr zu spüren. Mein Studio, in dem ich Gesang und Atemkoordination unterrichte läuft zwar, aber die Menschen haben zu wenig Zeit und zu wenig Geld, um sich mit sich selbst zu beschäftigen. Lieber schimpfen sie auf die Politik, so wie überall.

Und trotzdem geht es mir so gut wie nie. Ich habe keinen Druck mehr, mich beweisen zu müssen. Ich kann das tun, was ich liebe, zu meinen Bedingungen. Ich kann Menschen helfen, wenn sie den Weg zu mir finden.

Eine slowenische Kaffefirma hat mich zu ihrem "Gesicht" gemacht. Darauf hatte ich nichtmal gewartet, geschweige denn es erwartet. Und ich trinke noch nicht mal Kaffee :)





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