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Unauffällig

Text: pajaroj123
Früher, als sie abends mit aufgedrehten Bässen in ihren protzigen Autos durch die Straßen gefahren sind, habe ich mir die Ohren zugehalten und die Augen zusammen gekniffen. Ich habe angefangen eine Melodie zu summen. Es war immer die gleiche Melodie. Sie bestand nur aus ein paar Tönen. Nicht immer übertönte sie die lauten Bässe, nicht immer halfen mir die geschlossenen Augen dabei, sie auszublenden. Sie wollten immer, dass ich mit ihnen komme. Sie wollten mich zu einer von ihnen machen. Laut, lauter, auffallen um jeden Preis. Ich wollte nicht auffallen.

Wenn er mich wieder in meinem Zimmer sitzen sah, die Hände auf den Ohren, die Augen zusammengekniffen, hat er immer den Kopf geschüttelt. Manchmal blieb er im Türrahmen stehen und hat versucht mich zu überreden doch zu ihnen zu gehen. "Was ist nur los mit dir ?" Er hat mich dann immer fragend angesehen. Ich habe weiter meine Melodie gesummt und ihn irgendwann einfach ignoriert. Er hätte es nicht verstanden. Ich wollte nicht auffallen.

Manchmal dauerte es lange bis sie endlich verschwanden. Sie fuhren dann in ihren Autos davon in die große Stadt mit all ihren Lichtern, den Clubs, den noch lauteren Bässen, den Mädchen mit den hohen Absätzen, den kurzen Röcken und den falschen Wimpern, mit denen sie den Männern schöne Augen machten. Die Stille danach war mein schönstes Geräusch. Die Stille, wenn sie endlich weg waren.

In die Stille hinein, hörte ich ihn in der Küche hantieren. Das Radio hatte er aufgedreht. Ein alter Schlager wehte durch die Küche, durch den Flur, bis in mein Zimmer. Ich konnte am Klappern des Geschirrs hören, dass er mich nicht verstand. Das war nicht mein schönstes Geräusch. Ich schloß meine Zimmertüre, damit ich ihn nicht mehr hören musste.

Die Straßenlampe draußen vor meinem Fenster erhellte mein Zimmer mit flackerndem Licht und tanzenden Schatten. Irgendwann würde sie ganz ausgehen. Sie hatten einmal dagegengetreten. Ein paar harte Fußtritte. Im Rythmus der Bässe. Ich saß in meinem Zimmer , hinter dem Vorhang und habe meine Melodie gesummt.

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