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Hast du’s schon mit einem anderen Browser versucht?“, frage ich, ungefähr so gelangweilt wie die zwei Informatiker aus der Serie „The IT Crowd“, die sich am Telefon pauschal mit „Haben Sie’s schon mit Ein- und Ausschalten versucht?“ melden, wenn jemand sie wegen eines Problems mit dem Computer anruft. Wir sitzen bei meinen Eltern im Wohnzimmer. Meine Schwester schaut von ihrem Laptop hoch und mich fragend an. Irgendeine Website wird nicht richtig angezeigt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Eigentlich hat sie nicht mich um Hilfe gebeten, sondern meinen Freund. Seit acht Jahren sind wir zusammen, so lange ist er schon meine persönliche IT-Abteilung und auch die meiner Familie. Für alles, was im Entferntesten einen Bildschirm hat, ist er als gelernter Informatiker und studierter Game Designer zuständig. Das ist wahnsinnig praktisch. Aber dieses Mal habe ich schneller geantwortet als er. Reflexartig. Und weil ich weiß, dass er genau mit dieser Gegenfrage geantwortet hätte. Denn durch ihn habe ich längst so was wie ein Zweitstudium in Informatik absolviert.

Zu Hause, in unserer Wohnung, bin ich diejenige, die vergleichsweise wenig Ahnung von Computern hat und deshalb fragen muss. Überall sonst merke ich, wie viel ich eigentlich doch weiß. Wenn in der Redaktion ein Computer nicht mehr reagiert, nicht hochfährt oder der Drucker nicht macht, was er soll, dann kümmere ich mich darum. Wenn ein Kollege aus Versehen ein Kabel aus seinem Computer reißt oder Word abstürzt, fragt er ganz selbstverständlich erst mal mich um Hilfe. Ich bearbeite Fotos, wenn unsere Grafikerin nicht da ist, und erkläre, woran es liegen könnte, wenn ein eingebundenes Youtube-Video nicht richtig angezeigt wird. An der Uni war es genauso, da mussten die Techniker quasi nie „ausrücken“, weil im Computerraum immer ich zwischen den Rechnern hin- und hergeflitzt bin.

Ohne meinen Informatikerfreund wüsste und könnte ich das alles nicht. Wahrscheinlich hätte es mich auch nie interessiert, wenn ich mit einem Meeresbiologen zusammen wäre. Heute bin ich froh, dass das, womit sich mein Freund den ganzen Tag beschäftigt, zu einer Art Nebenfach für mich geworden ist. 

Wenn er an der Uni gelernt hat, wie man einen Trailer für ein Computerspiel bastelt, habe ich abends zugeschaut, wie man Filme schneidet, und konnte das schon, als ich es im Studium selbst machen musste. Als er gerade viel mit Photoshop machen musste, habe ich meine Bildbearbeitungsfähigkeiten trainiert. Wir diskutieren über Überwachung und Netzneutralität. Ich liebe es, wenn er sich von einer besonders guten Website den Code ansieht – oder von einer besonders schlechten und sich eine Viertelstunde darüber so aufregt wie ich mich über eine Buchseite mit sieben Rechtschreibfehlern. Wenn er darüber philosophiert, wie der Minicomputer „Raspberry Pi“ den Informatikunterricht an Schulen besser macht, oder mir mit ernster Sorge erklärt, worauf ich beim Onlinebanking achten muss.

Programmieren oder ein tieferes Informatikwissen hat er mir nicht beigebracht. Ich „spreche kein Code“, aber mit den HTML-Befehlen, die ich beherrsche, konnte ich in manchem Praktikum ziemlich Eindruck schinden. Ich weiß nicht, warum die Dinge funktionieren, wie sie funktionieren. Aber ich weiß, wie die Wahrscheinlichkeit größer wird, dass sie funktionieren. Als Nutzer hat er mich kompetenter gemacht. Ich glaube, das musste er auch.

Als Paar redet man darüber, was man den ganzen Tag macht, was man in der Schule, in der Uni oder in der Arbeit lernt und tut, über welche Probleme man nachdenkt, über welche Erfolge man sich freut. So wie man in einer Beziehung eine gemeinsame Sprache entwickelt, so sammelt sich auch ein gemeinsames Wissen an. Gespräche über die Ausbildung oder den Beruf des anderen wären sehr anstrengend, wenn man jeden Begriff, jeden Ablauf, jeden Zusammenhang immer wieder neu erklären müsste. Und das müsste man, vor allem, wenn man sehr Unterschiedliches studiert oder arbeitet.

Am Anfang war ich oft so bequem und habe sein Wissen ausgenutzt. Ich habe ihn das WLAN auf meinem neuen Handy einrichten lassen und habe gewartet, bis er abends heimkam, wenn mein Computer den USB-Stick plötzlich nicht mehr erkannte. Inzwischen werde ich mit den meisten Problemen selbst fertig. Und wenn nicht, lasse ich meinen Freund nicht einfach machen: Er muss mir genau erklären, was ich nicht verstehe. Ich bin neugierig und ehrgeizig geworden.

Vielleicht habe ich auch deswegen so schnell geantwortet, als meine Schwester mit der fehlerhaft angezeigten Website kämpfte. In meinem Lebenslauf wird nie etwas über dieses „Zweitstudium“ stehen. Über ein bisschen Anerkennung für mein Wissen würde ich mich trotzdem freuen, eigentlich schon über weniger überraschte Blicke, wenn jemand merkt, dass ich etwas über Computer weiß.

Vom Partner lernen - das funktioniert auch in anderen Beziehungen. Auf der nächsten Seite liest du fünf Beispiele:



Christiane, 26, aus Schleich an der Mosel hat Kommunikations-wissenschaften studiert, Eric, 27, ihr Freund, kommt aus einer Winzer-familie und hat Agrarbiologie mit Schwerpunkt Pflanzenschutz studiert. Durch ihn kennt sie nicht nur den Unterschied zwischen Fungiziden und Pestiziden, sondern weiß auch, dass man Bioweinen gegenüber kritisch sein muss: „Biowinzer spritzen zwar keine Chemie, dafür jedoch Kupfer,was auch ungesund ist und vor allem umweltschädlich.“

Tony, 32, aus Regensburg arbeitet als Musiker und Produzent, seine Freundin Melanie, 26, studiert Medizin. Darum weiß er, was der Glykogenspeicher ist: die als Glykogen gespeicherten Kohlenhydrate in den Zellen verschiedener Organe: „Wenn man auf Kohlenhydrate verzichtet, wird der Glykogenspeicher weitgehend geleert, der Körper greift deshalb vermehrt Fettreserven an, um Energie zu bekommen“, sagt Tony. Seit Melanie Medizin studiert, hat er 70 Kilo abgenommen, er wog mal 160. Heute arbeitet er auch als Gewichtscoach und schreibt an einem Buch über seinen Weg zum Normalgewicht.

Sarah, 28, aus München hat Jura studiert. Weil ihr Freund Simon, 26, gerade Regie an der HFF (Hochschule für Fernsehen und Film) in München studiert, weiß sie, was die „amerikanische Einstellung“ beim Film ist: „Da werden die Darsteller bis etwa zum Knie gezeigt. Diese Einstellung wurde oft im Western verwendet, die Cowboys sind dann mit ihrer Waffe zu sehen.“ Das Problem an ihrem Filmwissen: „Ich kann mir keinen Film mehr ansehen, ohne zu denken: geniales Licht, tolle Einstellung. Oder: Wie da die Wunden geschminkt sind, echt gute Maske!“

Simon wiederum weiß durch Sarahs Jurastudium, „dass man gegen praktisch alles Einspruch einlegen kann“, sagt er. „Zum Beispiel, wenn jemand in einem nicht öffentlichen Raum Fotos macht und darauf Personen sind, dann darf er das zwar für sich machen, aber die Fotos nicht auf Facebook oder sonstwo im Internet veröffentlichen. Anders ist es in einem öffentlichen Raum wie auf der Straße.“ Zudem haben Juristen eine besondere Art zu denken, davon ist er überzeugt: „Die vertrauen keinem! Und ihr Lieblingssatz ist: Es kommt darauf an.“

Markus, 24, aus Straubing studiert Wirtschaftsinformatik, seine Freundin Sophia, 25, hat Bibliothekswesen studiert. Von ihr hat er gelernt, wie die Onlinefernleihe funktioniert und dass es Vorteile hat, sie auch zu nutzen. „An unserer Uni sind die meisten Bibliotheken nur zum Arbeiten aufgeschlossen, ausleihen kann man Bücher nicht. Ohne Sophia wäre ich nicht auf die Idee gekommen, das mal zu probieren. Von vieldiskutierten Büchern bekomme ich durch sie mehr mit, von ‚Fifty Shades of Grey’ zum Beispiel, oder ‚Deutschland schafft sich ab’. Lesen will ich die jedoch nicht. Sophia bringt mir aber manchmal Romane mit, die sie gut findet, zuletzt ‚Garou’ von Leonie Swann.“

Text: kathrin-hollmer - Illustration: Helmut Morrison

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