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Mädchen, fühlt ihr euch eigentlich medial unterrepräsentiert?

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Achtung: Es fängt mit einer Nabelschau an! Wir – das meint in diesem Fall ausnahmsweise zunächst mal die jetzt.de-Redaktion – wollen besser werden. Deshalb laden wir uns regelmäßig Menschen zur Blattkritik ein, die uns sagen, was wir ihrer Meinung nach gut und schlecht machen, und was sie sich entsprechend mehr oder weniger, anders oder weg wünschten. Diesmal war's eine junge Münchner Grünenpolitikerin: etwas leicht Elektrisches in Habitus und Blick, viel selbstbewusste Neugier, wenn sie Fragen stellt, in Wellen aufbrausend bei Themen, die sie packen.

Eines davon: Genderfragen. Von sieben Protagonisten, die auf der jüngsten Münchenseite ihre Visionen für die Stadt verraten haben, hat sie nur zwei Frauen entdeckt. Und das gefiel ihr nicht. Wir könnten zur Verteidigung nun sagen, dass der Unteraufmacher noch ein Interview mit einer Frau war, was das Verhältnis in trockenen Zahlen und vor allem ideell etwas korrigiert.

Aber unser Gast hat da schon einen unbestreitbaren Punkt gemacht: Auch wir (noch mal die Redaktion) haben zumindest selten bis nie MEHR Frauen als Männer auf der Seite. Und deshalb frage ich mich jetzt: Habt ihr dasselbe Problem wie unser Gast? Fühlt ihr euch in den Medien unterrepräsentiert? Und findet ihr das schlimm? Und weiter noch, wenn ihr doch auftaucht: Könnt ihr da einen Gender-Unterschied ausmachen?

Denn auch das war ein Vorwurf (mehr an die Medienwelt an sich als an die jetzt.de-Redaktion). Frei interpretiert: Wenn über Frauen geschrieben wird, dann haben sie ein Modeblog oder Essstörungen! Ist das alles so? Und wenn ja: Warum? Weil Blattmacher (im Mittel Männer) einen männlich sexistischen Blick auf die Welt haben? Oder weil die Welt, auf die sie schauen, männlich dominiert ist, also einfach noch mehr Typen vermeintlich wichtige Entscheider sind? Und was müssten die Medien entsprechend ändern? Besser suchen? Gute Männer weglassen, um Platz für gute Frauen zu schaffen? Quote? Oder gar: „Serien über starke Frauen", was in seiner ganzen Blödheit – mit Verlaub – doch immer klingt wie „Serien über weiße Neger". Als wäre es ein natürlicher Widerspruch. Alles philosexistischer Mist also? Oder doch nötig, weil die Welt endlich sehen muss, wie toll ihr seid? Wir wissen das ja schon! Oder?

Auf der nächsten Seite liest du die Mädchenantwort von mercedes-lauenstein.


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wie fange ich da jetzt an? Vielleicht mal so grundsätzlich: Natürlich liebe ich es, was über tolle Frauen zu lesen. Aber ich liebe es auch, über tolle Männer zu lesen. Ich will, wenn ich durch die Medien streife, in erster Linie etwas über mich selbst lernen. Ich will mir Lebenseinstellungen abgucken oder mich über sie aufregen, wenn ich sie dämlich finde. Um dann in der Summe so eine Ahnung davon zu kriegen, welchen Platz ich selbst eigentlich in der Gesellschaft einnehmen will, was mir gefällt und was mir nicht gefällt. Die Kategorie „Frau" ist dabei für mich kein primäres Identifizierungskriterium. Es sind kleinere Sachen: Wie denkt die oder der sonst so? Was macht der oder die privat, was beruflich am liebsten, in welchen Kreisen bewegt er oder sie sich, wie spricht die oder er, wofür interessiert der sich.

Menschen müssen für mich kein bestimmtes Geschlecht haben, damit sie mir ein Vorbild sein können. Sie müssen die richtige Einstellung haben. Ein modernes Weltbild. Die Fähigkeit, alles zu hinterfragen und sich dann eigene Regeln auszudenken. Und das beinhaltet für mich dann zum Beispiel, eben nicht mehr so sehr in Geschlechtergrenzen zu denken. Jedenfalls nicht als Unterscheidungsmerkmal zwischen „Taugt was" und „Taugt nichts" oder „Mann hart und machtgeil", „Frau schwach und sensibel".

Und deshalb finde ich diese Frage nach Quoten und Unterrepräsentiertheiten immer sehr schwierig. Sie unterstellen, dass ich als Frau hierarchisch noch immer unter dem Mann stehe. Was ich selbst aber gar nicht so empfinde, weil ich es noch nie erfahren habe, nicht in der Familie, nicht im Freundeskreis, nicht in der Schule, nicht im Job. Mich hat halt bisher noch nie jemand gezwungen, mich mit sexistischen Arschlöchern abzugeben. Ich lebe mein Leben ziemlich unbeschwert von Geschlechterkämpfen und fühle mich durchaus in der Lage, ein Umfeld, in dem man diese noch für nötig hält, einfach zu verlassen. Ich habe aber auch noch keine Kinder und weil ich selbstständig bin und bleiben will, musste ich auch noch nie innerbetriebliche Kämpfe ausfechten. Deshalb fehlt mir vielleicht immer auch ein bisschen Empathie für Frauen, die sich diskriminiert fühlen. Weil ich immer denke: "Äh, das ist kein „Frauen"-Problem, das ist dein Problem. Und ich finde, du solltest dringend mal dein Umfeld ändern, wenn du es so oft mit sexistischen Dummköpfen zu tun hast."

Fragt mich also jemand, ob ich Frauen unterrepräsentiert finde, redet er mir einen Minderwertigkeitskomplex ein, den ich normalerweise nicht habe. Ich fühle mich in diesem Moment nicht von einer eventuell ungleichen Geschlechterrepräsentation diskriminiert, sondern von der Frage an sich. Sie hört sich in meinen Ohren tatsächlich so an, als sagte man: Ach, Frauen. Ach, Schwule. Ach, Schwarze. Wir müssen diesen armen Dingern helfen.

Ich weiß aber, dass es so einfach auch nicht ist. 2013 ist es einfach, Genderprobleme auszublenden, weil sie nicht mehr jeden betreffen. Es ist aber auch genau deshalb so fatal. Dann nämlich fehlt die Kraft für den letzten nötigen Schub Richtung Komplettgleichberechtigung. Siehe Frauenquotendiskussion. Und deshalb haben Leute eigentlich immer Recht, wenn sie sagen: mehr Frauen portraitieren. Denn natürlich schreibt sich das auch ins Unterbewusstsein, was man so sieht und an welche Bilder man sich gewöhnt. Je gemixter alles ist, desto weniger Monopole und Diktate gibt es, schon klar. Wenn man aber nun bei einer Geschichte rein zufällig nur zum Thema passende Männer findet, und die Frau nur mit reinnehmen würde, weil sie eben eine Frau ist, dann finde ich das auch beknackt. Dann ist das dieser komische umgekehrte Rassismus, den ich auch gruselig finde. Es ist also nach wie vor schwierig.

Und zuletzt noch was zu dieser Sache, dass Frauen angeblich immer als Modetanten oder Essgestörte dargestellt werden. Finde ich nicht. Ich finde, dass den Status der „tollen" Frau viel zu oft immer nur diese komischen Hochglanz-Überwesen zugeschrieben bekommen. Die hier ihr eigenes Unternehmen managen und da zwei Bücher schreiben, zusätzlich sechs Kinder haben, in vier verschiedenen Ländern wohnen und drei Mal die Woche zum Bikram-Yoga gehen. Das nervt.

Ich will mehr von Leuten hören, die sich eine ehrlich gute Zeit auf Erden machen und nicht eine möglichst vollgestopfte Jetlagkarriereaufopferburnoutgefährdete, die nur von außen glänzt und innen verschimmelt ist. Das mediengepushte Idealbild des tollen Menschen beinhaltet leider immer noch den wirtschaftlichen Über-Erfolg, das unaufhörliches Streben nach oben, nach schneller, weiter, mehr, früher, vielfältiger, globaler und so weiter. Das finde ich eigentlich das viel größere Problem, als das Problem mit dem Geschlecht. Amen!

mercedes-lauenstein

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