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"Als Künstler kriegst du ständig eins in die Fresse!"

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jetzt.de: Wie stehst du zum Wahlausgang in Österreich?
Parov Stelar: Ich habe mir schnell abgewöhnt, mich über Politik zu äußern. Es frustriert mich. Jeder Schlagersong hat bessere Texte als die ganzen Wahlplakate. Und im Endeffekt ändert sich in unserer Welt nicht wirklich was. Das sind alles nur Augenwischereien.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Als du an die Jugendredaktion der Berliner Zeitung eine Frage stellen durftest, hast du geschrieben: „Wie ist eure Wertschätzung für Musik in einer Zeit, wo nahezu alles kostenlos im Netz zur Verfügung steht?“ Ist das ein Thema, das dich besonders umtreibt?
Nicht übermäßig. Aber es ist natürlich für jeden, der Musik nicht nur als Hobby sieht, eine relevante Frage. Friseure kämen auch ins Grübeln, wenn sie für ihr Handwerk plötzlich nichts mehr bezahlt bekämen. Warum sollte das bei Musikern anders sein? Ich denke also zumindest drüber nach, was bei den Leuten in den Köpfen vorgeht.  

Und? Was geht da vor?
Musik wird von vielen Leuten inzwischen als Allgemeingut angesehen. Sie reagieren zum Teil beinahe verstört darauf, dass man dafür bezahlen sollte.  

Ein Appell für härtere Strafen?
Aufklärung und Imageverbesserung wären wichtiger. Strafen bringen nichts.  

Hast du eine Idee, wie das funktionieren könnte – der Musik Wert zurückgeben?
Teilweise passiert das schon auf ganz natürlichem Wege: Das Live-Business ist sehr, sehr stark. Die Leute sind da wirklich bereit, Geld für Karten auszugeben. Das freut mich sehr, weil das ein sehr ehrlicher Austausch ist – Musik dort erleben, wo sie auch wirklich passiert. Zum anderen gehen die Streamingkonzepte meiner Meinung nach in die richtige Richtung.  

Es kommt nur wenig an bei den Musikern.
Es kommt wenig an, wenn wenig gestreamt wird. Wenn mehr Leute auf die Dienste zugreifen, wird es auch mehr. Das Modell ist sicher noch nicht ausgereift. Aber die Denkrichtung – „Warum sollte ich mir illegal etwas herunterziehen, wenn ich es in guter Qualität für wenig Geld anhören kann“ – ist vernünftig. Und es zeigt zumindest etwas Respekt vor der Musik.  

Dein neues Album heißt „The Art Of Sampling“. Wie steht es denn um deine eigene Wertschätzung, wenn du Dinge samplest, sie also aus Originalaufnahmen herausnimmst?
Wenn ich viel rausnehme, wie bei "Keep On Dancing", der auf einem Marvin-Gaye-Song basiert, ist der Fall eh klar: Dann muss ich bezahlen und die Originalkünstler bekommen ihre Anteile, wenn mein Song zum Beispiel im Radio läuft. Wenn ich nur den Bruchteil einer Sekunde bei einem Titel herauspicke und einen Bruchteil bei einem anderen, dann ist das natürlich anders. Dann frage ich aber wenigstens um Erlaubnis.

Angeblich bist du auf deinen Stil gekommen, als eine Billie-Holiday-Platte, die du nebenbei laufen hattest, hängengeblieben ist und dabei zufällig einen Loop gebildet hat. Das ist doch einfach nur eine geile Geschichte rund um eine Veröffentlichung.!
Es ist eine geile Geschichte – die tatsächlich so passiert ist. (lacht)  

Zufälle und glückliche Unfälle bestimmen dein Schaffen allgemein, oder? Du bist kein Produzent, der mit fertigen Visionen ins Studio geht.
Ich versuche, so viele Chancen für Zufälle zu schaffen wie irgend möglich. Das bedeutet übrigens harte Arbeit, weil: Je öfter und je länger du arbeitest, desto wahrscheinlicher werden Zufallstreffer. Das ist wie beim Lotto: Ich fülle eben gleich 50 Scheine aus, weil ich so viel Musik mache.  

Ist es allein seltener, dass sich Zufälle ereignen? Wie schafft man einen Rahmen, um sich selbst zu überraschen?
Es ist vor allem schwierig, nicht betriebsblind zu werden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass studierte Musiker sehr genau wissen, was sie tun, und damit der Zufall viel weniger Platz hat. Ich habe ja keine Ahnung, ob das, was ich tue richtig oder falsch ist. Ich kann nur nach Gehör gehen. Das lässt viel mehr Platz für Zufälle.  

Wie suchst du denn nach Samples? Wie hörst du Musik?
Ich höre bei Musik, wenn ich nach Samples suche, nur auf Sounds und Atmosphären. Rhythmik interessiert mich dann gar nicht. Ich muss den Sound mögen und dann fange ich an zu schneiden und neu zusammenzustückeln. Und dann ergibt sich entweder ein Rhythmus, der mich weiterträgt, oder ich bleibe hängen und gebe nach einem Tag auf.  

Im Video zur Single „Keep On Dancing“ sieht man einen Boxer, der sich an die Industrie verkauft, darüber seinen Biss verliert und beim nächsten Kampf furchtbar Prügel einsteckt. Da drängt sich eine Parallele sehr auf: Du veröffentlichst dein Album auch erstmals über ein Majorlabel.
(Lacht) Zunächst möchte ich betonen, dass ich immer noch auf meinem eigenen Label bin. Die Veröffentlichung ist nur in Lizenz von Universal Music. Bei dem Video gefiel mir einfach die Geschichte. Ich fand die sehr passend, weil „Keep On Dancing“ für mich nicht nur ein Partyaufruf ist. Es beutet für mich eher: Auch, wenn du vom Leben mal eins in die Fresse bekommst, musst du wieder aufstehen und weitermachen. Der Tanz ist für mich eher das Leben an sich.  

Sprichst du aus eigener Erfahrung? Hast du schon richtig auf die Fresse bekommen?
Als Künstler kriegst du ständig eins in die Fresse. Selbst wenn zehn Leute dir auf Facebook nette Kommentare hinterlassen: Wenn der Elfte schreibt, dass das, was du machst, Mist ist, trifft dich das. Natürlich weiß man, dass man’s nicht jedem Recht machen kann und sich eine dickere Haut zulegen müsste. Aber es ist für mich noch immer nicht einfach, das wegzustecken. Und gerade das Internet ist da gnadenlos. Da bekommst du ja selten konstruktive Kritik, sondern eher Frustablagerung. Bei allem Positiven, das uns das Netz gebracht hat, das kam leider auch mit: Jeder kann seinen Müll abladen.

Text: jakob-biazza - Foto: Universal Music

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