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Let us abuse then, you and I, the hotel's wifi.

Text: FlohKopf
Ich bin ueber das Wochende in Manchester zu Besuch. Das Bett im Hotelzimmer ist zu weich und wenn man, naja, so bestimmte Bewegungen macht, dann gibt es da in der Mitte ein paar aeltere Sprungfedern, die im selben Rhythmus quietschen. trotz Wein mit der Pizza heute abend, wurde mir verboten, mich zu besaufen. Der zug gen Sueden geht ganz frueh, noch vor Schulbeginn, damit er mich dramatisch auf dem Bahnsteig verabschieden kann. Vielleicht haben wir Glueck und die Barrier sind offen wegen dem hohen Verkehrsfluss an Pendlern und dann koennen wir in der Menschenmenge knutschen und vielleicht kann ich ihn weinen sehen, weil er immer weint, auch wenn er weiss, dass ich ein paar Tage spaeter wieder da bin.
Er hat Hausaufgabenhefte korrigiert und mir war langweilig, also sah ich mir auf Instagram das Leben von Carl Barât and. Ich zeigte ihm ein Bild von Carl und seinem kleinen Sohn und er, so wunderbar ignorant den Gesichtern hinter der Musik gegenueber, fragte, ob das mein Cousin waere (mein Cousin ist im Februar Papa geworden und laut meiner Schwester ist es das haesslichste Kind der Welt. Ich habe nur eine Danke fuer die Glueckwuensche Karte mit happy family Foto erhalten und zwischen Wolldecke und den dicken Winterpullis der Eltern sah Baby Tabea ganz suess aus). Wir haben kurz darueber gescherzt, wie niedlich Babys sind und dass man es kinderlosen Paaren aus kinderarmen Laendern leichter machen sollte, Babys aus China zu adoptieren. Ich machte noch dumme Witze ueber Klassenzimmer voller chinesischer Kinder im laendlichen Mecklemburg-Vorpommern, als ich ihn ansah und bemerkte, dass er zwar ein bisschen lachte, aber eigentlich sagen wollte: Lass uns ein chinesisches Baby adoptieren.
Ich habe eine lange Liste mit Therapeuten bekommen, die von der NHS finanziert werden, und gestern sind wir durch die Strassen geschlendert und haben geguckt, was denn gut erreichbar waere von dort, wo wir bald wohnen werden. Es ist alles furchtbar vernuenftig und erwachsen und richtig und manchmal erwische ich mich dabei, wie ich mir vorstelle, dass es vorbei ist und ich much hemmungslos besaufen kann, die Baldrinatabletten wegschmeiße, die Vitaminpraeperate nicht mehr nehme und in einem schmutzigen Bedsit selbstgedrehte Zigarette auf dem Fussboden ausdruecke.
Aber es ist okay, wenn er seine Hand auf meine Schulter legt, die nicht mehr so knochig ist wie noch vor einem Jahr. Vielleicht kein Baby aus China, aber das Haus und woechtentliche Termine und ausgeglichene Bankkonten und puenktlich bezahlte Stromrechnungen und nur noch manchmal kiffen und saufen und wissen, wenn ich auf dem Sofa einschlafe, weckt mich jemand auf und bringt mich ins Bett und ich muss nicht in Discos fremde Menschen aufreissen, um Sex zu haben. Womoeglich nie wieder.
Eurgh, ich bin so erwachsen. Und wenn ich den Job kriege, fuer den ich freitag interviewt habe, dann kann ich meine Studiumsschulden ganz leicht abbezahlen. Seltsam.

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