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Schneestürmer

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jetzt.de: Du bist ein Freund der Zweckentfremdung, oder? Lorenz Holder: Nicht unbedingt. Aber ich kann mir vorstellen, worauf du anspielst. Darauf, dass eine Satellitenstation nicht fürs Snowboardfahren erfunden wurde. Klar. Es ist so: Als Snowboardfotograf bist du eigentlich erst mal relativ limitiert. Es gibt zwei große Bereiche: Entweder du gehst in die Berge oder du gehst in die Stadt. In der Stadt fahren – und fotografieren – die meisten Snowboarder und Snowboard-Fotografen vor allem an Spots, an denen es Rails gibt – ähnlich wie beim Skaten. Ich will die Leute ein bisschen verblüffen und zeigen, dass da noch mehr ist. Dass es fast überall Spots gibt, an denen man etwas machen kann. Man muss nur kreativ mit offenen Augen durch die Stadt laufen oder durch die Gegend fahren.   Du willst andere Fotografen erziehen? Nein, aber es gibt schon viele Fotografen, die ein bisschen engstirnig sind und sehr in geschlossenen Schachteln denken. Eine Stadt wie München gibt viel mehr her als nur blöde Geländer, die total unfotogen in einem Park an einer Treppe stehen. Ich glaube, dass es interessant ist, die Sportfotografie kreativ mit Architektur-, Kunst- und Landschaftsfotografie zu verweben.   Bei deinem Siegerfoto beim Illume-Award, das du an der Satelliten-Bodenstation in Raisting am Ammersee aufgenommen hast, ist das offenbar geglückt. Wie kam es dazu? Ich bin da im Sommer öfter vorbei gefahren. Mich hat es sehr fasziniert, wie diese Satellitenschüsseln da in der oberbayerischen Voralpenlandschaft stehen. Das sieht total skurril aus. In diesem Moment habe ich noch gar nicht an Snowboarden gedacht. Das ist ein Prozess, der da abläuft.   Das Motiv muss erst in dir reifen? Ich würde sagen: Ein Motiv ist dann ein gutes Motiv für ein Snowboard-Foto, wenn es auch ohne den Snowboarder funktionieren würde. Wenn ich mir das Bild von der Satellitenschüssel bei Nacht auch so ins Wohnzimmer hängen würde, ist das die wichtigste Voraussetzung für ein gutes Action-Foto. Ich habe tatsächlich bei einer Ausstellung mal ein Foto verkauft, auf dem ein Snowboarder auf dem Dach eines Parkhauses zu sehen war. Der war ziemlich klein. Ein Mädchen hat das Bild gekauft. Zwei Wochen später habe ich eine E-Mail bekommen. Sie schrieb, dass sie gerade den Snowboarder entdeckt hat.   Wie hast du das Foto in Raisting geplant? Ich war insgesamt sechs Mal dort und habe Landschaftsbilder gemacht, in ganz unterschiedlichen Stimmungen und Lichtsituationen. Am Morgen, im Sonnenuntergang mit den Alpen im Hintergrund. An einem total nebligen Tag habe ich dann auch mal gewartet, bis es dunkel wird, weil ich zufällig die Blitze im Auto hatte. Da habe ich das Bild eigentlich schon mal genau so geschossen, wie es jetzt aussieht – nur ohne Snowboarder und mit einer Nebelwand statt des Schneesturms. Da habe ich erkannt, dass die Silhouette eines Snowboarders, der diese Wand rauf fährt, sich ein bisschen wegdrückt und springt, sehr cool aussehen könnte.   Und dann hast du auf Schnee gewartet? Das war tatsächlich ein Problem. Es passiert nicht so oft, dass da viel Schnee liegt und es gleichzeitig neblig ist. Um den Lichteffekt zu haben, musste also ein ordentlicher Schneesturm her.   Also spielt neben dem Foto-Know-How und einem guten Auge auch das Glück eine große Rolle bei so einem Foto? Ja. Es muss sehr viel zusammenpassen: Das Wetter muss stimmen. Ich muss in München sein und Zeit haben, wenn das Wetter stimmt. Ein Snowboarder muss spontan Zeit haben. Beides ist nicht selbstverständlich in einer Branche, in der alle ständig unterwegs sind. Aber du hattest Glück. Ja. Als ich im Wetterbericht morgens von dem Schneesturm erfahren habe, habe ich den Xaver Hoffmann angerufen, er hat schnell die Kinder bei Oma und Opa abgegeben und ist von Garmisch losgefahren.   Wie wichtig ist der Trick auf diesem Foto? Du hast ja gesagt, das Foto muss auch ohne den Snowboarder funktionieren. Naja, das Motiv muss auch ohne Snowboarder ein tolles Foto ergeben. Aber wenn man sich entscheidet, aus dem Motiv ein Actionfoto zu machen, dann ist es extrem wichtig, dass der Trick perfekt ist. Der Trick ist dann das A und O. Wenn der nicht sitzt oder ich als Fotograf im falschen Augenblick abdrücke, kann das Motiv noch so toll sein – das Bild ist dann kaputt. Auch wenn der Snowboarder nur einen winzigen Teil des Fotos ausmacht, ist er ganz zentral für das Gelingen.   Die Landschaft bei den Satellitenanlagen in Raisting ist flach. Wie hat Xaver Anlauf für den Sprung genommen? Wir haben eine Winch benutzt. Die verwendet man eigentlich beim Wakeboardfahren, wenn man kein Boot hat oder an einem See kein Lift ist. Das ist im Prinzip ein Rasenmähermotor mit einer Seilwinde dran. Damit kann man sich beschleunigen. Die haben wir auch bei dem Waterslide-Foto in Oberschleißheim und an der Großhesseloher Brücke benutzt.   Bist du im Winter in München viel unterwegs zum Fotografieren? In München eigentlich wenig. Weil es selten über einen längeren Zeitraum hinweg genug Schnee hat. Und die Münchner Polizei steht nicht gerade im Ruf, sich über Snowboarder in der Stadt zu freuen. München hat da eine starke Hausmeistermentalität. Wenn da vor der Haustür was passiert, das man nicht kennt, heißt es erst mal: Das geht aber auf gar keinen Fall!   Wie reagiert ihr, wenn euch jemand verscheuchen will? Oft kann man in aller Ruhe erklären, was man vorhat, und dass man nichts kaputt macht. Viele verstehen das aber auch nicht. Verständlich: Wenn wir auf der Großhesseloher Brücke einen Wallride fotografieren und da zwei Stunden lang mit Schubkarren Schnee auf den Fußgängerweg unterhalb der Bahngleise bringen, sieht das komisch aus. Lustig war in dem Fall, dass die Polizei mit Blaulicht auf die Brücke gefahren kam. Wir dachten: Warum kommt ihr denn mit Blaulicht zu uns? Übertreibt mal nicht! Die sind aber an uns vorbei gefahren. Die Polizei benutzt die Brücke wohl manchmal als Abkürzung über die Isar, wenn sie einen Einsatz hat.     Gibt es Stellen in München, an denen du gerne mal fotografieren würdest, aber genau weißt, dass es nie klappen wird? Die BMW-Welt zum Beispiel. Die ist sehr fotogen und es gibt da Spots, an denen man mit dem Snowboard was machen könnte. Aber die sind da sehr empfindlich.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Lorenz


Text: christian-helten - Fotos: Lorenz Holder / Red Bull Illume

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