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Wer bist du für Google?

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In der Kommode neben dem Telefon meiner Eltern lag ein Telefonbuch. Es wurde nur alle paar Jahre ersetzt, deshalb waren die meistbenutzten Seiten speckig-grau, die Druckerschwärze verwischt vom Blättern mit angeleckten Fingerkuppen. Unter diesen besonders häufig angeblätterten Seiten waren immer die mit den Buchstaben G und V.  

G wie Gemeinde - dort standen die Öffnungszeiten des Wertstoffhofs. Und V wie Villa Verde - die nächstgelegene Pizzeria. Eine forensische Untersuchung unseres Telefonbuchs hätte also den Schluss nahegelegt, Familie Stremmel habe ein besonderes Interesse an der fachgerechten Entsorgung von Abfall sowie der telefonischen Bestellung von Pizza. Kein besonders rundes Bild, aber die Indizien sprächen für sich.  

Das war in den Neunzigerjahren, im Pleistozän des Internets. Heute wäre das Bild um einiges runder, denn heute ist Google das Telefonbuch der Welt. Es weiß exakt, was uns beschäftigt, denn es speichert jeden Begriff, nach dem wir suchen.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Gerade hat Google die häufigsten Suchbegriffe des ersten Halbjahres 2013 mit denen von 2009 verglichen. Weil: Damals war Bundestagswahl, jetzt ist wieder Bundestagswahl. Man fand es also interessant zu schauen, wie sich die politischen Begriffe verändert haben, nach denen die Deutschen suchen.  

Das Ergebnis: „Finanzkrise“ ist als Begriff stark gesunken, „Miete“, „Asyl“ und „Mindestlohn“ werden hingegen deutlich häufiger nachgeschlagen als damals. Daraus könnte man nun vielerlei folgern: Möglicherweise haben die Deutschen die Finanzkrise mittlerweile so gut durchblickt, dass sie sie nicht mehr googlen müssen. Die Miete hingegen, ein vermeintlich hinlänglich bekanntes Phänomen, scheint heute rätselhafter denn je zu sein. Oder ist es doch die sogenannte Mietpreisspirale in den Innenstädten, die die Deutschen zum plötzlichen Nachblättern im Netz bringt?  

Wer ein Google-Konto hat, kann seine eigenen Lieblings-Suchbegriffe mit ein paar Klicks über das „Webprotokoll“ einsehen. Fühlt sich ein bisschen so an, als habe jemand anders für einen selbst Tagebuch geführt – minutiös. Meine Top-Suchanfragen sind: Wetter München (naja, da wohne ich), Yann-Arthus Bertrand und Klaus Biesenbach (oha - über die habe ich vor Monaten geschrieben). Aus der Sicht von Google bin ich also ein Mensch, der sich vor allem für das Wetter, französische Dokumentarfilmer und deutsche Museumskuratoren interessiert. Nichts von wegen Asyl oder Mindestlohn, nicht mal die NSA-Abhöraffäre (der „Newcomer 2013“ bei Google) taucht in meinen Suchbegriffen auf.  

Was schätzt du, was du in letzter Zeit am häufigsten gegoogelt hast? Bist du auch in erster Linie ein banaler Wetter-Sucher? Googelst du regelmäßig die Öffnungszeiten der nächsten Postfiliale, das Rezept für Blaubeermuffins oder diesen einen Song von Dings? Und, mal angenommen, jemand würde deine Google-Begriffe analysieren: Welches Bild würde sich dann von dir zeichnen?

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