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Die Essenz der Eitelkeit

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Angestrichen:  
I don't really like talking about myself Someone who shares my sense of humor recently moved back Arrested Development. Making lasagna my dogs Feminism fitness the simple things in life I have a crush on bacon, seeing as many countries as possible playing my guitar Infinite Jest Woody Allen going to shows. Thinking about trying yoga trying this for the first time grab coffee or a drink foodie I don't take myself too seriously it depends on the night. Sleeping late hiking running shoes I'm not good at filling out these things.     

Wo steht das denn?  
Auf der Website einer findigen Designerin aus Philadelphia, die für partnersuchende Online-Singles nicht weniger als eine Revolution darstellen könnte! Die Frau hat nämlich ein Programm gebastelt, das per Zufallsgenerator beliebte Wörter und Satzbausteine aus Online-Datingprofilen aneinanderklebt und auf Wunschlänge ausspuckt. Der Titel der Wundermaschine: „Online Dating Ipsum“, eine Anspielung auf „Lorem Ipsum“, den pseudo-lateinischen Blindtext, den Grafiker verwenden, um Layouts mit Buchstaben zu füllen.  



Standardsatz in Datingprofilen: "Thinking about trying Yoga"

Und was sagt uns das?  
Auf den ersten Blick nichts – auf den zweiten dann aber fast alles, was wir über Online-Dating wissen müssen! Das Programm liefert ein Konzentrat aus prätentiösem Geschwafel, wie es westliche Großstädter produzieren, um sich im Netz als ansprechende Persönlichkeit auszuweisen. Lässt man die Maschine probeweise drei Absätze ausspucken, hat man schon alle wichtigen Zutaten für ein maximal interessantes Datingprofil. Und das wäre, wir halten fest:  

Strategisch gut verteilte popkulturelle Referenzen („Arrested Development“, „Woody Allen“, „Infinite Jest“) Eine gewisse Urwüchsigkeit („the simple things in life“, „my dogs“) Sportlichkeit („fitness“, „running shoes“, „thinking about trying yoga“) Meta-ironische Lässigkeit im Umgang mit eigenen Macken („I have a crush on bacon“, „sleeping late“) Musische Veranlagung („playing my guitar“, „going to shows“) Welt- und auch sonstige Offenheit („seeing as many countries as possible“, „feminism“) Wichtig: eine glaubhafte Entschuldigung, weshalb man im Netz Freunde sucht („recently moved back“) Und: eine sympathische Unbeholfenheit mit der Nabelschau im Netz („I’m not good at filling out these things“)  
Wirklich abgründig wird es aber erst, wenn man den zweiten Button markiert, der einen Dating-Text mit "crazy Sauce" verspricht. Der so generierte Text ist nämlich nicht nur irrsinnig eitel, sondern auch noch garniert mit stutzig machenden bis unheimlichen Satzbauteilen wie "I only bite with permission", "bald is sexy", "polyamory" und "motorcycle collection".

Die Blindtext-Maschine legt also nahe, dass es nur zwei Typen von Menschen gibt, die im Netz Kontakt suchen: pfauenhafte Angeber und einsame Freaks. Im Grunde produziert der "Online Dating Ipsum"-Generator keinen Text - er gießt Verzweiflung in Worte.



Text: jan-stremmel - Foto: dommy.de / photocase.com

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