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Rap Rendezvous: Wir hören neue Platten mit Tone

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Tone.

In Sachen Flow und Rap-Technik hat der Frankfurter Rapper Tone früh Maßstäbe gesetzt. Mit seiner damaligen Crew Konkret Finn (mit Iz und DJ Feedback) beeinflusste er Rapper wie Kool Savas, Curse und Azad. Ihr legendärer Song „Ich diss dich“ gilt als einer der ersten deutschen Battle-Rap-Tracks.  

Trotzdem hat es Tone nie wirklich geschafft, aus seinen Fähigkeiten eine große Karriere zu flechten. Das ist unter anderem seinen Alkoholproblemen geschuldet, die er selbst auf dem Track „Du brauchst mich“ von 2005 thematisiert. Er hat zwar immer wieder mit Leuten wie Azad, Curse, Savas oder Xavier Naidoo zusammengearbeitet und 2009 seine „Phantom“-Platte rausgebracht - doch erst jetzt scheint Tone wieder richtig Biss und Ehrgeiz entwickelt zu haben, seine Rap-Karriere noch einmal voranzutreiben. Nachzuhören auf seinem aktuellen Album „T.O.N.E.“.

http://www.youtube.com/watch?v=ZC7pSEAkgpo  

Aber jetzt geht es los mit dem Rap Review Rendezvous und...   MC Fitti – Geilon  

jetzt.de: Wie findest du die Platte?
Tone: Das ist nicht meine Abteilung. Ich habe das Gefühl, dass er selbst nicht ernst meint, was er da rappt. Ich selbst habe sehr große Ehrfurcht vor HipHop als Kunstform, aber MC Fitti in seinem overhypten Hahaha-Modus ignoriert das völlig. Damit kann ich nichts anfangen.  

Du giltst ja als Flow-King und als reimtechnisch sehr versiert. Fitti geht eher grobschlächtig zu Werke. Wie bewertest du das?
Seine Ernstlosigkeit finde ich schlimmer als seine Grobschlächtigkeit beim Rappen. Da er durchgängig auf diesem Simpel-Level rappt und das als vermeintliches Stilelement vor sich herschiebt, muss ich allerdings davon ausgehen, dass er gar nicht anders kann – selbst wenn er wollte. Fitti ist ein gutes Beispiel für ein generelles Phänomen unserer Zeit: Es gibt viel zu viel Applaus für Scheiße. 

 http://www.youtube.com/watch?v=Ak1KhIrQ6VY  

Fitti tritt ja sehr 80er-Jahre-mäßig auf; die Zeit also, in der du angefangen hast, dich für Rap zu interessieren. In die „gute alte Zeit“ fühlst du dich aber dennoch nicht zurückversetzt?
Nein. Denn selbst, wenn die Stimmung von einem Beat beim ersten Anspielen ganz cool war, haben seine schlechten Raps das gleich wieder gekillt.  

Weil Fitti eben nicht so „HipHop“ wirkt, fühlen sich auch Leute von ihm und seiner Mucke angesprochen, die sonst nicht viel mit Rap zu tun haben. Findest du das nicht gut?
Letztlich ist das wie früher bei den Fantastischen Vier. Das waren für uns die größten Hampelmänner überhaupt. Das blanke Grauen. Dennoch haben die durch ihren Erfolg natürlich Türen geöffnet, weil generell mehr Aufmerksamkeit auf Rap-Musik gelenkt wurde – der typische Nebeneffekt. Schlimm ist für mich aber vor allem, dass dann immer tausende Leute auf diesen Zug aufspringen, und diese Trittbrettfahrer dann einen Pop-Faktor etablieren, der mit der ursprünglichen Idee des Genres häufig nicht mehr viel zu tun hat.   Genetikk – D.N.A.  

Sind Genetikk für dich so was wie der komplette Gegenentwurf zu dem, was MC Fitti macht?
Ja, allerdings – und ich find’s geil. Die erzählen Geschichten. Die können flowen. Und die meinen es ernst. Bei denen fühle ich mich viel mehr zuhause als bei MC Fitti und habe nicht das Gefühl, verarscht zu werden, wenn ich mir schon die Mühe mache, denen zuzuhören. Über die gesamte Spielzeit war es mir von den Beats her aber ein bisschen zu eintönig und 90er-Jahre-mäßig.  

Hat es dich überrascht, dass ein solches Album hierzulande auf Platz 1 der Charts eingestiegen ist?
Ich freue mich auf jeden Fall, dass echte Rap-Fähigkeiten offensichtlich wieder geschätzt werden, bei denen nicht nur Bullshit erzählt wird, um einem Image zu entsprechen. Ich finde es immer gut, wenn sich ein Künstler die Freiheit nimmt, sich zu entfalten und seine Gefühle kreativ ausdrückt, anstatt bloß einem Hype hinterherzurennen und dasselbe zu erzählen wie alle anderen auch.    

http://www.youtube.com/watch?v=phbry03j0So  

Zu deiner Zeit gab es noch nicht viel deutschen Rap. Heute wachsen Jugendliche von Anfang an damit auf. Wie findest du das?
Ich finde es auf der einen Seite super, dass eine Generation heranwächst, die damit groß wird und für die Rap auf Deutsch eine Selbstverständlichkeit darstellt; die dementsprechend keine Berührungsängste damit hat. Auf der anderen Seite kann das natürlich auch dazu führen, dass mit der Zeit bestimmte Werte verloren gehen.  

Wie meinst du das?
In den 90ern waren Skillz und Styles am wichtigsten. In der 2000er-Gangsta-Rap-Welle ging es dann vor allem um Images. Und wenn du als Jugendlicher in diese Image-Zeit hereingeboren wirst und nur diese heruntergebrochene Reim-Stile kennst, bei denen keine geraden Sätze gesprochen werden, weil die sprachlichen Fähigkeiten dafür nicht ausreichen, dann besteht natürlich die Gefahr, dass etwas verloren geht. Das ist ja auch ein bisschen meine Mission: dass ich den Leuten durch Rap-Technik, Styles und Flows zeige, dass es auch anders geht. Aber viele werden sich auch dagegen sträuben, weil das eben mit Arbeit und Fleiß verbunden ist. Und darauf haben die meisten Leute keinen Bock.  

Ist der Umgang mit der deutschen Sprache denn besser geworden?
Das kann man so nicht sagen. Es gibt ja eh nur ein paar Leute, die den Anspruch haben, die deutsche Sprache rund zu bekommen und sich dementsprechend Mühe geben. Viele geben sich ja mit mittelmäßigem Output zufrieden. Ich glaube deshalb, dass man in den 90ern viel besser rappen musste, weil der Fokus damals viel stärker auf der Rap-Technik lag als heute.   RAF 3.0 – Hoch 2  

R.A.F. 3.0 hat versucht, auf seinem Album seine Grunge-Sozialisation durch Gruppen wie Nirvana, Soundgarden und Alice In Chains zu verarbeiten. Hast du das herausgehört?
Auf jeden Fall. Der Typ ist krass musikalisch, produziert ja auch viel selbst. Man hört, dass er eine Vision verfolgt hat. Das klingt alles sehr ausgereift. Die Platte war mein Highlight der fünf Alben.  

Kannst du das noch etwas konkretisieren?
Genetikk klangen mir von den Beats insgesamt zu rückwärtsgewandt und 90s-mäßig. RAF 3.0 hat zwar auch Sound-Bezüge zu damals, dennoch klingt alles total modern und fresh. Und sehr atmosphärisch. Das finde ich geil.  

Es ist dir also nicht too much, wenn er da synthetische Sounds wie Claps oder Vocoder-Elemente mit Geigen und E-Gitarren zusammenbringt?
Nein, gar nicht. Das ist alles total durchdacht und klingt super. Man merkt, dass er sich damit auf der einen Seite total selbst verwirklicht hat, gleichzeitig aber auch seine Hörer nicht vergessen hat, die ihm ohne Probleme folgen können.

  http://www.youtube.com/watch?v=8HdlrpxzhIg  

So wie man bei dir einen leichten hessischen Einschlag hört, kann man bei R.A.F. 3.0 heraushören, dass er lange in Österreich gelebt hat. Wie gefällt dir das?
Den Wiener Akzent habe ich bei ihm gar nicht so rausgehört, muss ich gestehen. Der spricht ja doch eher Hochdeutsch.  

Wie stehst du denn generell zu Dialekten im Rap? Du nutzt deinen Dialekt schließlich auch sehr stark.
Ach, ich halte mich sogar noch zurück. Wenn ich richtig loslegen würde und Handkäs mit Musik machen würde, würden mich kaum noch Leute verstehen. Einige finden das bestimmt cool, andere aber eben auch nicht. Einen Dialekt mit reinzubringen hat zwar immer etwas Authentisches, aber es kommt auf das richtige Maß an. Man sollte es nicht übertreiben.   J. Cole – Born Sinner  

J. Cole wurde in deiner Heimatstadt Frankfurt geboren. Wusstest du das?
Ja, das hat man mir vor ein paar Tagen gesagt. Finde ich geil. Wir waren also in einer ähnlichen Situation, weil ich auch einen amerikanischen Vater habe – der war allerdings schon wieder weg, bevor ich auf die Welt kam.  

Fühlst du dich dadurch mehr mit J. Cole verbunden?
Ja, irgendwie ist das schon so. Sein Album finde ich auf jeden Fall brutal geil: Sein Flow, wie er sich auf die Beats legt. Der kann’s einfach. Und die Beats sind auch krass. 

 http://vimeo.com/63701853  

Cole hat sich zu Beginn seiner Karriere vor allem durch Mixtapes einen Namen gemacht. Was hältst du davon, zwischen regulären Alben noch mal Mixtapes zu veröffentlichen – zumal dann, wenn die Mixtapes besser aufgenommen werden als die Alben?
Ich hatte es ja noch nie so mit Mixtapes. Ich bin jemand, der lieber Songs für ein geiles Album sammelt. Und ganz ehrlich: Wenn du jedes halbe Jahr einen Release raushaust, verfeuerst du dich total. Du brauchst schließlich auch Input, um Output zu haben. Und woher soll der kommen, wenn du dich permanent nur im Studio einschließt?  

Cole sieht sich selbst bereits in einer Liga mit Nas, Kanye West und Jay-Z. Siehst du das ähnlich oder ist das vermessen?
In Bezug darauf, was die anderen schon für HipHop geleistet haben, kann J Cole natürlich nicht mithalten. Nas hat außerdem geile Stories, Überlegungen und Perspektiven, da kommt Cole noch nicht ganz ran, aber was die Rap-Styles angeht, kann Cole ihm durchaus das Wasser reichen.   Wale – The Gifted  

Die Platte trägt den Titel „The Gifted“, also „Der Begnadete“. Ist Wale das in deinen Augen?
Von den Raps her finde ich den geil. Der hat ein paar sehr musikalische Tracks am Start. Aber zwischendurch kommt dann immer ein Bruch, wo er plötzlich so Crunk-mäßig abgeht. Die Zusammenhänge bei der Albumaufteilung habe ich irgendwie nicht ganz verstanden.  

Du meinst die Aufteilung zwischen Party-Tracks und nachdenklichen Stücken?
Ja, genau. Die Balance mag stimmen, aber die Aufteilung nicht. Vom Prinzip finde ich Kontraste ja gut, aber irgendwie fand ich die hier komisch. 

 http://www.youtube.com/watch?v=LW7LHSLvSj4  

Wale hat die Platte als sehr autobiografisch beschrieben. Ist dir das aufgefallen?
Nein. Aber mein Englisch ist auch nicht so gut, dass ich immer alles verstehen würde. Ich muss aber sagen: Manchmal bin ich auch ganz froh darüber. Denn wenn ich jedes Wort verstehen würde, würde ich viele Rapper wahrscheinlich gar nicht mehr so geil finden.  

Der Refrain im Song „Vanity“ stammt ursprünglich vom Song „Mad World“ von Tears For Fears. Was sagst du dazu: Cool oder uncool?
Den Song fand ich prinzipiell geil, aber genau diese Stelle fand ich uncool. Das war zu viel und vollkommen überflüssig. Das hätte er sich schenken können.   Tones Alltime-Album-Top-5:  

Eric B. & Rakim – Follow The Leader
Beim Flow von Rakim war mir klar: Genau so muss das sein. Das war das erste Mal, das man von einem Fluss sprechen konnte, so wie der mit den Worten über den Beat gebrettert ist.  

Paris – The Devil Made Me Do It
Auf der Platte haben mir gar nicht mal alle Songs gefallen, aber diejenigen, die mir gefallen haben, bei denen war echt alles zu spät. Der hat einen ähnlichen Flow wie Rakim, bei ihm kommt aber noch diese aggressive Komponente dazu. Von seinen Grundstrukturen beim Reimen hat mich das sehr geprägt.  

Big Daddy Kane – Long Live The Kane
Kane hat nicht nur derbe geflowt, bei dem kamen auch noch diese Reimstrukturen dazu, wo schnell klar war: viel mehr geht fast nicht mehr. Big Daddy Kane hat das Limit dessen, was an Worten und Silben bei korrekter Grammatik in eine Line passt, ausgereizt. Er hat das auf die Spitze getrieben und damit Maßstäbe gesetzt.  

AZ – Doe Or Die
Die Platte hat mir einen richtigen Schock verpasst. Nach Big Daddy Kane ging die Raptechnik einige Jahre eher wieder nach unten, aber AZ hat das Spiel mit verschiedenen Techniken beherrscht. Die Platte habe ich krass studiert.  

Big Punisher – Capital Punishment
Gute Nacht! Bei dem war alles zu spät. Als die Platte rauskam, habe ich kaum noch Ami-Rap gehört, aber bei diesem Album bin ich echt ausgeflippt. Der hat eine gewisse Härte mit Reimtechnik, heftigen Sprüchen, einem unfassbaren Sprachschatz und geilen Beats verbunden. Damit hat er echt den Vogel abgeschossen.

Text: daniel-schieferdecker - Foto: Mark Dietl

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