Was tun, um seine Zeit nicht zu verlieren?
Tick tack, tick tack, die hölzerne Uhr in der gemütlichen Stube tickt laut, wie zum Spott. Um sieben Uhr gibt es Abendessen, jetzt ist es erst fünf. Was tun? Warten. Da sitzen, Tee bestellen. Gruppen starren auf ihre ausgebreiteten Wanderkarten. An welchen Aufstiegen kann man sich morgen austoben? Die meisten kennen ihre Route schon seit der Urlaubsplanung im Frühjahr auswendig, aber nochmal nachsehen schadet ja nicht. Die Hüttenbetreiber lagern ein paar Bücher in der Stube. So, als hätten sie Mitleid mit den Touristen. Die Bücher sind abgegriffen. Unter normalen Umständen würde keiner der Anwesenden die Titel beachten. Doch an langen Hüttenabenden greifen sie gierig zum ausgeblichenen und viel zu kitschigen Alpen-Bildband. Kein Augenschmaus, aber Nichtstun wäre schmerzhafter.
Während auch ich Löcher in die Luft starrte, fiel mir eine Stelle in Albert Camus Roman die „Die Pest“ ein. Darin kommt dem jungen Jean Tarrou folgende Gedankenspielerei: „Was tun, um seine Zeit nicht zu verlieren? Antwort: Sie in ihrer ganzen Länge empfinden.“ Als Mittel schlägt er vor: Tage im Wartezimmer eines Zahnarztes auf einem unbequemen Stuhl zu verbringen; Vorträge in einer Sprache anzuhören, die man nicht versteht; stehend reisen; an der Theaterkasse Schlange stehen und dann seine Karte nicht benutzen, und so weiter.
Nach einer Bergtour möchte man der Liste hinzufügen: einen Abend auf einer Hütte verbringen. Nur, anders als Tarrou, vermögen viele der Touristen darin keinen Zeitgewinn zu erkennen. Sie wollen die Zeit gar nicht in ihrer ganzen Länge empfingen. Vielmehr schienen sie sich nach einem Zeit-vertreib zu sehnen. Denn Müßiggang, selbst im Urlaub, gilt als verlorene Zeit.