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Die Sommerschuh-Typologie

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Flip Flops

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Was will uns der Träger damit sagen? "Ich bin jetzt wieder total in meinem Element, weißt du, ich würde ja am liebsten das ganze Jahr so rumlaufen, ich bräuchte überhaupt keine anderen Schuhe. In Australien und Neuseeland machen die das ja so. Die sind einfach so total, naja, das gibt's jetzt wieder kein deutsches Wort für: easy going halt. Achso, und die heißen da ja auch gar nicht „Flip Flops" sondern Havaianas oder Thongs, das macht echt schon viel aus, finde ich."

Was sagt er uns in Wahrheit? Pass auf, ich war schon mal am anderen Ende der Welt und das war dann auch wirklich ne total andere Welt da, also so geistig und so. Ist mir schon klar, dass ihr das so nicht nachfühlen könnt, das muss man ERLEBT haben, wenn du weißt, was ich meine.

Wie ist der Kauf abgelaufen? Nach einer Woche im Hostel in Coobarra Beach an Australiens Ostküste kam er um das Nationalschuhwerk der Aussies nicht herum und wollte zu all denen, die sie bei jedem Wetter tragen, dazugehören. Sie versprachen ewigen Sonnenschein, immer ein kaltes Bier und ein Surfbrett in der Nähe, dafür kein einziger Gedanke an das, was wir Deutschen unter „Zukunft" verstehen: nichts als Stress. Zurück in Deutschland spielt das allsommerliche und allunkomplizierte Reingleiten in die ausgelatschten Havaianas gleich wieder den ewige Erinnerungsbeat einer Zeit, in der nichts wichtig war außer Freihaben und warmen goon trinken. Achso, du kennst das Wort nicht? Hahaha, egal.

Darauf freut sich der Träger im Sommer? BBQ-Partys und Floß fahren.

Darauf freut er sich nicht? In den Dingern dem Bus hinterherrennen zu müssen, wenn er spät dran ist und das wichtige Firmenrechts-Seminar nicht verpassen darf.



Espandrilles

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Was will uns der Träger damit sagen? "Summer in the city, Leute, wo hängt ihr ab? Ich komme, ich fliege!"

Was sagt er uns in Wahrheit? Summer in the city, Leute, wo hängt ihr ab? Ich komme, ich fliege!

Wie ist der Moment des Kaufs abgelaufen? Gleich am Folgetag des ersten unerträglichen heißen Tages des Jahres hat der zukünftige Espandrillesträger den Freund angerufen, den er schon mal mit solchen Latschen gesehen hat, und ihn gefragt: „Du, wo war noch mal dieser Laden, wo du diese megaentspannten Espandingsusse da gekauft hast?" Da ist er dann schnell hingeradelt, reingeschlüpft und hat kurz überlegt ob er für den sagenhaften Preis von 9,90 einfach noch vierzehn andere verschiedenfarbige Versionen kaufen sollte, es dann aber gelassen.

Darauf freut sich der Träger im Sommer: Dass die WG von Stini und Kri das Sofa aus dem Wohnzimmer auf den Gehweg stellt, alle ein kaltes Bier kriegen und in der goldstaubigen Abendsonne jemand „Boah bin ich froh, dass ich gerade ich bin" sagt und daraufhin alle beipflichtend lachen.

Darauf freut er sich nicht: Gibt's nicht. Es ist Sommer, da wird nicht rumgeheult. Der Herbst kommt früh genug.



Die Trendsandale

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Was will man uns damit sagen? "Hi! Achso, meine Sandalen, ja, ich weiß, I love them."

Das sagt man uns in Wahrheit: An nichts, meine Darlings, erkennt man eure Provinzialität schneller als an den Sandalen vom letzten Jahr.

Wie ist der Moment des Kaufs abgelaufen? Nach wochenlanger, winterlicher Trendsuche danach, was sich auf allen New Yorker-Überfashionblogs an eventuellen Sandalentrends abzeichnen könnte, fand er  schließlich in den ersten neuen Sandalenkollektionen der üblichen Modekettenonlineshops einige recht gut gelungengene Designer-Imitate. Und zwar bereits im März, denn jeder weiß: Die ersten Sandalenkollektionen des Jahres gehen an all den ZARA-Mädchen in Uninähe noch spurlos vorbei und die Chancen, dass man in den frühen Fundstücken so wenigstens ein bisschen einzigartig bleibt, sind gar nicht so schlecht.

Darauf freut sich der Träger im Sommer? Auf dem Rad, der Picknickdecke, dem Uni-Rasen und den Open-Air Raves der Stadt endlich mal wieder zeigen zu können, was Style eigentlich heißt. Der Winter ist ja modisch gesehen immer so eine Art Schuluniformzwang.

Darauf freut er sich gar nicht: Dass die Scheißdinger rutschen, hart sind, Blasen machen und der Sommer vorbei ist, ehe sie eingelaufen sind. Aber wer kauft schon die echten Alexander Wangs, wenn sie im nächsten Jahr over sind? Na? Eben.




Sneaker oder Chelsea-Boots

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Was will uns der Träger damit sagen? "Euer Sandalenhype ist doch nur eure Sehnsucht, in Wahrheit lieber in einem südlicheren Land leben zu wollen."

Was sagt er uns in Wahrheit? Für drei schöne Tage im Jahr Sandalen kaufen, hallo? Ich renn doch auch nicht im Sari im Stadtpark rum.

Wie ist der Moment des Kaufs abgelaufen? Gar nicht beziehungsweise völlig sommerunabhängig, als es irgendwann in einem dieser Nicht-Monate wie Mai oder September mal darum ging, neue Boots zu kaufen.

Darauf freut sich der Träger im Sommer? Auf die milden Tage, an denen man in einem leichten Jäckchen weder schwitzt noch friert.

Darauf freut er sich gar nicht: Nacktheits- und Hautzeige-Überdruss und dumme Nachfragen seiner sandalenbekleideten Genießerfreunde: „Sag mal, du, schwitzt du denn gar nicht in deinen Schuhen? Ich würd ja STERBEN!"



Birkenstocks

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Was will uns der Träger damit sagen? "Braucht mir keiner erzählen, dass das zeitlose Klassiker sind, ICH trage die Dinger ja schon ewig. Dass die Vogue sie jetzt grad wiederentdeckt zeigt einmal mehr, wie stilsicher ich bei gleichzeitiger Totalentspannungsvorreitercoolness bin."

Was sagt er uns in Wahrheit? Yesssss, jetzt kann ich also echt meine Hausschuhe auf der Straße anziehen und damit nach Avantgarde aussehen, nur weils die Blogs und Vogues schreiben? Ach, die Fashionwelt: You gotta love it.

Wie ist der Moment des Kaufs abgelaufen? Bisschen heimlich, weil es ja nicht so wirken soll, als sei er jetzt erst draufgekommen. Etwas verwundert auch, weil die Dinger in den ersten Wochen viel härter sind, als er dachte. Von wegen „wie barfuß".

Darauf freut sich der Träger im Sommer? Wolkenformationen, kalter Weißwein, Himbeeren und Zeitschriftenreleasepartys in alten Jugendstil-Hinterhöfen. Kann man alles super auf Instagram posten.

Darauf freut er sich gar nicht: Wenn sie beim etwas-schneller-gehen oder auf-der-Brücke-sitzen vom Fuß fallen, weil man kurz nicht dran gedacht hat, die Zehen anzuspannen - und wenn ein Regenguss ihnen eine etwas komposthaufenartige Konsistenz und den dazugehörigen Duft verleiht.



Ballerinas

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Was will uns der Träger damit sagen? "Ich? Ach, ich wohne in einem kleinen, französischen Apartement, spiele ein wenig Klavier und mache mir gar nicht so viele Gedanken um mein Outfit, mit Ballerinas bist du irgendwie immer gut angezogen und dabei sie sind auch noch so bequem."

Was sagt er uns in Wahrheit? Ich würde gerne in einem kleinen, französischen Apartment wohnen, Klavier spielen können und für meinen mühelos eleganten Stil bewundert werden.

Wie ist der Moment des Kaufs abgelaufen? Findet jedes Jahr aufs Neue statt, manchmal zwei Mal in einer Saison, sind ja so schön billig und in den Dingern wird es immer so schnell schwitzig, krümelig und... diese schwarzen Flecken, sind das eigentlich irgendwelche, .... äh, Pilzansammlu....naja, egal.

Darauf freut sich der Träger im Sommer? Den Moment, in dem eine kleine Brise den Rock anhebt, das Haar streichelt und das Leben ein bisschen mehr Ballett, Paris und Liebe ist. 

Text: mercedes-lauenstein - Illustrationen: Katharina Bitzl

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