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Die Frei-Geborenen

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Die Frau, hinter der sich die Jugendlichen scharen, ist 65 Jahre alt. Denn Mamphela Ramphele denkt wie sie. Sie ruft: „20 Jahre sind genug, um auf Jobs zu warten und auf gute Schulen! 20 Jahre sind genug, um auf ein Ende der Armut zu warten!“ Ramphele - Anti-Apartheidskämpferin, Ärztin, Politikerin - hat am Wochenende in Pretoria eine neue Partei gegründet. Und ein Großteil der Leute, die Mitglieder geworden sind, sind unter 30.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Eine junge Südafrikanerin mit dem Fähnchen der neuen Partei "Agang". Das bedeutet "Aufbauen".

In Südafrika nennt man sie die „Generation born-free“. Sie sind um das Jahr 1994 geboren, als das rassistische Apartheidsregime endete. Die Rassentrennung haben sie nicht oder nur als Baby erlebt. Es gibt deshalb einen unsichtbaren Generationenbruch in der Gesellschaft: Die Grenze markiert das Jahr 1994, als Schwarz und Weiß zum ersten Mal gemeinsam gewählt haben. Wer davor aufgewachsen ist, hat die Apartheid und Nelson Mandelas Freilassung nach 27 Jahren Haft erlebt, seine Wahl zum ersten schwarzen Präsidenten. Wer danach groß geworden ist, hat 19 Jahre unter den Regierungen des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), der Partei Mandelas, gelebt. Die Versprechen des ANC nach der Apartheid waren: Arbeitsplätze, ein Ende der Armut, Gleichheit. „Schau dich um“, sagte Mike. „Es gibt keine Arbeit, die Leute leben in Townships und man kann sich nicht ohne Angst auf der Straße bewegen.“ Deshalb ist er am Samstag Mitglied von Rampheles neuer Partei geworden. Mike ist 26, hat einen Gärtner-Job und kommt aus Johannesburg. Er glaubt, es ginge besser.

In wenigen Ländern ist der Wohlstand so ungleich verteilt wie in Südafrika. Mehr als 50 Prozent der Jugendlichen sind arbeitslos. Es gibt Schulen ohne Schulbücher, Krankenhäuser ohne Fachpersonal und Dörfer ohne Strom und Wasser.

Wer vor 1994 aufgewachsen ist, sieht vor allem Nelson Mandela und das Ende des Rassismus. Wer nach 1994 aufgewachsen ist, interessiert sich für materielle Sicherheit. Die Eltern wollten ein freies Leben, die Kinder wollen ein besseres Leben. Für die „Generation born-free“ ist Rassismus nicht mehr das treibende Problem.

Die Werte, die die Welt mit Nelson Mandela verbindet, sind für sie zweitranging geworden. Sie wählt deshalb nicht mehr automatisch ANC. Für sie ist diese Partei auch nicht mehr so stark mit der Aura Mandelas verbunden. Der Ruf des ANC, der sich als Gruppe der Freiheitskämpfer verstand, hat sich in der öffentlichen Meinung geändert. Das Ansehen sinkt, viele sehen in der Partei den Inbegriff für Korruption und Vetternwirtschaft. Der heutige ANC ist nicht mehr der Mandela-ANC.

Die Enttäuschung macht sich auch bei der Wahlbeteiligung bemerkbar. In zehn Jahren ist sie um 30 Prozentpunkte gefallen, von 86 Prozent 1994 auf 56 im Jahr 2004. Und der ANC verliert an Boden. Die Leute wenden sich ab, zu Alternativen wie der Partei von Mamphela Ramphele. "Agang" heißt sie, das Sesotho-Wort für "aufbauen". 2014 werden in Südafrika ein neues Parlament und ein neuer Präsident gewählt. Es werden die ersten Wahlen sein, an denen die "Generation Born Free" teilnehmen darf.


Text: benjamin-duerr - Foto: benjamin-duerr

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