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"Angst? Nur vor wütenden Frauen!"

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Chad Kagy (34, USA), BMX-Freestyle Big Air

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


jetzt.de München: Beschreibe Deinen Sport jemandem, der ihn noch nie gesehen hat.
Chad Kagy: Wir fahren mit bis zu 70 Stundenkilometern auf eine etwa 27 Meter hohe Big-Air-Ramp zu, um eine Distanz von gut 20 Metern zu überspringen und in der Luft einen Trick zu machen. Anschließend schießen wir von einer sogenannten Quater-Pipe vier bis sechs Meter senkrecht in die Luft und machen noch einen Trick. Wenn alles geklappt hat, landen wir wieder auf beiden Reifen.
 
Und wenn’s nicht geklappt hat?
Nicht gut.
 
Welche Verletzungen hast Du davongetragen?
Ich habe etwas den Überblick über all die Knochen verloren, die ich mir bislang gebrochen habe. An die 15 Operationen kann ich mich aber ziemlich gut erinnern: Darunter waren ein gebrochenes Genick und ein gebrochener Oberschenkelknochen. Insgesamt habe ich 26 Metallteile in meinem Körper.
 
Wie, bitteschön, kommt man denn zurück, nachdem man sich das Genick gebrochen hat?
Ich kann’s nicht sagen. Es stand für mich einfach nie zur Debatte, aufzuhören. Als der Arzt mir nahelegte, einen anderen Job zu suchen, sagte ich ihm: „Das wird nicht passieren, also sag du mir, wann ich wieder fahren kann!“ Ich habe bei meinen vielen Therapien übrigens festgestellt, dass die Heilung maßgeblich von der psychischen Verfassung abhängt. Wenn ich mir das Genick also früher gebrochen hätte, wäre ich vielleicht psychisch noch nicht stark genug gewesen, um weiterzumachen.
 
Was ist der derzeit wohl schwerste Trick in Deiner Disziplin?
Das wirklich Coole am BMX-Freestyle ist: Wann immer wir denken, dass der krasseste Trick gerade gemacht wurde, kommt jemand, und erfindet etwas, das alles Bisherige in den Schatten stellt. Aktuell ist das wohl Zack Wardens „Backflip-Bikeflip“. . .
 
. . . den Du wohl erklären musst.
. . . das Fahrrad macht einen Salto und nachdem der Fahrer es wieder eingefangen hat, macht auch er noch einen Salto – womit das Fahrrad also auf insgesamt zwei Salti kommt. . .
 
. . . Bitte?
. . .Warte, das ist noch nicht der Punkt! Wie gesagt: In unserem Sport geht es um Weiterentwicklung. Du kannst mit demselben Trick nicht immer und immer wieder gewinnen. Nachdem Zack den Sprung also bei den ersten X-Games dieses Jahres ausgepackt hatte, baute er ihn beim nächsten Mal noch aus: Kurz vor der Landung trat er gegen sein Fahrrad, womit es auch noch einen „Tailwhip“ machte, sich also einmal um die Achse des Lenkers drehte.
 
Mit welchem Trick kämpfst Du selbst am meisten?
Mit einem doppelten Rückwärtssalto, bei dem ich in der Mitte des Fluges die Hände vom Lenker nehme. Der ist mir auf einer X-Games Air-Ramp noch nie geglückt.
 
Gibt es wenigstens abseits des Sports irgendetwas, vor dem Du Angst hast? Schlangen? Gewitter?
(lacht) Mein Sohn hat mich das vor ein paar Tagen auch gefragt. Und ich sagte ihm: „Sehen zu müssen, wie du dich so verletzt, wie ich es getan habe.“ Ich schäme mich jetzt etwas für das, was ich meiner Mutter zugemutet habe.
 
Was ist, wenn er auch BMX-Fahrer werden und über diese großen Rampen springen will?
Wie sollte ich es ihm schon verbieten? Solange mein Sohn etwas mit Leidenschaft tut, ist es für mich zu 100 Prozent akzeptabel.
 
Wie sieht ein gemütlicher Sonntagnachmittag bei Dir aus?
Ich fotografiere sehr gerne, besonders Landschaften. Und ich braue manchmal selbst Bier. Außerdem haben wir gerade einen Hundewelpen angeschafft. Der hält mich in Atem.


 
2. Brian Deegan (38, USA), Rallycross und Moto X Step Up

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


jetzt.de München: Beschreibe Deine Sportarten jemandem, der sie noch nie gesehen hat.
Brian Deegan: Step Up ist ein Hochsprungwettbewerb auf Dirtbikes. Die bauen uns eine große Ramp auf und wer über die mit dem Motorrad am höchsten springt, gewinnt. Der Sieger beim vergangenen Mal kam auf fast 18 Meter. Mit Rallycross dürften die Leute in Europa vertraut sein: Rennautos fahren im Kreis, eine Runde dauert etwa eine Minute. Allerdings fahren wir abwechselnd auf Beton und Schotter. Und es gibt ziemlich abgefahrene Sprünge.
 
Wie bist Du, als einer der berühmtesten Moto-X-Fahrer, denn zum Rallycross gekommen?
Ich bin älter geworden und habe nach etwas Sicherem fürs Altenteil gesucht (lacht). Mein Sponsor hat mich deshalb in ein Rennauto gesteckt und ich habe gleich im ersten Jahr einen Titel gewonnen.
 
Welche Verletzungen hast Du bis dahin davongetragen?
Ich habe mir die Beine gebrochen, die Arme, habe eine Niere verloren und die Milz. Drei Mal war ich fast tot.
 
Schon mal dran gedacht, aufzuhören?
Nicht wirklich. Seit ich ein kleines Kind bin, mache ich quasi nichts anderes. Es ist das einzige, was mich glücklich macht.
 
Warum gibt es bei den X-Games quasi keine Wettbewerbe für Frauen?
Viele der Sportarten sind sehr physisch. Deshalb gefallen sie Männern wohl besser. Es gibt jedenfalls deutlich weniger Frauen.
 
Wie oft trainierst Du?
Jeden Tag. Ich habe alles im Garten: Step-Up-Jump, Moto-X-Strecke, eine Schaumstoffgrube, um neue Sprünge zu üben. Außerdem gehe ich täglich ins Fitnessstudio und mache Jiu Jitsu und Mixed Martial Arts.
 
Wie sieht ein gemütlicher Sonntagnachmittag bei Dir aus?
Ich hänge am Swimmingpool ab. Aber ich habe eigentlich nie frei.



3. Manny Santiago (27, USA), Street League Skateboarding

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


jetzt.de München: Beschreibe Deinen Sport jemandem, der ihn noch nie gesehen hat.
Manny Santiago: Für uns wird ein Street-Parcours aufgebaut, der eine Art Mimikry einer echten Straßenarchitektur ist. In dem machen wir unsere Tricks und Richter beurteilen, wer das am besten tut. Das Ganze ist im Grunde der zum Scheitern verurteilte Versuch, dem Skaten Wettkampfbedingungen überzustülpen.
 
Warum zum Scheitern verurteilt?
Dafür muss man weit zurückgehen und erklären, was das Street-Skaten für uns alle bedeutete: Es ist ein Gefühl der Freiheit, ein Weg, dich in deiner eigenen Sprache auszudrücken – wann und wie du willst. Das in eine Arena zu verpflanzen und bewerten zu wollen, ist fast unmöglich.
 
Kannst Du erklären, warum Skaten, zumindest unter den übrigen Street-Sportarten, seit Jahrzehnten immer „cool“ geblieben ist?
Ich denke, dass der Einstieg erst mal leichter erscheint. Vielleicht kann man es sogar „demokratischer“ nennen: Anders als beim Fahrrad kann sich jeder auf ein Skateboard stellen und einfach losrollen. Und zumindest ich konnte dann nie mehr damit aufhören.

Hast Du Dich schon schwer verletzt?
Ich habe eher Abnutzungserscheinungen: Meine Sprunggelenke sind ausgeleiert, mein Knie tut weh. Dieser ganze Kram eben. Ach so: Und natürlich fehlt mir ein Zahn…
 
…was eine Art Markenzeichen ist. Wie hast Du ihn verloren?
Das war bei einem Amateur-Contest vor drei Jahren. Ich habe einen Trick unterschätzt und bin mit dem Gesicht auf einem Treppengeländer aufgeschlagen.
 
Wovor hast Du Angst?
Ich habe tierische Angst davor, dass mir das Skaten irgendwann plötzlich keinen Spaß mehr macht. Wenn ich die Leidenschaft dafür verliere, verliere ich mich selbst. Das Skaten war immer da – in guten und schlechten Zeiten. Ich weiß nicht, was danach kommen könnte.


 
4. Jackson Strong (21, Australien), Freestyle Moto X

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


jetzt.de München: Beschreibe Deinen Sport jemandem, der ihn noch nie gesehen hat.
Jackson Strong: Ich fahre Freestyle Moto X, was kurz gefasst bedeutet, dass ich mit einem Motorrad über eine Rampe springe und in der Luft einen Trick mache, an dem Punktrichter Schwierigkeitsgrad und Ausführung bewerten.

Ihr bekommt Haltungsnoten?
Ja. Eigentlich ist es ziemlich genau wie beim Bodenturnen (lacht).
 
Gibt es so etwas wie den schwersten Trick, an dem alle scheitern?
Nein, dafür entwickelt sich alles zu schnell. Aber einer der schwersten Sprünge ist mit Sicherheit der Vorwärtssalto. . .
 
. . . für den Du berühmt bist.
Trotzdem macht er mich fertig. Den versuche ich deshalb auch nur, wenn ich mich wirklich gut fühle.
 
Deine bisher schlimmsten Verletzungen?
Ich bin bislang von Schlimmerem verschont geblieben.
 
Keine Knochenbrüche? Keine Nahtoderlebnisse?
Ach so, ich dachte, Du meinst schlimmes Zeug. Knochen habe ich mir schon einige gebrochen.
 
Aber die zählen nicht?
Nicht wirklich. Sie bringen ein paar Wochen Urlaub. Zeit, etwas zu entspannen.
 
Du giltst als besonders furchtloser Fahrer. Gibt es trotzdem etwas, vor dem Du Angst hast?
Angst? Nur vor wütenden Frauen – und vor Frauen am Steuer.


 
5. Peter Henke (20, Deutschland), Mountainbike Slopestyle

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


jetzt.de München: Beschreibe Deinen Sport jemandem, der ihn noch nie gesehen hat.
Peter Henke: Das Ganze heißt Mountainbike Slopestyle und feiert sein Debüt bei den X-Games, was für den Sport ein großer Schritt ist. Wir machen im Grunde dasselbe wie BMX-Fahrer – aber auf größeren Hügeln und an Hängen: Wir springen über Hindernisse und machen dabei Salti, Drehungen oder wirbeln das Rad unter uns durch. Am Ende bewertet eine Jury, wer die höchsten Sprünge und die besten Tricks geschafft hat und wie flüssig das alles ablief.
 
Mit welchem Trick kämpfst Du gerade am meisten?
Ich trainiere momentan ziemlich hart den Double-Backflip. Den möchte ich bald mal im Wettkampf einsetzen. Ich muss dafür aber leider immer erst zu einer Foampit fahren, der Schaumstoffgrube, in der man neue Tricks gefahrloser ausprobieren kann.
 
Du hast also noch kein eigenes Trainingsgelände wie die meisten amerikanischen Fahrer?
Noch nicht. Die nächste Foampit ist ungefähr 400 Kilometer weg. Während der Saison brauche ich die aber auch nicht so dringend beziehungsweise bin ich dann oft in Städten, in denen ich ohnehin trainieren kann – mit den anderen Fahrern, was eh am meisten bringt.
 
Helft ihr euch tatsächlich noch gegenseitig bei den Tricks, oder lässt sich ab einem bestimmten Niveau keiner mehr in die Karten schauen?
Das ist eine richtig familiäre Atmosphäre. Im Wettkampf selbst will natürlich jeder gewinnen, aber trotzdem gönnt man dem anderen gute Sprünge und gibt Tipps.
 
Wie wichtig sind denn die X-Games für Dich?
Wahnsinnig wichtig. Ich bin in meiner Disziplin als einziger Deutscher am Start. Das ist auf jeden Fall das Highlight meiner bisherigen Karriere.
 
Kannst Du, wie viele der amerikanischen Fahrer, auch von Deinem Sport leben?
Reich werde ich bislang nicht damit. Aber solange ich noch zu Hause wohne, reicht es mir. Trotzdem hoffe ich natürlich, dass es bald mehr wird. Leider hat mich eine Verletzung etwas zurückgeworfen.
 
Welche war das?
Im vergangenen Jahr habe ich mir den Mittelhandknochen gebrochen und ein halbes Jahr später die Speiche. Sonst bin ich bislang mit ein paar Bänderrissen und -dehnungen davongekommen. Eine Gehirnerschütterung hatte ich auch – von dem Tag weiß ich nicht mehr viel.
 
Bei welchen Tricks ist Dir das passiert?
Bei der Gehirnerschütterung bin ich zu kurz gesprungen und sehr hart auf dem Gesicht aufgeschlagen. Und den Mittelhandknochen habe ich mir eher unglücklich gebrochen, als ich bei einem Wettkampf auf Schnee ausgerutscht und mit dem Daumen am Boden hängengeblieben bin. Die Elle war richtig blöd: Da bin ich von einem Klettergerüst gefallen.
 
Warst Du wenigstens betrunken?
Nicht mal das.

Text: jakob-biazza - Fotos: Tristan Shu/ESPN Images, Phil Ellsworth/ESPN Images, Chasen Marshall/ESPN Images, C.Van Hanja Edgerider, Christoph Laue/Red Bull Content Pool

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