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Und alle so: "Wäh!"

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Irgendwann war es doch komisch. In einer japanischen Schule liefen auf einmal fast in jeder Klasse bis zu zehn Schüler und Schülerinnen mit Augenklappen und verbundenen Augen herum. Dass dahinter nur eine Modeerscheinung steckt, wurde immer unwahrscheinlicher. Ein Lehrer fand schließlich die Ursache der Bindehautentzündungsepidemie heraus. Er erwischte einen Jungen und ein Mädchen dabei, wie er ihr seine Zunge ins Auge steckte, und erfuhr: In der Mittelstufe ist eine Mischung aus Liebesbeweis und Mutprobe beliebt. "Eyeball Licking" nennt sich das und ist wirklich, wonach es klingt – das Lecken des Augapfels.

Jetzt wird’s eklig, aber da müssen wir durch. Beim "Eyeball Licking" reißt einer seine Augen weit auf und der andere leckt an seinem Augapfel, mal kreisend, mal antippend, bei der Technik darf variiert werden. Weil man reflexartig die Augen schließt, wenn ihnen etwas zu nahe kommt, hält einer von den zweien die Lider fest, damit die Augen offen bleiben.

In der sechsten Klasse, in der der Lehrer unterrichtet, gab ein Drittel der Schüler an, dass sie das schon mal ausprobiert haben. Die Schüler erklärten auch, warum sie das machen. Augapfellecken sei für sie die Stufe, die nach dem Zungenkuss und vor dem Sex kommt. "A new second-base", schrieb der Guardian auf seiner Website. So etwas wie der neue Knutschfleck, den man ausprobiert, wenn nur küssen irgendwann langweilig wird.

Es schüttelt einen, wenn man nur darüber nachdenkt, so eklig ist die Vorstellung, dass einem jemand mit der Zunge das Auge berührt. Allerdings könnte man das, mal ganz nüchtern betrachtet, eigentlich auch übers Küssen sagen. Da fehlt auch jede biologische Erklärung, da muss auch irgendwann jemand damit angefangen haben und heute finden wir es normal, was wir beim Küssen mit unserer und der Zunge des anderen so anstellen. Wer weiß, vielleicht gewöhnen wir uns auch ans Augapfellecken, auch wenn es uns jetzt noch schüttelt.

Fans hat "Eyeball Licking" durchaus, und zwar nicht nur unter japanischen Mittelstufenschülern. Die "Eyeball Licker" schätzen, dass der Augapfel sehr empfindlich ist, eine Berührung darum sehr intensiv. Wir möchten das jetzt nicht ausprobieren, zitieren aber gerne die Huffington Post und eine Studentin, die sagt: "My boyfriend started licking my eyeballs years ago and I just loved it. I'm not with him any more but I still like to ask guys to lick my eyeballs ... it turns me on." Später schwärmt sie noch, es sei "a very intimate act".

Warum die japanischen Schüler gerade jetzt darauf kommen, weiß niemand so genau. Dass sie alle einen Augapfelfetisch haben (Oculolinctus, wie es medizinisch heißt, die sexuelle Erregung durch das Lecken der Augäpfel, ist als Vorspiel und Fetisch bekannt), ist relativ unwahrscheinlich. Es könnte mit einem Video der japanischen Band Born zu tun haben, in dem ein Mädchen dem Lead-Sänger das Auge leckt. Das Video ist allerdings schon fast anderthalb Jahre alt und mit nicht einmal 200.000 Klicks eher wenig beachtet worden (was aber auch an der Musik liegen kann).

 

Die japanischen Schüler dagegen faszinieren in diesen Tagen Facebook-, Twitter- und Tumblr-User auf der ganzen Welt. Es werden, quasi als Beweis, YouTube-Videos hochgeladen, der Hashtag auf Twitter wird minötlich mit Tweets und Bildern gefüttert und für ganz Unerschrockene hat Buzzfeed Fotos, GIFs und Videos gesammelt, auf denen sich auch Freundinnen die Augäpfel lecken und Schüler sich mit Augenklappe fotografieren.

 

Die "Eyeball Licking"-Bilder und -Videos haben eine eigene, eklige Faszination, genauso wie Bauchklatscher- und ähnliche Ekel-Clips. Sie bräuchten nur auch einen Hinweis, der vor dem Nachmachen warnt. Die Bindehautentzündungsepidemie an der japanischen Schule ist noch vergleichsweise harmlos. Über Augen und Zunge können auch Herpesviren und Chlamydien übertragen werden. Im schlimmsten Fall kann man durch eine Infektion blind werden.

Kontaktlinsen kommen als Verhütungsmittel wohl nicht in Frage. Vielleicht sollte doch jemand einen Knutschfleck-Tumblr starten. Die sind als Souvenir einer wilden Knutscherei noch zu verkraften. 

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