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Rettet die Fanbeziehung!

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Es wird wirklich nicht einfacher, ein Star zu sein. Früher genügte es, vereinfacht gesagt, sich einmal am Tag der kreischenden Masse am Hotelfenster zu zeigen. Heute hat ein Musiker zahlreiche Fenster, an denen er ständig etwas bieten muss: Sie heißen Facebook, Twitter, Flickr, Pinterest, Youtube, Vimeo, Tumblr oder Instagram.

Und damit wird auch das Leben als Fan schwerer. Immer leichter verliert man den Überblick, Konzertkarten und Musikzeitschriften genügen schon lange nicht mehr, um sich halbwegs auf dem Laufenden zu halten. Weshalb die Idee, Stars in den sozialen Netzwerken zu folgen, seit Jahren so durchschlagenden Erfolg hat. Seither können wir uns Justin Timberlake oder Lady Gaga so nah fühlen wie noch nie, wenn sie Fotos ihres Abendessens posten. Nur lässt die Verteilung der Informationen auf die verschiedensten Kanäle uns Fans mittlerweile mehr verpassen als wir mitbekommen. Auf Facebook gehen Status-Updates schon längst unter zwischen Katzenbildern von Freunden, die wir eigentlich kaum kennen, Einladungen zu Veranstaltungen, die wir nie besuchen werden, und den Posts der Dutzenden Fanseiten, die wir sonst noch abonniert haben.

Eine neue Plattform will Stars und Fans nun das Leben erleichtern. Endore.me heißt die Seite, die Musiker und ihre Bewunderer auf eine neue Weise zusammenbringen soll. Endore.me sucht alle Informationen, die über einen Star im Netz herumschwirren, und bündelt sie an einem Ort mit schickem Design. Vertreten ist im Prinzip jeder, von Rihanna bis Rio Reiser. Wird ein Künstler zum ersten Mal gesucht, wirft die Seite automatisch einen Algorithmus an, der das Netz nach relevanten Informationen durchforstet.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Auf der diesjährigen Netzkonferenz Re:publica bewarb der Blogger Sascha Lobo einen Dienst, der genau das für jeden Internetnutzer leisten soll: alles auf einer Seite sammeln, was man in den verschiedensten Netzwerken postet, teilt und liked. Die Forderung dahinter lautet: "Reclaim Social Media". Das Grundprinzip deckt sich mit dem von Endore.me. Die Frage ist nur: Brauchen wir das von unseren Lieblingsmusikern? Muss ein berühmter Künstler wirklich überall mitmachen? Ist das womöglich ein wichtiger Teil des künftigen Geschäfts mit der Musik?

Tobias Schiwek ist einer der beiden Gründer von Endore.me. "Sowohl Fans als auch Künstler müssen ständig fünf bis sechs Dienste im Auge behalten", sagt er. "Das wollen wir ändern." Ziel seiner Seite ist es, die Beziehung zwischen Fan und Künstler zu retten. Denn Künstler, sagen Schiwek und sein Partner, werde man nicht zuletzt, um Fans zu bekommen – und Fan zu sein definiere sich ja ausschließlich über den Bezug zum Idol.  

Doch wie denken Künstler selbst über ihren Beziehungsstatus zu den Fans? Definiert sich die Verbindung zu den Anhängern für Musiker mittlerweile über Likes auf Facebook und Retweets auf Twitter? Der Hamburger Musiker Thees Uhlmann ist einer, mit dem man gut über dieses Thema sprechen kann. Schon vor Jahren hat er in einem Interview mit jetzt.de von einem Fan mit starkem Liebeskummer erzählt, den er kurzerhand auf seine Couch in Berlin einlud.

Von den knapp 44 000 Fans, die Uhlmann auf Facebook folgen, sind ein paar zu echten, persönlichen Freunden geworden. Mit Timelines und Pinnwänden hat das für ihn allerdings wenig zu tun: "So eine Freundschaft bahnt sich einfach an", erklärt er. "Man sabbelt kurz nach einem Konzert und nach noch einem, bis es einem unangenehm ist, dass sie dafür zahlen müssen. Dann schreibt man sie auf die Gästeliste, sabbelt wieder und irgendwann ruft man sie an, wenn man in der Stadt ist, um sich mit ihnen zu treffen."

Wegen der Fans habe er natürlich nicht angefangen mit der Musik. Trotzdem sind dem 39-Jährigen die besonders treuen Anhänger viel wert: "Die haben sich für das erste Konzert noch aus ihren Zimmerfenstern abgeseilt und kommen heute mit ihren eigenen Kindern." Zu dem Zauber, den es zwischen Stars und Fans manchmal gibt, gehört eben auch immer etwas Schicksal: ob man nun den Stick des Drummers fängt, dem rauchenden Gitarristen vor der Hintertür über die Füße stolpert, oder auf Thees Uhlmanns Couch landet.

Uhlmann postet im Netz nicht ständig und nicht immer selbst. Aktuelle Tourdaten und offizielle Dinge posten meist Mitarbeiter seines Managements. Aber wenn Uhlmanns Tochter vor einem Panda-Plakat fragt, was denn mit Knut dem Eisbären passiert sei, twittert er das gerne selbst.

Können Fans bald für Geld ein Videotelefonat mit ihrem Star kaufen? Lies es auf der nächsten Seite.



Natürlich haben soziale Medien nicht für alle Künstler und Musiker die gleiche Bedeutung. Wer die Netzwerke nur mit unpersönlicher Eigenwerbung füllt, hat das Prinzip der digitalen Nähe nicht verstanden. Wer die sozialen Netzwerke aber gekonnt nutzt, kann mit seinem digitalen Gefolge gutes Geld verdienen. Wie zum Beispiel die Sängerin Amanda Palmer, die ihre Fans um Spenden für ihre nächste Albumproduktion bat – und am Ende knapp 1,2 Millionen Dollar gesammelt hatte.

Das spricht für die Idee der Gründer von Endore.me. Denn auch damit soll natürlich irgendwann Geld verdient werden. Es ist nicht der erste Onlinedienst rund um Musik, mit dem die beiden Gründer zu tun haben. Kennengelernt haben sie sich als Mitarbeiter einer Plattform, über die man Musik im Internet hören kann. "Wir haben in dieser Zeit sehr viel über die Musikindustrie gelernt", sagt Tobias Schiwek. Zum Beispiel, dass neue Geldquellen her müssen.

Endore.me soll auch dafür gut sein. Denn wo in der aktuellen Betaversion noch jeder dieselben Informationen bekommt, werden sich in Zukunft die guten Fans scheiden von den richtig guten Fans – denen, die bereit sind zu zahlen. Was genau man kaufen können wird, um sich als Superfan zu fühlen, will Tobias Schiwek noch nicht verraten, aber eine ungefähre Richtung gibt er an: "Es geht um Module, die eine neue Art der Interaktion mit dem Star ermöglichen sollen. Stell dir vor, wir könnten dir ein fünfminütiges Videotelefonat mit deinem Lieblingsmusiker anbieten." Oder ein Onlinekonzert mit limitiertem Zugang, Posts und Fotos, die es nur gegen Bezahlung zu sehen gibt. Wird sich der Star in Zukunft digital hinter einer Paywall verstecken?

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wolfgang Weyand ist Berater in der Musikwirtschaft und Dozent an mehreren Hochschulen. Er kennt die alternativen Geschäftsmodelle der Musikindustrie. "Wenn es etwas zu verdienen gibt, nimmt das jeder mit", sagt er. Von der Musik zu leben sei schwer genug und gelinge nur den wenigsten. Dass man also versuche, abseits von Plattenverkäufen und Konzertkarten Geld zu verdienen, sei weder verwerflich noch etwas Neues. Im Prinzip sei die Idee hinter der Seite ähnlich wie ein VIP-Konzertticket – damit habe man schon in den Neunzigerjahren kaufen können, dass DJ Bobo einem die Hand schüttelt. Letztlich machten aber alle alternativen Einnahmequellen nur einen kleinen Prozentsatz aus. "Auch Erlöse aus Streamingdiensten wie Spotify sind zwar schön gedacht, aber marginal für den Künstler."

Geld für ein Fünf-Minuten-Gespräch mit dem Star? "Das wäre ja wie damals beim Bravo-Startelefon", sagt Thees Uhlmann. Da könne man sich auch eine 0190-Nummer holen und sagen: "Amüsieren Sie Thees Uhlmann exklusiv beim Kaffeetrinken."

Diese Erkenntnis mag banal klingen, aber so gern die leidenschaftlichen Fans auch hätten, dass Uhlmann aus reiner Liebe zu ihnen ein Konzert gibt – er tut es doch, weil sie und viele andere mit einem Ticket dafür gezahlt haben. Und auch wenn es Künstlern wie ihm Spaß macht, für uns Fans die vielen digitalen Fenster mit persönlichen Updates zu befüllen, steckt auch dahinter immer ein Marketinggedanke. Das ist vielleicht unromantisch, aber wahr, sowohl für die Gründer von Endore.me, die sich über die Profitbeteiligung an allem, was über ihre Seite bestellt wird, finanzieren – als auch für Thees Uhlmann, der davon lebt, dass seine Fans Platten, Konzertkarten oder seine Bücher kaufen.

Manche Fanmomente bleiben ihm aber unbezahlbar: Zum Beispiel das Konzert, von dem ein Mann namens Willi Wucher seine Tochter abholen musste. Wucher ist Sänger der Punkband "Pöbel & Gesocks" und hält Uhlmann vermutlich eher für einen Weichspülmusiker. Seine Tochter aber mag Uhlmann. Sie ist sein Fan.

Text: teresa-fries - Illustration: katharina-bitzl

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