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Luise gegen Vattenfall

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Luise Neumann-Cosel hat vor eineinhalb Jahren ihr Studium der Geoökologie abgeschlossen. Heute ist sie Vorstand der Initiative „BürgerEnergie Berlin“ und legt sich mit einem europäischen Energieriesen an. Sie will mit einer Genossenschaft aus Bürgern dem Vattenfall-Konzern das Berliner Stromnetz abkaufen. Denn sie findet: Energieversorgung und die Verantwortung für nachhaltige Stromerzeugung gehören in die Hand der Bürger.

jetzt.de: Die „Stromrebellin“ will mit ihren Mitstreitern einem der größten Energieunternehmen Europas das Berliner Stromnetz wegschnappen. Hat dieser Plan eine realistische Chance, oder geht es eher darum, die Aufmerksamkeit auf das Thema Energie und Nachhaltigkeit zu lenken?
Luise Neumann-Cosel: Wir meinen das völlig ernst und glauben auch daran, dass wir das schaffen können. In kleinen Städten und Kommunen hat genau das zum Teil schon geklappt. In Schönau im Schwarzwald zum Beispiel haben die Bürger das Netz schon vor Jahren wirklich alleine übernommen betreiben es jetzt in Eigenregie. Nur in einer so großen Stadt wie Berlin gab es das noch nicht. Wir von der „BürgerEnergie Berlin“ wollen das ändern.

Und wie soll das funktionieren?
Der Konzessionsvertrag, also der Nutzungsvertrag, zwischen dem Land Berlin und dem momentanen Betreiber des Stromnetzes Vattenfall läuft Ende 2014 aus. Wir haben uns um die Konzession beworben, um das Netz in die Hände der Bürger zu bringen.

Wie viel kostet denn so ein Stromnetz?
So ganz genau kann man das momentan noch nicht sagen. Der Preis wird – je nachdem wen man fragt – auf 500 Millionen bis 4 Milliarden Euro geschätzt.

Und jeder, der so viel Geld besitzt, kann ein so riesiges Stromnetz wie das von Berlin kaufen?
Nein nicht ganz. Die Berliner Politik wählt in einem Vergabeverfahren einen neuen Netzbetreiber aus. Und dabei gibt es politischen Spielraum: Es ist eben nicht so, dass der Meistbietende gewinnt. Der Preis spielt in dem Prozess erst einmal gar keine Rolle. Es geht darum, wer der Regierung das beste zukunftsorientierte Konzept vorlegen kann. Was zur Folge hat, dass wir uns mit den riesigen Stromunternehmen in direkte Konkurrenz begeben können. Wir haben da also wirklich auch eine Chance, die Konzession zu bekommen, wenn wir die politischen Vertreter davon überzeugen können, dass das Stromnetz in die Hände der Bürger gehört und nicht in die eines einzelnen Unternehmens.

Aber wann genau kommt denn das Geld ins Spiel? Denn mit einem guten Plan allein kann man noch kein Stromnetz kaufen.
Sobald der Senat die Entscheidung getroffen hat, ist der alte Netzbetreiber, wenn ihm denn die Konzession nicht wieder zugesprochen wurde, gezwungen, dem neuen Betreiber das Netz zu verkaufen. Das sind dann hoffentlich wir. Und erst dann wird über den Preis verhandelt, wobei die Vorstellungen logischerweise ziemlich weit auseinandergehen.   

Kann „Vattenfall“ den Preis nicht einfach so hoch setzen, dass niemand ihn bezahlen kann?
So einfach können sie es sich nicht machen. In die Verhandlungen schalten sich auch die Bundesnetzagentur und das Kartellamt ein. Wenn es trotzdem zu keiner Einigung kommt, geht das Ganze vor Gericht. Bei ähnlichen Prozessen in den vergangenen Jahren wurde da in der Regel für den neuen Betreiber entschieden. Man kann davon ausgehen, dass der Kaufpreis dann bei 800 Millionen Euro liegt. Der Anteil des Eigenkapitals  an dieser Summe muss  aber in der Regel nur 40 Prozent sein.

Das sind immer noch 320 Millionen Euro. Wie wollt ihr die zusammenbekommen?
Das Geld wird nicht das Problem sein. Das mag zwar erst mal verrückt klingen, aber ein Stromnetz wirft ziemlich stabile Erträge ab. Momentan fließen diese Gewinne einfach aus Berlin ab. Wir wollen sie anders einsetzen: Zum Teil für die Energiewende in Berlin, aber auch jeder, der sich mit uns am Netzkauf beteiligt, soll etwas davon abbekommen. Man kann das Netz also auch als eine nachhaltige Geldanlage sehen. Und da es hier um Renditen zwischen sechs und neun Prozent geht, ist das auch ziemlich attraktiv.

Du warst in der Talkshow von Maybrit Illner zu Gast, neben gestandenen Politikern wie Peter Altmaier und Jürgen Trittin. Überwiegend unter älteren Herren wie ihnen wird sonst die Energiefrage diskutiert. Glaubst du, als junge Frau hast du einen Vorteil, weil du mehr Aufmerksamkeit erregst oder fühlst du dich manchmal nicht  ernst genommen?
Natürlich werde ich anders wahrgenommen, als diese Herren. Vielleicht musste ich es mir schon härter erarbeiten, dass ich und meine Idee ernstgenommen werden. Aber wenn man sich nicht einschüchtern lässt, funktioniert es dann doch. Und ich stehe ja auch nicht alleine da. Schließlich haben wir mittlerweile schon Tausend Mitglieder, die bereits fünf Millionen Euro bereitgestellt haben. Die Bürger nehmen uns ernst, nicht zuletzt, weil es nicht um Spenden sondern um eine Geldanlage geht. Und wenn uns so viele Bürger unterstützen, bleibt den Politikern und Unternehmen nichts anderes übrig, als sich mit uns zu beschäftigen.

Peter Altmaier sagte in der Sendung vor der Kamera, er wolle sofort Mitglied werden. Dabei hattet ihr ihm im Vorfeld schon zwei Anfragen geschickt, auf die er nicht reagiert hat. Ist solche Unterstützung euch irgendetwas wert, oder hilft es nur den Politikern im Wahlkampf?
Da muss man einfach schauen, was wirklich daraus wird. An sich sagen die meisten Politiker, sie fänden toll, was wir machen. Aber letztendlich kommt es darauf an, ob sie nur reden - oder die Energiewende und uns mit der Politik, die sie machen, auch unterstützen. 



Text: teresa-fries - Foto: Ruben Neugebauer/BürgerEnergie Berlin

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